Obama oder Romney

 

Obama oder Romney: hier zeigt sich die Alternativlosigkeit des Systems. Die Progressiven, in parteilicher Gestalt als Demokraten, sind nicht weniger als Konservative mit Bauchweh, die mit einigen Plattitüden Reformen verabschieden oder verweigern, die die Republikaner cowboyesk und wortkarg anpacken oder eben unterlassen. An Obama ermisst sich der Niedergang eines progressiven Weltblickes, eine Haltung, die nicht formen möchte, ausgestalten und so gerecht als möglich sein - progressiv bedeutet in diesem Kontext eher, die ökonomische, soziale und politische Umgestaltung der Welt zugunsten der 0,1 und 0,01 Prozent (nach Krysmanski) so angenehm und vorzüglich als möglich an die 99 Prozent zu vermitteln, als Sachzwang und Notwendigkeit, manchmal auch als soziale und ökonomische Chance. Aus Unwissenheit Stärke ziehen, frei nach Orwell. Der progressivere Part des Zwei-Parteien-Konservatismus in den Vereinigten Staaten ist der gute Polizist des Reichtums, die Republikaner sind der bad cop - und von links kann in der etablierten Zwei-Parteien-Front der USA ohnehin keine Rede mehr sein.

Obama ist mitnichten der Held, den die Zeit neulich beschwor - die titelte gar Trotz allem: ein Held! Zu viel ist falsch-, zu viel ist schiefgelaufen; zu wenig Mut hat er aufgebracht, zu viel Nähe zum big business! Es reicht nicht, Yes, we can! zu rezitieren, es reicht nicht, als Vertreter einer noch immer unterdrückten, gezielt exkludierten Minderheit in eine hohe politische Position zu rücken - es ist so viel mehr Courage notwendig, als nur rassistische Konventionen zu brechen. Wahrscheinlich eine Gratwanderung zwischen Leben und Tod, zwischen Bodyguards und Attentat - es ist eine tödliche Aufgabe, das politische Primat wieder so zu stärken, dass die Finanzwirtschaft und deren Strippenzieher keinerlei Machtbefugnisse mehr haben.
Der real existierende Obama war den Reaktionären und Teeschlürfern ja schon zu revolutionär, war ihnen eine Gestalt zwischen Lenin und Hitler, zwischen Sozialist und Faschist. Was hätten sie mit einem idealistischen Obama gemacht? Lebte er noch? Wer glaubt denn ernsthaft, tiefgreifende Umstrukturierungen, gewagte Reformen zur Demokratisierung und zum Primatentzug der Wirtschaft, zur Inkettenlegung des Terrors der Ökonomie und zur finanziellen und politischen Beschneidung des einen Prozent generell und der 0,1 und 0,01 Prozent speziell, würden gewaltlos vollzogen werden können? Wer glaubt denn, ein solcher Idealist könnte quasi spielend beseitigen, was diejenigen, die jeden spielend beseitigen könnten, ihren ideologischen, politischen, ökonomischen und sozialen Überbau, ihre Legitimation nennen?
Ist Obama hiermit entschuldigt? Nein, denn seine Ideale waren ja nie gegen das Kapital gerichtet; er war immer als Laufbursche höherer Interessen eingeplant.
An der ausstehenden Präsidentschaftswahl manifestiert sich die Tragik unserer Zeit. Da ist einer, der auf ganzer Linie versagt hat - versagt aus Sicht der Schichten, die ein reges Interesse daran haben müssten, dass es staatliche Regulierungen und Eingriffe gibt; da ist also dieser Versager, der aber immer noch die bessere Option zu dem Gegenüber ist, der vermutlich, gemessen an seinen Versprechen und Drohungen (besser gesagt: seine Versprechen sind Drohungen und für die Masse Bedrohungen), nicht versagen wird. Eine Option, die eingebrochen ist durch den Widerstand der Banken und Versicherungen, der Republikaner und der Tea Party. Einer, dessen großer Plan einer Krankenversicherung für alle damit endete, das Vorhaben durch Diabolisierung und Kritik, durch Kriminalisierung und Vorwürfe des Antiamerikanismus so zu schleifen, dass aus der angedachten staatlichen Krankenversicherung eine Pflicht jedes Bürgers zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung wurde. Ganz par ordre du néolibéralisme, nur keinen öffentlichen Sektor schaffen.
Die Buß- und Erweckungsprediger des Neoliberalismus erklären zwar bei all ihren Maßnahmen, dass es keine Alternative gäbe - sie legen aber Wert darauf, allgemeine Wahlen als Akt zu zeichnen, bei dem man zwischen verschiedenen Alternativen aussuchen kann. Diese positive Konnotierung von Wahl mit Alternative ist die (Über-)Lebensversicherung, ist der legitimierende Überbau dieser profanen Weltreligion.
Ob nun weiterhin Obama oder doch Romney: die Show um diese Politik, die nichts weiter als eine Show ist, als ein schunkelnder Entertainer, der von den ökonomischen Benachteiligungen ablenken soll, ist eine komprimierte Parabel auf die politische Wirklichkeit des Westens. Die Alternative ist es, mit jemanden den Deregulierungs- und Privatisierungskurs weiterzufahren, der lächelt und relativ locker wirkt, dabei aber betont, es gehe ihm mit dieser auf Sachzwängen begründeten Entscheidung nicht besonders gut - oder mit einem, der böse starrt, der steif und wie ein Sheriff wirkt und dabei betont, die Politik für die reichen Schichten lasse ihn geradezu aufblühen. Der Cholera/Pest ist manchmal halt doch der Vorzug vor der Pest/Cholera zu geben.
Dass man trotz allem hoffen muss, dass Obama weiterhin Präsident bleibt, verdeutlicht nur, wie betrüblich und niederschmetternd die "Vielfalt" in der politischen Wirklichkeit gestaltet ist.


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