Oculus

Erstellt am 30. September 2014 von Pressplay Magazin @pressplayAT
Film-Festivals

Veröffentlicht am 30. September 2014 | von Bianca Hofbauer

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Oculus

Oculus Bianca Hofbauer

Wertung

Summary: Ein Film, der wenig originell scheint, jedoch durch die Art der Erzählung glänzt und raffiniert zwischen Fantasie und Realität wechselt

3.5

Horror


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Mike Flanagans Oculus ist ein komplex gebauter Psychoschocker, der ein an sich grusliges Requisit zum Hauptdarsteller macht und vor allem deshalb funktioniert, weil er zwei Zeitebenen nicht nur chronologisch, sondern parallel zueinander erzählt.

Als Tim (Brenton Thwaites) 21 Jahre alt wird, entlässt man ihn aus der Psychiatrie, in der er die letzten elf Jahre seines Lebens verbracht hat. Vor den Toren wartet seine Schwester Kaylie (Karen Gillan) auf ihn. Kaum begrüßt erzählt sie ihm, dass sie „es“ endlich gefunden habe, dem sie die Geschehnisse von einst zuschreibt, die für Tim in der psychiatrischen Anstalt endeten. Sie spricht von einem antiken Spiegel, der im ehemaligen Elternhaus im Büro des Vaters hing, die Geschwister in Angst und Schrecken versetzte und die Eltern in den Wahnsinn trieb. Der Wahnsinn der Eltern endete schließlich mit deren Tod. Nun wollen die beiden endlich den Tod ihrer Eltern rächen. Der Spiegel soll zerstört werden. Doch das klingt leichter als es ist.

Obwohl die Handlung einfach und wenig kreativ klingt, verblüfft Flanagan mit Oculus sein Publikum mit der Art, wie er die Geschichte erzählt. Das Überraschende liegt darin, wie der Film Vergangenheit und Gegenwart unzertrennbar miteinander verknüpft. Die Vergangenheit zeigt den Zusehern die Misere, die den Ausschlag für die gegenwärtige Handlung der Protagonisten gab. Zu Beginn enthüllt sich ein Teil der Vergangenheit der Protagonisten in gewohnter Manier, durch Erzählungen und Rückblicke. Doch diese Rückblicke werden während der Filmlaufzeit immer mehr verwoben mit der Gegenwart. Erinnerungen der Geschwister werden zu Halluzinationen und Halluzinationen zu gegenwärtigen realen Ereignissen. Am Höhepunkt des Filmes sind die beiden Zeitebenen so eng miteinander verwoben, dass sie kaum noch unabhängig voneinander betrachtet werden können. In dieser Konstellation ist der einzige Indikator zwischen den Ebenen das Aussehen der Darsteller.

Beispielsweise steht die 12-jährige Kaylie vor den Türen des Elternhauses und macht sich auf, das Haus zu betreten um nach ihrem Bruder zu sehen. Doch zur Tür herein tritt die 23-jährige Kaylie, ebenfalls vom selben Gedanken betrieben, ihren Bruder zu finden mit genau demselben panischen Blick, wie ihr junges Ich. Zu dieser immer knapper aufeinander folgenden Erzählung der Vergangenheit, die parallel zur Gegenwart verläuft, stoßen erinnerungsunabhängige Wahnbilder der Charaktere. Dem Zuseher wird es zunehmend erschwert, zwischen einer Halluzination und Realität zu unterscheiden und Gegenwart von Vergangenheit zu trennen. Dies erzeugt Verwirrung, aber gleichsam trägt es zum Spannungsaufbau bei. Für das Publikum jedoch eine sehr zwiespältige Erfahrung: Für die einen ist der Sprung von hitziger Vergangenheit zu eher ruhigeren Geschehnissen in der Gegenwart erleichternd und bietet Gelegenheit zum Luft holen. Für die anderen ist der Sprung ärgerlich, weil er mitten im Handlungsstrang ansetzt.

Oculus punktet zwar mit der Art der Erzählung, unterscheidet sich aber wenig von anderen Horrorfilmen, wenn es um Kameraeinstellungen oder musikalische Untermalung geht. Die Musik ist zwar fest mit der Handlung verwoben, doch bleibt sie bloß Mittel zum Zweck und erzeugt nur im Zusammenspiel mit den visuellen Reizen Gänsehaut. Die Schockelemente steigern sich von Anfang bis zum Ende des Filmes, wobei die wirklich beängstigenden Szenen erst nach einer langen Durststrecke beginnen. Die darin enthaltenen Horrorelemente sind oft vorhersehbar und wenig kreativ, wenn auch dadurch nicht weniger erschreckend. Genauso wenig originell sind die Dialoge, auch wenn Kaylies zynischen Aussagen einem trotzdem zeitweise ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern. Und auch das Thema des besessenen Spiegels ist keinesfalls neu. Oculus glänzt hingegen durch die schauspielerische Leistung, wobei vor allem die Kinderschauspieler Annalise Basso und Garrett Ryan brillieren.

Der Film entstand ursprünglich aus dem gleichnamigen Kurzfilmprojekt von Flanagan aus dem Jahr 2006. Der 32-Minüter Oculus: Chapter 3 – The Man with the Plan handelt von einen Mann, der beweisen will, dass ein antiker Spiegel besessen ist. In der Langfilmversion wird aus dem Mann der die Besessenheit beweisen will, ein Geschwisterpaar, das bereits einen Schritt weiter ist. Grundsätzlich finden sich im Film jedoch keine ergiebigen kreativen Ergüsse. Doch die Art und Weise der Erzählung mit der Verbindung zwischen zwei Zeitebenen wie Halluzination und Wirklichkeit trösten über die restliche Einfallslosigkeit bei weitem hinweg.

Regie: Mike Flanagan, Drehbuch: Mike Flanagan, Jeff Howard
Darsteller: Karen Gillan, Brenton Thwaites, Katee Sackhoff, Rory Cochrane, Annalise Basso
Filmlänge: 104 Minuten, oculus2014.com
gezeigt im Rahmen des /slash Filmfestivals 2014

Tags:3.5 von 5HorrorKaren GillanKatee SackoffMike FlanaganSlash Filmfestival


Über den Autor

Bianca Hofbauer