Der Olymp ist ein undankbarer Ort. Wer nur sehr gut abliefert, ganz zu Schweigen von Collabos mit Linkin Park oder einem blonden Bond, fällt direkt eine Wolke tiefer. Radiohead befinden sich nun seit einer ganzen Weile an diesem Ort, ja gelten sogar als diejenigen, die die Moderne dorthin brachten. Und man kann es den Tausenden von Menschen, die sich am letzten September-Samstag in der ausverkauften Wuhlheide bei Berlin eingefunden haben auch nicht verübeln, dass sie gute Musik schätzen. Nur birgt der Olymp-Status eben auch die Gefahr von Statusmeldungsfans, die die „Vorband“ – der nicht gerade unbekannte Caribou mit Band – gar nicht kennen und auch vom Hauptact nur zwei bis drei Lieder („Warum spielen die denn nicht Creep, verdammt?!“).
Natürlich kann die Band für all das nichts und doch trübt es etwas das Konzerterlebnis an diesem herbstlichen Abend.
Caribou sind musikalisch eine perfekt Vorband, wobei perfekt leider auch auf die Soundästhetik zutrifft. Etwas mehr Ecken und Kanten statt poppiger Zurückhaltung hätte den an sich formidablen Songs gutgetan.
Auf ihrem nun auch schon ein Jahr alten Album „The King of Limbs“ fragmentierten Radiohead ihre Songs und boten dem Rezipienten die verschiedenen Stücke nebeneinandergestellt dar. Dieser fügte die Melodielinien dann mit jedem Hördurchgang näher zusammen, bis sich die Popräume in den Songlabyrinthskizzen auftaten und in Beschlag nahmen.
Auf der Bühne zeigt sich ein ähnliches Prinzip. Über den Köpfen der Band hängen zig quadratische Bildschirme, auf denen das Bühnengeschehen live mittels diverser Kameras für den Zuschauer fragmentiert wird.
Dass Radiohead nicht mehr die Gitarrenband ist, die sie in ihren Anfangstagen noch war dürfte, abgesehen von den eingangs erwähnten ausnahmen, bekannt sein. Dennoch sind auf der Bühne relativ wenige Synthesizer oder ähnliche Instrumente zu sehen. Stattdessen gibt es zwei Drumkits, was sich schon bei den Basement-Sessions als gute Wahl herausgestellt hat, um den deepen Drumsound der neueren Stücke adäquat umsetzen zu können.
Das Konzert beginnt mit der King of Limbs-Single „Lotus Flower“ und schiebt dann „Airbag“ von OK Computer ein, bevor mit „Bloom“, „The Daily Mail“, „Myxomatosis“, „The Gloaming“, „Separator“ und „These Are My Twisted Words“ elektronischer geprägte Stücke im Mittelpunkt stehen. „Videotape“, „Nude“ und „Weird Fishes“, allesamt vom Vorgängeralbum „In Rainbows“ kühlen die Energie etwas herunter, wobei allen voran „Nude“ traumhaft durch die Nachtluft klang.
Für „There There“ tauschen auch Johnny Greenwood und Ed O´Brian Gitarre gegen Trommel und liefern ein perkussives Meisterstück bei dem auch Thom Yorke endgültig zum Derwisch wird und losgelöst über die Bühne zappelt. Nach dem hymnischen „Paranoid Android“ ist dann erstmal Schluss, bevor die erste Zugabe mit „Planet Telex“ vom zweiten Album „The Bends“ eine massive Gitarrenzeitreise im Gepäck hat.
Wieder wird es dunkel, bevor Thom Yorke und Johnny Greenwood allein auf die Bühne treten, um inmitten eines derartigen Eventkonzertes mit „Give Up The Ghost“ Zerbrechlichkeit zu zelebrieren. Momente wie diese zeigen, dass diese Band, so sehr sie sich auch auf einer Bekanntheitsstufe mit U2, R.E.M oder Coldplay bewegen, im Gegensatz zu diesen noch immer vermag zu überraschen und nicht einfach nur abzuliefern.
Als Übergang zu „Everything In Its Right Place“ spielt Yorke einige Zeilen von Björks „Unravel“ nur mit Klavierbegleitung, bevor der Rest der Band für das vermeintliche Finale wieder einsetzt. Nach zwei Stunden eines großartigen, wenn auch erwartbaren Konzertes kann man zufrieden nach Hause fahren. Nur Radiohead scheinen darauf keine Lust zu haben und kehren nocheinmal zurück, um mit „Idioteque“ die Party richtig zum Kochen zu bringen, inklusive zuckender Lichter und Menschenmassen. Vielleicht ist es dieser Moment, der genügt um dann eben doch von einem der Konzerte des Kajres zu sprechen?! Jedenfalls verlässt man das Amphitheater – wo sonst spielt eine Band aus dem Olymp – mit einem Reizüberfluteten Kopf, dessen Einzeleindrücke ersteinmal fragmentarisiert und als passende Erinnerung zusammengesetzt werden wollen. In diesem Sinne: No Suprises aber wer und wessen Armee sollte es schaffen, diese Jungs von ihrer Wolke zu schmeißen?!
Radiohead im Netz.
Autor: Johannes Hertwig