Obama zwingt die EZB mit der BBC zu Strafzinsen gegen die Kohleindustrie - Vermischtes 03.12.2019

Die Serie „Vermischtes" stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) The BBC's fabled impartiality was only ever an elite consensus

But the influence of rightwing editors and journalists, while not insignificant, misses the longer standing establishment orientation of the BBC. Academic research shows that its reporting is strongly shaped by corporate interests, state officials and the political elite - the government of the day in particular. And even some BBC loyalists concede that it too often follows the agenda set by the rightwing press. Behind these patterns of reporting is an organisation long shaped by officialdom - which, since the market-based reforms imposed by John Birt in the 1990s, has been increasingly influenced by the commercial culture of the private sector. More recently it has drifted further right, pushed and pulled by Tory and Tory-led governments that squeezed its funding and reshaped the political culture and agenda to which its editors defer. [...] Brexit, meanwhile, poses enormous challenges to journalism in general, but for the BBC they are especially acute since it has similarly disrupted its typical compass for impartiality: elite consensus. The majority of officials and business executives are opposed to Brexit, as are the vast majority of independent experts, but the government has sought to press ahead nevertheless. The electorate, meanwhile, remains fairly evenly split. In such circumstances, balancing opinion - public or elite - with expertise poses significant editorial dilemmas, and the BBC has been widely criticised for failing to challenge misinformation and misconduct by Brexit campaigners. BBC political journalists have sought to ride the storm by sticking to their conventional model of embedded reporting: describing the political wrangling and relaying the competing claims and counterclaims. But this has only exposed it to further accusations of bias. Even at the best of times BBC journalism tends to lean towards the government of the day, while the ostensibly neutral "he said, she said" approach too often means relaying disinformation at odds with the BBC's public purpose. The current election will be a major test for the BBC, but in the long run we will need to address some of the longstanding structural problems that our current circumstances have brought to the surface. (Tom Mills, The Guardian)

Das Problem ist sehr ähnlich wie auch in Deutschland. Ich argumentiere schon seit vielen Jahren, dass die NachDenkSeiten (pars pro toto) zwar in ihrer Beschreibung des Missstands von einem starken (aus ihrer Sicht) feindlichen Medienkonsens richtig liegen, nicht aber in ihrer Analyse. Das Problem ist nicht "Meinungsmache" im Sinne einer konzertierten Aktion, das Problem sind auch nicht einzelne starke Verleger die den Redaktionen die Marschrichtung vorgeben, nein, das Problem ist wie immer strukturell und soziologisch bedingt. Der Journalismus, zumindest jener, der über die entsprechende Reichweite verfügt - vulgo der Leitmedien - ist wahnsinnig homogen. Da das Sein bekanntlich das Bewusstsein bestimmt, sorgt diese Homogenität im Hintergrund für eine Homogenität des Habitus. Auf Twitter wurde das erst jüngst thematisiert: Lange, unbezahlte oder kaum bezahlte Praktika sind praktisch eine Zugangsvoraussetzung für den Journalismus (wie übrigens auch für die Politikberatung!). Und solche muss man sich leisten können. FAZ, SZ und Spiegel sind schließlich nicht gerade in Regionen, die durch günstige Mieten glänzen. Ohne Unterstützung des Elternhauses geht da nichts. Es verwundert daher nicht, dass der Journalismus sich generell schwer damit tut, etwa die Lebensumstände der Armen angemessen zu begreifen - oder irgendwelcher anderer unterrepräsentierter Gruppen. Das ist natürlich kein auf den Journalismus beschränktes Problem, aber hier (wie auch in der erwähnten Politikberatung) deswegen auffälliger, weil die Formung der Wirklichkeit (ich kanalisiere hier mal meinen inneren Luhmann) durch die Massenmedien eine herausragende Stellung einnimmt und daher eine besondere Verantwortung innehat.

2) Wer von Ökodiktatur spricht, hat das Problem nicht verstanden

Politik ist menschengemacht und was menschengemacht ist, ist dem menschlichen Einfluss zugänglich. Normale politische Probleme können jetzt gelöst werden oder später oder nie. Selbst ein Krieg kann prinzipiell zu jedem Zeitpunkt beendet werden, wenn sich alle Seiten darauf einlassen. Normale politische Probleme sind verfügbare Probleme, weil das Handeln zu einem Zeitpunkt die Handlungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten zu einem späteren Zeitpunkt nur beeinflusst, aber nicht bestimmt. Die Erderhitzung ist anders, ist nicht beliebig verfügbar. Sie kann entweder sehr schnell noch eingedämmt werden, oder sehr bald nicht mehr, weil dann Kipppunkte aktiviert werden und sich der Prozess der Erhitzung dem Zugriff des Menschen entzieht. Bernd Ulrich, der stellvertretende Chefredakteur der "Zeit", bezeichnet in seinem Buch "Alles wird anders" die Klimakrise als kumulativ: Jedes Molekül eines Treibhausgases, das in diesem Jahr ausgestoßen wird, muss nächstes Jahr zusätzlich eingespart werden. Mit jedem Moment der Verzögerung wächst die Aufgabe im nächsten Moment. Je länger wir nichts tun, desto schwerer wird es, zu handeln, desto höher werden die Kosten und desto einschneidender die notwendigen Maßnahmen. Das widerspricht der Gewohnheit und auch den üblichen Methoden politischen Handelns. Daraus folgt eine Tatsache, die der Intuition sogar noch stärker widerspricht. Sie lautet, auf eine Formel gebracht: Veränderung ist Bewahrung, Bewahrung ist Zerstörung, Mäßigung ist Übermaß. (Jonas Schaible, T-Online)

Das ist Jonas' letztes Essay für T-Online; inzwischen ist er zum Spiegel gewechselt. Ein letztes Mal Glückwunsch dafür. Ich finde seine Gedanken absolut relevant für die Diskussion, gerade was die völlige Verdrehung der üblichen "Methoden politischen Handelns" angeht. Ich habe hier bereits öfter betont, dass die zentrale Wasserscheide zum Thema Klimawandel hier in Deutschland nicht ist, ob man ihn für real hält oder nicht. Die kleine Gruppe der Spinner, die das bezweifeln, findet gerade in der AfD ihre Heimat. Die Wasserscheide ist vielmehr, ob man den Klimawandel als existenzielle Krise begreift oder vielmehr als ein (wenngleich schwerwiegendes) Problem unter vielen, für dessen Lösung einerseits noch Zeit ist oder das sich schlicht den Lösungsansätzen der Politik entzieht. Deswegen reden wir, zumindest meinem Gefühl nach, in den entsprechenden Debatten auch so häufig aneinander vorbei. Ich bin wenig überraschend wie Jonas der Überzeugung, dass es sich um eine schwerwiegende Krise handelt und dass daher jede Lösung, die nicht radikal ist, in Wirklichkeit Radikalismus bedeutet. Aber das geht gegen jedes tradierte Politikverständnis und beinhaltet seine eigenen Gefahren. So bescheuert die Rede von der Ökodiktatur angesichts des aktuellen Programms der Grünen auch sein mag, so ist sie eine reale Gefahr, die uns ins Haus stehen kann, besonders, wenn wir noch länger Lösungsansätze verschleppen und daher umso radikalere Lösungen später notwendig machen.

3) „Der niedrige Zins wird in Berlin und Brüssel gemacht"

Einigen Ökonomen treiben solche Aussagen die Zornesröte ins Gesicht. Denn hört man sich unter Wirtschaftswissenschaftlern um, so ist das Narrativ häufig ein anderer. Die EZB habe mit ihrer Zinssenkung 2008 die Wirtschaft Europas vor einem Kollaps bewahrt und der Politik damit Zeit erkauft. Die habe diese Chance aber nicht genutzt; die nötigen Reformen blieben aus. Mit Kritik an der EZB lenke die Politik nur vom eigenen Versagen ab. „Es ist schlicht falsch, dass die EZB den Zins alleine macht", argumentiert auch Rüdiger Bachmann, Professor für Makroökonomik an der US Universität Notre Dame. „Sie muss sich viel mehr am natürlichen Zins orientieren." Als solchen versteht man den theoretischen Zins, bei dem der Gütermarkt im Gleichgewicht und das Preisniveau stabil ist. „Und der ist aktuell aufgrund vieler Faktoren niedrig", fährt Bachmann fort. „So sparen zum Beispiel unheimlich viele Leute, weil die Gesellschaften älter werden. Auch die Unternehmen sparen heute viel mehr." Zudem lebten wir zunehmend in einer The-Winner-Takes-It-All-Ökonomie, in der die Konzentration der wirtschaftlichen Stärke bei wenigen Unternehmen dazu führe, dass sie weniger Druck hätten, zu investieren. „Es muss klar sein: Man kann nicht über niedrige Zinsen meckern und gleichzeitig knausrig sparen", meint Bachmann. „Wenn Staat, Unternehmen und Privatiers ihr Geld lieber sparen als zu investieren, sinkt der Zins." Verantwortlich sind folglich aus seiner Sicht die politischen Rahmenbedingungen. „Der niedrige Zins wird hauptsächlich nicht bei der EZB, sondern in Berlin und Brüssel gemacht", schlussfolgert Bachmann. Und Schulden seien ja nicht per se nicht gut oder schlecht; sie seien lediglich ein Instrument, von dem gut beleumundete und langlebige Institutionen wie der deutsche Staat auch durchaus gebrauch machen sollten, meint Bachmann. (Thorsten Mumme, Tagesspiegel)

Zentralbank-Mythen gehören zum Kernbestand sowohl der Liberalen als auch der Konservativen in Deutschland. Man denke nur an die Bedeutung einer stabilen Währung, die den Zentralbanken anvertraut ist, oder die niedrige Inflation, mit der allein sie betraut sind. Bislang war das stärkste, heiligste Argument im Köcher der CDU, FDP und mit ihr verbundenen Experten stets die Unabhängigkeit der Zentralbank, ob Bundesbank oder EZB, die es gegen die fiskalische Verantwortungslosigkeit von links zu verteidigen gelte und in deren sakralen Hallen die Geldpolitik unabhängig von den Wirren der Zeit getroffen werde. Seit allerdings die EZB nicht mehr in den Händen von Ordoliberalen im Sinne der Bundesbank ist, hat sich dieses Narrativ gedreht. Inzwischen machen dieselbe Leute, die früher andächtig die Unabhängigkeit der Zentralbank gepredigt haben, die Institution als ihren schlimmsten Feind aus. Der Grund dafür ist leicht auszumachen; die expansive Niedrigzinspolitik der EZB ist nicht eben etwas, was für Anleger aller Arten sonderlich attraktiv ist. Nur zeigt dieser Umschwung eben auch, dass die viel beschworene Unabhängigkeit diesen Leuten nur solange ein Wert war, wie sie ihren Interessen diente. Und es zeigt ebenso, dass die Zentralbanken vorher eben diesen Interessen dienten, ein Kritikpunkt, der von linker Seite ja mittlerweile seit Jahrzehnten fruchtlos an ihre Adresse geschleudert wird. Ich habe nicht viel mehr zu bieten als die Erkenntnis dieser politischen Situation, aber als Institution, die so weitreichende Entscheidungen wirtschaftspolitischer Art trifft, ist die EZB selbstverständlich keine Ruhezone im Sturm der Politik; sie ist im Kern politisch und als solche auch politischen Prozessen unterworfen.

4) Tweet

Is white American evangelical Christianity in such a state of decadence that there's not at least a few in that community who see how obscene this is, how genuinely blasphemous? https://t.co/B1uexUvrCf

- Jeet Heer (@HeerJeet) November 25, 2019

Tatsächlich muss man Perry hier ein wenig in Schutz nehmen. Das Zitat, das vor einigen Tagen auf Twitter der Aufreger der Stunde war, ist verkürzt wiedergegeben. Perry bezeichnete auch Obama als von Gott auserwählt; hierunter verbirgt sich weniger eine evangelikale Begeisterung als vielmehr deren grundsätzliche Weltsicht: Wir Menschen sind auf der Welt, weil Gott uns hierhin gesetzt hat, und jeder erfüllt eine Rolle in Gottes Plan. Auch Obama. Auch Karl Marx. Diese Weltsicht erlaubt es den Evangelikalen natürlich auch, sich einfach herauszureden. Wenn Trump Präsident ist, obwohl er ein mehrfacher Ehebrecher und Vergewaltiger, neurotischer Lügner und generell furchtbarer Mensch ist, dann ist das Gottes Willen, get in line. Warum man gegen Gottes Willen in diesem Fall nicht mit dem gleichen Furor opponieren können sollte, den man Obama entgegenbrachte, ist daraus nicht gesagt - aber für eine Vulgärversion christlichen Extremismus reicht es leider.

5) Hass und Hetze kommen überwiegend von rechts

In der Debatte über Hasskommentare sprechen Kritiker seit Langem von einer einseitigen Betrachtung des Themas. Unter anderem „Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt betonte jüngst, die Hetze von linker Seite werde dabei oft übersehen. Einige unserer Nutzerinnen und Nutzer im Internet haben sich ähnlich geäußert. Wir sind dem Vorwurf einmal nachgegangen. [...] Wie ist nun die Verteilung von Hasskommentaren, Hetze und Drohungen zwischen Rechts und Links? Die bislang vorliegenden Zahlen beim Bundeskriminalamt besagen Folgendes: Ein Großteil der Hasskommentare (77 Prozent) „lässt sich dem rechtsextremen Spektrum zuordnen, knapp 9 Prozent der Kommentare sind linksextrem, die verbleibenden 14 Prozent sind ausländischen oder religiösen Ideologien beziehungsweise keiner konkreten politischen Motivation zuzuordnen." Eine Bestätigung dieser Tendenz kommt aus der Praxis. Staatsanwalt Christoph Hebbecker von der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen bei der Staatsanwaltschaft Köln sagte im DLF: „Wir können ganz klar sagen, dass die ganz weit überwiegende Anzahl der Fälle, die wir täglich bearbeiten, dem rechten und rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist, ein kleiner Teil auch dem linken Spektrum, und ein kleiner Teil ist auch keiner politischen Orientierung zuzuordnen. Das sind beispielsweise extreme Gewaltdarstellungen." Hebbecker spricht von „80 vielleicht auch 85 Prozent plus x". Die bundesweit repräsentative Studie "#Hass im Netz: Der schleichende Angriff auf unsere Demokratie" kam im Juni zu dem Ergebnis: „14 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund wurden bereits mit Hatespeech angegriffen, dagegen nur 6 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund." Auch dieses Ergebnis untermauert die Aussage, dass Hass und Hetze überwiegend von Rechts kommen. [...] Der Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an der Universität Bielefeld, Andreas Zick, sagte schon 2017 der Tagesschau: „Wenn wir uns Internetseiten anschauen - dazu gibt es Untersuchungen - dann finden wir kaum Hatespeech auf linken Websites. Es gibt im linksextremen Bereich Kritik und auch zum Teil Agitation. Es gibt Propaganda gegen das System, gegen Eliten und auch teilweise Hetze gegen Personen. Aber eine bestimmte Kultur der Abwertung und Herabwürdigung finden wir vor allem im rechten Spektrum." (DLF)

Die Zahlen des BKA sind eindeutig. Die Schlagseite rechter politischer Gewalt ist so eindeutig, dass die ständigen Versuche diverser Politiker und Kommentatoren aus dem liberalen und konservativen Spektrum, linke politische Gewalt (die unzweifelhaft existiert) auf dasselbe oder sogar ein schlimmeres Niveau zu heben, nur noch als Absicht gelesen werden können. Das Problem unserer Tage ist Rechtsextremismus, ist rechte politische Gewalt, ist rechte Hetze. Wenn sich das wieder ändert und dasselbe Phänomen von links an Stärke gewinnt, erwarte ich von unseren Kommentatoren hier, dass sie mich ehrlich halten und es mich mit derselben Verve angreifen lassen, mit der ich jetzt gegen die Rechten wettere. Aber dieser Tag ist schlicht nicht, und es ist höchste Zeit, das endlich anzuerkennen.

6) Can American nationalism be saved?

Sean Illing

I have to say, it's strange that you were so staunchly anti-Trump a few years ago, even publishing an entire collection of essays trashing his worldview, and now you write in this book that Republicans should "thoughtfully integrate his nationalism into the party's orthodoxy." What changed?

A couple of things. We ran our "Against Trump" issue in December 2015 prior to the Iowa caucuses. We desperately wanted to defeat him. We thought there were 16 better alternatives. But fast-forward to today, he's now the president, and we've seen how he's governed and I've been surprised in two ways. I've been surprised how on some really important matters of substance to conservatives of long-standing, he's been a rock, like on pro-life stuff, on conscience rights, on judges. That was one of the deep concerns we had about him but he's basically delivered. My other surprise is I thought he would attempt to tone it down in terms of his personal conduct once he took office, but he absolutely hasn't. The office has made no impression on him whatsoever. The huge downside is that he doesn't respect the separation of powers in our government, he doesn't think constitutionally, and says and does things no president should do or say. And I and my colleagues call him out on that. But at the end of the day, we're asked to either favor Trump or root for Elizabeth Warren or Bernie Sanders or Joe Biden or Mayor Pete, who oppose us on basically everything. So it's a pretty simple calculation. (Sean Illing, vox.com)

Dieses Interview mit dem Chef des rechtsradikalen "National Review", die 2015 noch die Begründer der Never-Trump-Bewegung waren, spricht Bände. Nicht, dass was Lowry hier sagt in irgendeiner Weise sonderlich unlogisch oder abartig wäre. Selbstverständlich werfen die conservatives alle Bedenken über Bord, denn sie bekommen von Trump, was sie immer wollten: Steuergeschenke für die Superreichen, rechtsradikale Richter auf allen Ebenen und eine Totalblockade des politischen Systems. Es ist erfrischend, wie offen Lowry ausspricht, dass es nichts gibt, das ihn und seinesgleichen gegen Trump in Stellung bringen könnte. Es sollte auch nicht überraschen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Progressive auch viel Bullshit von einer Präsidentin Tulsi Gabbard erdulden würden, wenn diese die Kernforderungen der Partei erfüllt. Zugegebenermaßen nicht so viel wie die Republicans, dafür sind die Democrats zu sehr die Guten. Aber wer sich jemals einen breiten Widerstand in der GOP gegen Trump erhoffte, war und ist hoffnungslos naiv, und Lowry sagt das auch ganz offen.

7) Heads, Trump Wins. Tails, We All Lose.

It's surprising, really, in a 230-year-old republic, how many questions about the presidency have gone unanswered by the courts, because nobody ever needed to pose them. What are the exact limits of executive privilege? How, in the modern age, can Congress punish White House aides who defy lawful subpoenas? Can an individual state prosecute a president for state crimes? The courts have not answered these questions, either because these questions have not arisen or because resolutions have been quietly negotiated when they have. But Trump is a more aggressive litigant than his predecessors. He makes bigger claims, probably because he has more to cover up. He will force the courts to pronounce answers. Those answers will probably rebuff him, both because his claims sound outrageous and because they so obviously attempt to conceal wrongdoing. Just as hard cases make bad law, so bad cases lead to hard law. Trump has refused to release any impeachment-related documents to Congress. He has asserted a right to prevent all his aides and even former aides from testifying. He has forced Congress to litigate everything. Should he continue to lose, as he has consistently lost up until now, his attempts to protect himself from oversight will hobble the presidency long after he leaves it. The case that worries me most is Trump's attempt to defeat the Manhattan district attorney's subpoena of his accounting records. Incredibly, even after all these centuries, the power of a state over a president remains blurry. On the one hand, we certainly don't want state and local prosecutors harassing presidents for political reasons. On the other hand, what if Trump did shoot a man on Fifth Avenue-a state crime, not a federal one? Legal precedents do not guide us. [...] But state liability raises all kinds of additional questions about federal supremacy and local jurisdiction. It's a mess. To date, presidents have resolved the question "Can a president be investigated and potentially indicted for state crimes?" by the excellent expedient of not committing state crimes. Trump has apparently found that too high a bar. (David Frum, The Atlantic)

Ich habe diese Punkte in meinem eigenen Artikel zum Impeachment ebenfalls bereits angerissen. Frums Schwerpunkt hier liegt mehr auf dem konstitutionellen Schaden des gesamten Prozesses, und er trifft den Nagel auf den Kopf. Trump ist eine Belastungsprobe für das System, wie es sie noch nie hatte. Er entdeckt Schwachpunkte, die wegen der Einhaltung bestehender Normen vorher nie zur Debatte standen. Dieselbe Gefahr droht uns hierzulande auch. Die gesamte Demokratie fußt darauf, dass bestimmte Normen, die nirgendwo festgeschrieben sind, eingehalten werden. Tabus, sprichwörtliche political correctness. Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden - bis es jemand tut, und dann hat der Kaiser plötzlich keine Kleider an. Diese Grenzüberschreitung setzt einen Teufelskreis in Gang. Entweder wird die Überschreitung heimgezahlt - dann ist die Norm für immer zerstört - oder sie wird hingenommen, und dann gilt die Norm nur noch für eine Seite. Ich habe hier schon oft geschrieben, dass ich den Tag fürchte, an dem die Democrats es den Republicans heimzahlen werden. Aktuell nehmen sie es praktisch mit Engelsgeduld hin, dass ihnen Posten gestohlen und Wahlen unterdrückt werden. Aber das kann nicht ewig so weitergehen. Die AfD zerstört hierzulande bereits am laufenden Band Tabus, die aus gutem Grunde errichtet worden waren. Ich fürchte es dauert nicht mehr lange, bis wir in der FAZ das Pro und Contra der Holocaustleugnung diskutieren werden.

8) A Middle-Class Agenda for Democrats

As progressives, we have a natural tendency to focus our policies on the poorest and weakest among us. This is, needless to say, admirable, but it's also politically dangerous if it's taken too far and leads the middle classes to believe they've been abandoned. [...] Is it any wonder they feel left behind even if they make more in absolute terms than the poor? The best example of this is the bitter observation from many of them that they wish they were poorer so they'd qualify for Medicaid instead of having to pay for an Obamacare policy with big deductibles and out-of-pocket maxes in the thousands of dollars. [...] You get the idea. These are things with limited costs that can be sold to the middle class as real, concrete benefits. At least, they can be if you know how to talk to ordinary people. And since, like it or not, middle-class workers tend to worry about spending and deficits, it's appealing that these things can be financed in fairly ordinary ways, not via stupendous new taxes that barely sound plausible even to low-information voters. And for those of you who are super sophisticated and want to point out that it hardly matters what anyone proposes since none of it will pass through a Republican-controlled Senate anyway-well, you're wrong. It does matter. Ordinary voters don't think about filibusters and Senate majorities and other niceties of the American constitutional order. They just want to know whose side you're on. A presidential campaign is a chance to tell them. (Kevin Drum, Mother Jones)

Ich denke dass Drum völlig Recht hat, was politische Kommunikation angeht. Diese Ideen sind, anders als die großen Würfe, tatsächlich sehr populär, und zu versuchen, der Wählerschaft innerhalb eines Wahlkampfs MMT als Problemlösung zu verkaufen, ist mindestens mal ambitioniert. Auf der anderen Seite ist aber diese Art kleinteiliger Politik auch wieder schwer zu verkaufen, weil ihr die Vision fehlt. Man begeistert halt nicht wirklich mit kleinteiligen Reformen.

9) " In the 2010s, White America Was Finally Shown Itself" - Ta-Nehisi Coates on "Obama's decade," reparations, and Kaepernick.

I would probably say it the other way and say racism is a useful frame to understand partisanship since the 1960s. The Republican Party is effectively a white party in this country. It's the party of a white majority that greatly fears becoming a white minority. You have to separate the fact of Obama being a black man from the fact that that black man represented a multiracial party. That's very, very important. [...] George Wallace - you know his story. WallaceWallace lost in his first run for governor of Alabama in 1958 to John Malcolm Patterson, but he would go on to become one of the most prominent segregationist politicians, campaigning for president four times in the Democratic primaries. was liked by the NAACP and was liked by black people, and his earliest campaign for governor did not want to make segregation and racism central to his campaign. Then he lost to a guy who went out and did that. He said, "I will never be out-n--ed again." He said, "I tried to talk about good roads and good schools and all these things that have been part of my career, and nobody listened. And then I began talking about 'n--s,' and they stomped the floor." It's a guy that probably knew better. Some of these folks, if they are not racist themselves - and I'm willing to grant that - they don't find racism so odious and so offensive that they either (a) would not stoop to using it themselves or (b) don't mind the occupant of the White House using it or being a racist himself. [...] I really do, because I think there are two ways of analyzing Obama. There's a politics of him, and there's Obama as a mythical figure, the symbolic aspect of what he is. [...] People forget that Obama is immensely popular with black people, like probably the most popular person maybe after his wife. Why is that? Is that because of policy? No, he is confirming something in them. There's something in black folks that they feel good about when they see him. [...] You got this guy, the embodiment of all of these middle-class values that America preaches and also the black community actually believe in themselves, and here it's embodied and modeled before the world for eight years. Before Obama, most famous black people were all entertainers. And now you got an actual head of state who conducts himself in a way that you would want your son to conduct himself. (Zak Cheney-Rice, New York Magazine)

Wie alles, das von Ta-Nehisi Coates kommt, ist auch dieses Interview mehr als empfehlenswert. Ich habe aus vielen interessanten Gedanken den obigen herausgegriffen, weil hier noch einmal deutlich wird, welche Bedeutung die Person Barack Obamas gerade für die Schwarzen hat. Der Mann war eine absolute Ausnahmeerscheinung.

"Exxon knew." Thanks to the work of activists and journalists, those two words have rocked the politics of climate change in recent years, as investigations revealed the extent to which giants like Exxon Mobil and Shell were aware of the danger of rising greenhouse gas emissions even as they undermined the work of scientists. But the coal industry knew, too-as early as 1966, a newly unearthed journal shows. [...] As Cherry did some of his own digging, he soon realized his discovery could be the first evidence that the coal industry was aware of the impending climate crisis more than half a century ago-a finding that could open mining companies to the type of litigation that the oil industry is now facing. [...] As recently as 2015, Peabody Energy argued that carbon dioxide was a "benign gas essential for all life." [...] The group sits at the heart of a broader right-wing misinformation network funded in large part by hedge fund billionaire Robert Mercer and his daughter, Rebekah, both Republican mega-donors who backed President Donald Trump and financed projects such as Breitbart News and Cambridge Analytica, the data firm considered key to Trump's 2016 win. Palmer's daughter, Downey Magallanes, was a top policy adviser at Trump's Interior Department before joining oil giant BP in September 2018. [...] Evidence of what fossil fuel companies knew about climate change and when is critical to the legal strategy of those seeking damages for carbon dioxide emissions. If fossil fuel companies were aware of their products' harmful effects on the planet, they could be held liable for damages. (Èlan Young, Mother Jones)

Auch wenn die eigentlichen Verantwortlichen nie zur Rechenschaft gezogen werden können, so ist es doch gut zu sehen, dass wenigstens die juristischen Personen der entsprechenden Unternehmen sich nicht so leicht entziehen können. Es ist dieselbe Geschichte wie mit Tabak. Die Unternehmen wissen genau, dass sie ein schädliches Produkt herstellen, und sie geben Milliarden aus, um dieses Fakt zu verschleiern und das Leben von hunderttausenden von Menschen zu verkürzen. Es wäre die Hoffnung, dass der allgemeine Umschwung der öffentlichen Meinung zu diesem Thema auch die Verbrechen der fossilen Energieträgerbranche erfasst. Beispiele wie diese sind es, die wahrlich die Schattenseiten des Kapitalismus aufzeigen. Nirgendwo sonst ist es so deutlich, dass der Einfluss von superreichen Unternehmen auf die Politik ein Übel ist und so weit wie möglich eingeschränkt gehört - und welche Rolle der Staat darin hat, den Marktprozessen Beschränkungen aufzuerlegen. Denn selbst bekommen die ihre niederen Instinkte offensichtlich nicht in den Griff.

Braunkohle ist der dreckigste aller fossilen Energieträger, Spitzenreiter unter den CO2-Verursachern und außerdem noch ein schier unerschöpflicher Quell anderer giftiger Substanzen: Quecksilber, Schwefeldioxid, Stickoxide. Ins Grundwasser entlässt der Tagebau Sulfat und Chlorid, ins Oberflächenwasser Eisen, was die Flüsse "verockert" und, so das Umweltbundesamt, "aquatische Lebensgemeinschaften" stört. Braunkohle ist für die Unternehmen, die daran verdienen, ein wunderbar stabiler und kalkulierbarer Umsatzbringer. Das liegt daran, dass RWE und LEAG, die gemeinsam einen Marktanteil von 87 Prozent haben, die Kohle nicht am Markt einkaufen müssen, sondern sie direkt vom Tagebau in ihre Kraftwerke schicken. Wie billig die selbst geförderte Braunkohle wirklich ist, werde von den Energieversorgungsunternehmen erfahrungsgemäß nicht preisgegeben, so das Umweltbundesamt. Außerdem wird die billige Braunkohle, von der gern behauptet wird, sie sei ein "subventionsfreier" Brennstoff, vom Gesetzgeber in Wahrheit verhätschelt. Braunkohle ist von der sogenannten "Förderabgabe für Bodenschätze" freigestellt, und die Förderunternehmen sind auch weitgehend von den sogenannten "Wasserentnahmeentgelten" befreit. Sie saugen im Schnitt für etwa 17-20 Millionen Euro Wasser aus dem Kreislauf, gratis. [...] Das Verrückte ist: Trotz alledem wäre die Braunkohle schon längst nicht mehr profitabel, wenn die Betreiber dieser Klima- und Landschaftszerstörungsfabriken auch nur annähernd für die Umweltschäden zur Rechenschaft gezogen würden, die sie verursachen. Zur Erinnerung: Laut Umweltbundesamt erzeugt eine Tonne CO2 Klima-Folgeschäden in Höhe von 180 Euro. [...] Mit anderen Worten: Die von der Bundesregierung geplante CO2-Steuer in Höhe von zehn Euro pro Tonne, die von ausnahmslos allen, die sich damit auskennen, als viel zu niedrig eingestuft wird, hat nicht zuletzt einen Zweck: Sie hält die deutschen Braunkohlekraftwerke, die größten Dreck- und CO2-Schleudern des Landes, am Leben. Die Tagebaue fressen unterdessen laut Umweltbundesamt im Schnitt zwei Hektar Landschaft pro Tag. (Christian Stöcker, SpiegelOnline)
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