Es ist zumindest die kürzeste Besetzung, die deutsche Okkupanten in den vergangenen acht Jahrzehnten in Angriff genommen haben. Keine ganze Stunde nach dem Beginn der öffentlichen Empörung ist der Protest vorbei. Es gilt nun, den heißen Abendaufstand vorzubereiten, unter Notstandsbedingungen. Denn Halle, einst Sitz von beinharten Kapitalisten und Schlotbaronen wie Carl Adolf Riebeck, der seinen Reichtum aus der Arbeit zahlloser Entrechteter sog und dafür später mit der Umbenennung des zentralen Platzes der Stadt auf seinen Namen belohnt wurde, mangelt es im Armenhaus am Saalestrand heute an ernsthaften Adressen für widerständisches Bürgerengagement.
Wo soll der Empörte hier nur demonstrieren, was besetzen? Die Sparda-Bank? Die Volksbank? Die kommunale Sparkassenfiliale, in der es traditionell nach Männerpisse und Fußschweiß riecht, weil der Geldautomatenvorraum seit Jahren jede Nacht von Tippelbrüdern besetzt wird? Hier hat der Vorstand den einfachen Mitarbeitern aber schon zum Jahresanfang die monatlichen Boni für Vertragsabschlüsse gestrichen und damit Gehaltskürzungen von rund 20 Prozent durchgesetzt - noch ein Quentchen mehr, und das Monatseinkommen des reisenden Widerstands liegt über dem der durchschnittlichen Schalterkraft.
Ebenso steht es bei der örtlichen Nahverkehrsgesellschaft Havag, die öffentliche Mittel in "umstrittenen" (dpa) Cross-Border-Leasing-Geschäften riskierte. Denkbar wäre natürlich eine Aktion "Occupy Landesverwaltungsamt", das quasi stellvertretend für die Landesregierung herhalten müsste, die in der Vergangenheit Steuergelder über undurchsichtige Off-Shore-Fonds in Steueroasen wusch und deren sozialdemokratischer Finanzminister bis heute auf dem "Einsatz von Derivaten" im Rahmen der "breiten und flexiblen Kapitalmarktstrategie" des Landes beharrt. Der Natur der Dinge nach ist aber auch das Land eigentlich Volkseigentum, Occupy Wall Street würde zu Occupy Staatskanzlei, das Volk besetzt sich selbst. Ehe es eine Woche später wieder über sinkende Garantiezinsen bei der Lebensversicherung klagt.
Doch viel mehr hat der vom Weltspekulantentum nie richtig entdeckte Sparstandort inmitten der deutschen Wohlstandsgrube leider nicht zu bieten. Wohl deshalb ist der Abendaufstand für den Uniplatz geplant. Hier kennt der Protestler sich aus, hier ist es nicht so weit zur Party- und Kneipenmeile der Stadt, auf der die Okkupation anschließend bei einigen Bier friedlich ausklingen können wird.
20 Uhr soll er losgehen, der Aufstand des Gewissens, der Aufstand der 99 Prozent, die so in Ruhe die "Sportschau" werden zu Ende sehen können, ehe es gegen den Klasssenfeind geht. Es ist kühl, keine sieben Grad, also wie in jedem "heißen Herbst" (DGB) wieder kalt in Deutschland am Vorabend dieser Revolution von der Straße, für die die globale Kleiderkette "New Yorker" schon sehr formschöne Uniformstücke verkauft (Foto Mitte). Die zur Okkupation aus berechtigter Wut vorgesehene Fläche, frisch saniert mit EU-Mitteln, wird von zahllosen Lampen interessant ausgeleuchtet (Foto oben). Sieht nur gerade heute niemand. Denn Demonstranten sind keine gekommen.