Oaxaca - Cuernavaca: Total absolut oberversmogt

Von Monikaloder
Eigentlich sollte der Titel dieses Berichts "Kakteen, Vulkane und Verkehr" heissen, der Smog der letzten Tage hat aber alles andere in den Schatten gestellt. Krass, beeindruckend und vor allem beängstigend.
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Es war überraschend einfach, den Weg aus Oaxaca rauszufinden, wirklich angenehm zu fahren war es jedoch erst als wir die Cuota erreicht hatten und der starke Verkehr sich lichtete. Es war erst mal wieder relativ flach und als wir nach etwa 20 km zurück blickten und die Smogschicht über der Stadt sahen, wunderten wir uns nicht mehr über Halskratzen, Niesen und anderen Unannehmichkeiten der Grosstadt.

Da hinten im Smog liegt Oaxaca.


Langsam wurde es hügelig, der höchste Punkt jenes ersten Tages nach Oaxaca war fast 2'400 müM. Wir genossen den Sonnenschein und die zum Velofahren perfekten, relativ kühlen Temperaturen. Überhaupt, der ganze Tag war genial gewesen, inklusive Nachmittag/Abend. Wir fanden nämlich nach 78 km und 6:30 Stunden eine Tankstelle, wo es auch ein Restaurant mit hübschem Wiesli daneben gab. Die Señora, die wir um Erlaubnis zum campen fragten, war unkompliziert und so stand auf der Wiese schon bald unser "Haus". In einer Ecke neben dem Restaurant-Gebäude kochten wir unser Abendessen und in der Nacht wurde es zwar kühl aber unsere Schlafsack-Kombination aus Seide, Faserpelz und leichtem Schlafsack bewährte sich bestens und wir verbrachten eine gemütliche Nacht, immerhin auf immer noch knapp über 2'000 müM.
Der folgende Tag begann zwar noch mit etwas Sonne, die im Laufe des Tages jedoch kaum mehr zu sehen war. Die Hügel führten uns wieder höher hinauf, was nun Nebel und Kälte bedeutet. Interessant war jedoch die Landschaft, auf einmal ganz anders gefärbt war. Bisher war die Erde meist orange-rot gewesen, nun war da plötzlich alles grün, später weisslich und zwischendurch mal eine Art rosarot. Trotzt dem Farbspiel fanden wir den später einsetzenden Regen extrem überflüssig. Bergauf ging das ja noch, bergab wurde es dann unangenehmer. Die Regenjacken hatten wir zwar angezogen, für Regenhosen war es jedoch trotzt allem eher zu warm. Um die Mittagszeit kamen wir an einer Caseta de Cobro vorbei, wo sich wie meistens auch einige Comedores befanden. Huevos a la Mexicana, Rühreier mit Tomate, grüner Chili und Zwiebeln, hatten sich bewährt und die Señora machte die Tortillas gleich selber mit einer coolen Presse. Dazu gab es ein paar Bohnen und sogar eine halbe Avocado. Und einen gratis Kamillentee. Nach all dem Futter waren wir natürlich eher unmotiviert, wieder inden Regen rauszugehen, leider blieb nichts anderes übrig. Unsere Absicht, wieder zu campen hatten wir aber schon eine ganze Weile aufgegeben. Gut zu wissen, dass es nach knapp 55 km (und guten 4 Stunden) irgendwo ein Hotel geben musste. Dem war denn auch so und wir erhielten ein nicht überteuertes Zimmer für P. 150. Mit nur einem Bett zwar, das aber easy breit genug war. Die Dusche war heiss, das war eh das wichtigste.
Der Morgen darauf begann dick vernebelt und eiskalt. Die nette Señora des Hotels bot uns einen heissen Tee an und meinte, sie sei besorgt, wenn wir bei diesem Wetter auf die Strasse gingen. In der Tat wäre das ohne Seitenstreifen keine Option gewesen. Als wir uns nach 8 Uhr auf die Socken machten, verzog sich der Nebel aber  schon langsam, und bei der ersten Znünipause, die schon recht bald kam, war es schon fast sonnig. Die aus weissen Steinplatten bestehende Landschaft änderte sich schnell wieder und bevor die ersehnte Abfahrt des Tages kam, hatten wir noch grandiose Aussicht in ein weites Tal, in dem problemlos ein Western gedreht werden könnte. In der Ferne sahen wir auch den ersten Schneegipfel seit Ecuador und vermuteten, dass das der berühmte Vulkan Popocatépetl sein müsste.

Westernmässige Landschaft.


Und schon flitzten wir den Berg runten, nun bei strahlendstem Sonnenschein. Die Mengen Kakteen, die dort an den Berghängen wuchsen, faszinierten uns und so stoppten wir alle paar Kilometer und knipsten so viele Fotos wie schon lange nicht mehr. Auf einer Brücke, die über eine weite Schlucht mit einem läpischen Rinnsal spannte, war die coole Bajada jäh beendet. Nun würde es wieder bergauf gehen, voraussichtlich nicht sehr steil, bei Sonne sollte das aber wieder sehr warm werden.

Quadratkilometerweise Kakteen.

Zuunterst ist der Fluss, jetzt geht es wieder bergauf.

Die sehen schon recht majestätisch aus.


Die Vegetation änderte sich auch schon bald wieder, immer mehr Büsche mischten sich zwischen die verschiedenen Kakteenarten. Am liebsten hätten wir an jenem Nachmittag ein Wildcamp aufgebaut, umgeben von ebendiesen Büschen und ein paar riesigen Kakteen. Da die blöde Strasse jedoch beidseits eingezäunt war, erwies es sich als unmöglich, von der Strasse wegzukommen. Der Boden bestand auch hier noch aus jenen Gesteinsplatten und vermutlich wäre es da auch gar nicht möglich gewesen, Heringe reinzuhauen. So bogen wir bei der nächsten Ausfahrt nach guten 77 km und etwas über 5 Stunden eben von der Strasse ab und das erste, was wir da sahen, war ein Motel. Ok, man kann ja mal nachfragen. Ein Zimmer hätte jedoch P. 250 gekostet und wir hatten keine Lust, so viel Geld auszugeben. Als wir erwähnten, dass wir eigentlich einen Zeltplatz suchten, bot uns der Herr den Hinterhof des Motels an. Da stand ein grosser Baum und unser Zelt hätte da prima hingepasst. Wir fragten nach dem Preis und waren etwas geschockt ab den genannten P. 200. Zum zelten! Diesen Schock sah man uns offensichtlich an und als wir Anstalten zum wegfahren machten, wurde der Preis auf P. 100 gesenkt. Ok, wir hatten auch Zugang zu einem Klo und einer heissen Dusche angeboten bekommen und so erschien uns das als gerade noch bezahlbar. Wir befanden uns da vermutlich etwa auf 1'400 bis 1'500 müM und  so war die Kälte auch in dieser Nacht kein Problem.
Dafür wurde es am nächsten Morgen wieder etwas schwierig, aus den Schlafsäcken zu kriechen. Die ersten 10-15 km wurden dann überraschend flach, gemäss Profil hätten wir mehr Steigung erwartet. Wir waren aber auch gar nicht sicher, wo genau auf diesem Profil wir uns befanden, und solange es flacher als erwaret ist, ist man sowieso glücklich. Die erste Caseta de Cobro brachte wieder Futterstände und diesmal einen heissen Kaffee mit sich. Dort setzten wir uns in die Sonne und wärmten uns erst einmal auf. Da wurden Erinnerungen an Peru wach, wo wir das auch dann und wann so gemacht hatten, ausser dass es dort nie heisse Getränke dazu gegeben hatte (und es noch ganz massiv kälter gewesen war, mit gefrohrenen Bächen z.B.). Nun hatten wir auch den weissen Vulkan wieder vor Augen und ein genaueres Kartenstudium machte klar, dass das unmöglich der Popocatépetl sein konnte. Viel wahrscheinlicher war, dass das der Pico de Orizaba, Mexikos höchster Berg, war.

Pico de Orizaba oder Citlaltépetl (5'636 m).


Die Steigung auf den Pass vor Puebla kam vielleicht etwas später als erwartet, aber sich kam trotzdem. Nicht übermässig steil, es blieb genug Energie übrig, die immer karger werdende Landschaft zu studieren. Schon interessant, in Peru und Ecuador war auf einer Höhe von etwa 2'500 m wilde Vegetation gewuchert und es war immer angenehm warm bis heiss gewesen. Hier oben wuchs auf den Hügeln, die die Strasse überragten, praktisch nichts mehr. Immerhin war es dort oben im Sonnenschein sehr gemütlich. Und da wir unseren lieben Vulkan wieder vor der Nase hatten, organisierte Martina ein professionelles Fotoshooting.

Pause auf 2'400 müM.


Nun ging es abwärts. Auch nicht steil, aber aber doch zügig. Wir hoffen, doch noch einmal wild campen zu können, zweifelten aber daran, da wir uns nun je länger je mehr im Dunstkreis von Puebla, einer recht grossen Stadt, befanden. Kurz nachdem wir von der Mex 135 D auf die Mex 150 D eingebogen waren, kamen wir an einer Tankstelle vorbei, da es aber noch früher Nachmittag war, fuhren wir weiter. Auch die zweite Tankstelle war uns zu früh. Das Velofahren war auf der neuen, vierspurigen Autobahn aber längst nicht mehr so spassig wie zuvor. Der Verkehr hatte stark zugenommen und der Seitenstreifen war so zugemüllt mit losen Kies, Glassplittern und Teilchen explodierter Autoreifen (bekanntlich mit fiesen Drähtlis), dass wir voll konzentriert auf den Boden starren mussten. Als der Seitenwind etwa um 16 Uhr plötzlich in frontalen Gegenwind umschlug hatten wir (nach fast 74 km und 5:30 Stunden) die Nase voll und verliessen die Cuota um eine weitere Tankstelle abzuchecken. Da gab es aber keine Grünanlage und so kurvten wir durch die danebenliegende Siedlung und suchten Kirche, Schule oder Gemeindsgebäude. Leider wohnten aber weder Pfarrer noch Lehrer in der Nähe und der Señor, der die Schlüssel zum Gebäude am Parque besass, war gerade nicht da.
Nach weiterer Suche fanden wir ein hübsches Wiesli neben einem Haus und auf Anfrage erhielten wir die Erlaubnis zum campen. Glücklich stellten wir das Zelt auf, bereiteten unsere Betten vor, kochten und assen zu Abend. Zwischenzeitlich kam eine Familie vorbei und lud uns zu sich ins Haus ein, es sei da wärmer und gemütlicher. Da wir aber schon fertig installiert waren, hatten wir keine Lust, alles wieder abzubauen und gaben uns Mühe, unsere Dankbarkeit für das Angebot zu zeigen und ganz freundich abzulehnen. Gerade als wir aber am Geschirr waschen waren, fuhr eine Polizeicamioneta vorbei, die kurz darauf zurückkam. Die Polizisten, bzw. eine Polizistin informierte uns, dass es da nicht sicher sei und wir da besser nicht campen sollten. Ja, was nun? Einer der Polizisten nahm mich mit auf die Suche nach dem Herrn, der die Schlüssel zu jenem Gebäude hatte, der war aber immer noch nicht da. Der Polizist brachte mich zu einem anderen Haus, welches, wie ich gleich erfuhr, seines war, und stellte mich seiner Frau vor, die mich einlud, bei ihr und ihrer kleinen Tochter im Schlafzimmer zu schlafen (ihr Mann hatte ja Nachtschicht). Das war ein überwältigend nettes Angebot, und die Optionen schienen uns auch ausgegangen zu sein. Ich nahm mal so "provisorisch" an und sagte, ich müsste noch mit Martina reden. Sie hatte sich in der Zwischenzeit mit den anderen Polizisten unterhalten, die ihr eine grosse Halle im Polizeigebäude im Nachbardorf angeboten hatten. Das schien dann auch mir die bessere Lösung um nicht in den intimsten Wohnbereich einer Familie einzudringen. So packten wir zusammen und luden Gepäck und Velos auf die Ladefläche der Camioneta. In der Halle, einer riesige Theaterhalle mit Bühne, war dann auch jede Menge Platz vorhanden und so installierten wir unsere Matten zum zweiten Mal an jenem Tag. 
Dass diese Nacht kälter war als bisher auf 2'000 m Höhe, hatten wir schon länger festgestellt. Die Temperatur in dem luftigen Gebäude war auch kaum höher als draussen und kaum hatten wir uns in die Schlafsäcke verkrochen, bemerkten wir auch den konstanten Luftzug, der über den Boden schlich. Um es kurz zu sagen: wir frohren die ganze Nacht und verfluchten uns, zweimal das Angebot, in einem Haus zu schlafen, abgelehnt zu haben. Wir hatten den Wecker auf 7 Uhr gestellt, brauchten aber eine halbe Stunde, uns mit dem Gedanken vertraut zu machen, das letzte Bischen Wärme zu verlassen und aufzustehen. Bald darauf verabschiedeten wir uns von den hilfsbereiten Policías und fuhren die 4 km zur Autobahn zurück. Dort wärmten wir uns erst mal an einem Becher Kaffee auf bis wir dann um 10 Uhr, bei nun bedeutend freundlicheren Temperaturen, wieder in die Pedalen traten.
Hombre, wurde das langweilig. Es war platt, links und rechts Gras, Büsche, Weideland und ab und zu ein paar Häuser. Der Seitenstreifen die gleiche Katastrophe wie tagszuvor und jede Menge Verkehr. Da wir spät gestartet waren, war schon bald Zeit zum Mittagessen und wir fanden auch ein freundliches Restaurant an der Strasse. Dann ging es weiter mit immer mehr Verkehr je näher wir uns der Millionenstadt näherten. Man hatte bald nicht mehr das Gefühl, sich auf einer Cuota zu befinden, die Strasse wurde so busy wie jede andere auch und Busse hielten regelmässig auf dem Seitenstreifen an und blockierten den Weg. Nach der Abzweigung ins Zentrum wurde der Verkehr aber wie erwartet noch dichter und Strassengabelungen, wo wir links abbiegen mussten, für uns noch komplizierter. Wegen Baustellen war der Weg ins Centro Histórico durch ruhige Wohnquartiere ausgeschildert, was die Sache für uns einfacher machte. Positiv war auch, dass es fast 10 km weniger weit war als erwartet (66 km in etwa 3:45 Stunden). Auch die Hotelsuche wurde diesmal nicht weiter aufwändig, das erste Haus, das ich anschaute, war günstig und da wir ein paar Tage bleiben wollten, erhielten wir einen kleinen Rabatt (P. 140 / Nacht). Dass das Hotel Rio auch ein Stundenhotel war, störte uns nicht und die Señora, die schon einmal in der Schweiz in den Ferien gewesen war, schwärmte uns die ganze Zeit von unserer Heimat vor:-).
An diesem Freitagabend verstiessen wir gegen das Versprechen, das wir unseren Familien gegeben hatten, Nachts nicht gross in der Gegend herumzuspazieren. Aber was will man den machen, wenn es dunkel ist, wenn man aus dem Restaurant rauskommt? Die Avenida 5 de Mayo war angefüllt von quirrligem Leben, Jung und Alt waren unterwegs und es wurde alles mögliche lautstark zuum Verkauf angeboten. Es war entsprechend laut und die Stimmung fröhlich und ausgelassen. Auch die Temperaturen waren nicht allzu fies, man brauchte zwar eine Jacke, konnte sich so aber gemütlich draussen aufhalten. Puebla, die mit vollem Namen "Heróica Puebla de Zaragoza" heisst und auch "Puebla de los Angeles" genannt wird, liegt immerhin auf  gut 2'000 müM.
Am Samstagmorgen war das Zentrum erst noch ruhiger. Im Laufe des Morgens wurde es aber wieder sehr lebendig und der Zócalo, wie die Plaza auf mexikanisch heisst, ist Treffpunkt aller, die Zeit zum flanieren und rumhängen haben. Da sieht man politische Aktionen gegen raffgierige Banker, sportliche Veranstaltungen und Clowns, die für Unterhaltung sorgen. Dazu die allgegenwärtigen Ballonverkäufer, die natürlich vor allem um die Aufmerksamkeit der Kinder buhlen. Dazwischen spazieren ein paar hellhäutige Gringos und Gringas herum, knipsen mit dem Einheimischen um die Wette und verbrennen sich dabei die weisse Haut.

Clown-Akro auf dem Zócalo.


Ebenfalls auf dem Programm stand für uns ein Busreisli in die Nachbarstadt Cholula. Dort steht eine von den Azteken erbaute Pyramide, die aber anscheinend bei der Ankunft der Spanier schon überwachsen war. Wie auch nicht anders zu erwarten war, liess Hernán Cortés zuoberst eine Kirche errichten. Leider ist es nicht mehr möglich, die Pyramide von innen anzuschauen, so stiegen wir halt auf den Hügel hinauf, bestaunten Mexiko Citys beiden Hausberge (auch aus der Nähe hiner einer Smogschicht) und schauten die hübsche Kirche an. Viel Action war in dem kleinen Ausflügli nicht inbegriffen, was es aber zur perfekten Ruhetags-Beschäftigung machte.

Popocatépetl (5'462 m) und Itzaccihuatl (5'285 m).

Santuario de Nuestra Señora de los Remedios.


Wieder einmal eine Ruine. Azteken-Stil diesmal.


Wir blieben noch einen Tag in Puebla, da wir noch versucht hatten, einen Besuch des VW-Werks Mexiko mit seinen 15'000 Angestellten zu organisieren. Das hat dann leider nicht geklappt und so hatten wir noch einen Tag zur freien Verfügung. Wir schlenderten nochmals durch das Zentrum, liessen uns von einem Guía zu einer geführten Besichtigung der Kathedrale überreden und besuchten die Bibliotheca Palafoxiana, die um die 46'000 Bücher umfasst, von denen neun handgeschrieben sind und das älteste aus dem Jahr 1473 stammt. Diese uralten Bücher konnte man aber nicht anschauen und auch alle anderen waren hinter Gittern und man durfte nicht einmal den Saal fotografieren, geschweige denn irgendetwas aus der Nähe. Trotzdem, so alte Bücher waren faszinierend und ich fragte mich, was man denn vor ein paar huntert Jahre so alles aufgeschrieben hatte.
Natürlich war auch wieder Einkaufen für's Abendessen und die nächste Etappe angesagt und so verschlug es uns wieder einmal in den Mercado. Da hingen die üblichen gelblich gefärbten, nackten Hühnerleichen herum und Fleisch in allen Stadien der Frische und Unfrische. Für uns interessanter waren die Gemüse- und Früchteabteilungen und ausserdem die riesigen Mengen an Süssigkeiten. Sah aus, als gäbe es die nicht immer, die waren speziell für den nahenden Día de los Muertos, dem Tag der Toten, fabriziert worden. Zuckersächeli in allen Farben und Formen und wenn man Osterhasen oder Samichläuse aus Schokolade machen kann, warum dann keine Totenköpfe?

Hmmmmm!!!


Der Tag der Toten naht, die ganze Stadt ist voller Skelette.


Am nächsten Morgen ging es auch schon weiter. Wir wären eigentlich um etwa Viertel nach sieben startbereit gewesen, da es aber noch recht dunkel war, genehmigten wir uns einen Kaffee und warteten das Tageslicht ab. Um acht Uhr war es denn soweit und wir stürzten uns in den chaotischen Grossstadtverkehr. Erst durch Seitenstrassen, die immer breiter wurden bis wir es auf die 12-spurige Periférico, die "Umfahrungsstrasse" geschafft hatten. Dort stellten wir wieder einmal fest, dass Signalisierungen nicht für Ciclistas gemacht sind. Da war nämlich schon recht bald unsere Richtung ausgeschildert und wir spurten brav ein, nur um dann kilometerweise mitten auf der Autobahn zu pedalen, bis wir von der Polizei wieder an den rechten Rand geschickt wurden. Später mussten wir das fast lebensgefährliche Einspurmanöver dann natürlich wiederholen.
Als wir schliesslich auf der Cuota waren, wurden die Autos, die uns um den Grind flitzten weniger, dafür wurden wir bei der ersten Caseta de Cobro kurzerhand durch den Parkplatz geschickt und mussten die Velos danach über eine Treppe wieder auf die Strasse hinaufhieven. Aber immerhin, wir wurden nicht weggeschickt und mussten auch nicht bezahlen. Der Seitenstreifen hier war auch recht ok und die ersten 10-12 km ziemlich flach. Die Steigung, die dann kam, wäre eigentlich nicht weiter beeindruckend gewesen, wenn wir von dort nicht wieder eine gute Aussicht auf eine Smogschicht gehabt hätten, die im Unterschied zu jener von Oaxaca nicht dünn und weiss, sondern dick und braun war. Und auch einige negative Auswirkungen dieses hässlichen Leintuchs machten sich bemerkbar, speziell bei Martina. Sie begann in dieser Subida zu husten und hat seither nicht wirklich damit aufgehört. Mir wurde bewusst, dass mein dauerndes Niessen in Oaxaca begonnen hatte und seit Puebla war das schlimmer geworden. Yep, das sind die Folgen von Luftverpestung in Reinkultur.
 

Ist das nicht oberwiderlich!?!


Hinter dem Hügel war die Luft dann ein ganz klein wenig reiner, aber wirklich nur ganz wenig. Immerhin ging es abwärts, wenn auch ab und zu mit kleinen Hügelis. Wir fuhren nun recht nahe am Popo vorbei, aber selbst aus dieser Nähe war der Berg nur durch eine bräunliche "Dunst"schicht zu sehen. Und vermutlich um sich nicht lumpen zu lassen stiess der Vulkan immer mal wieder ein Rauchwülchli aus. Im Laufe des Tages sammelten sich diese Wolken um den Gipfel an und am Nachmittag war der Berg kaum mehr zu sehen, da oben Wolke, unten Smog.

Der versmogte Popo raucht mit.


Als wir wieder in flachere Gefilde vorstiessen, wurde unser Traum vom Wildcamp schon wieder zerschlagen. Links und rechts erstreckten sich Felder, erst Amaranth, später Hirse und da war es kaum möglich, einen versteckten Platz zu finden, wo wir unsere Hütte hätten aufschlagen können. Und so folgten wir dem Schild eines Motels und kriegten ein Zimmer für P. 150, was durchaus in Ordnung war. Wir hatten eine warme Dusche und eine oder mehrere kleinere, gescheckte Kakerlaken im Zimmer.
Gemäss Profil erwarteten uns tags darauf etwa 60 relativ flache Kilometer mit nur einer, vielleicht 5 km langen Steigung kurz vor Cuernavaca. Blöderweise fanden wir einmal mehr die geplante Strasse nicht und anstelle der kurzen Steigung landeten wir auf einer über 20 km langen. Die Landschaft da war zwar cool, so richtig felsig und waldig, aber da wir einen easy Tag erwartet hatten, waren wir eher spät gestartet und hatten eine ausgiebige Kaffeepause gemacht. Um 16 Uhr trafen wir einen einheimischen Ciclista, der uns verriet, dass es bis zur Abzweigung nach Cuernavaca noch weitere etwa 8 km bergauf gehe und dann noch über 20 km bis in die Stadt. Das wäre zwar nicht unmöglich gewesen, wir hatten aber keine Lust, erst abends zwischen 17 und 18 Uhr in einer grösseren Stadt anzukommen und im Feierabendverkehr steckenzubleiben und irgendwie noch eine Unterkunft zu suchen. Da wir uns gerade bei einer Caseta de Cobro befanden, fragten wir um Erlaubnis, auf einer kleinen Wiese zu campen. Ging da nicht, jedoch etwa 200 m weiter oben war's erlaubt. Gerade ruhig war der Ort nicht, links die Strasse, rechts hinter einem Zaun eine Party. Aber was soll's, wir hatten gratis Klos und eine sichere Wasserversorgung. Von der erhöhten Position hatten wir am Abend Sicht auf den Smog weiter unten im Tal und konnten den matten, roten Sonnenuntergang bestaunen.
Die Party nebenan war früh beendet worden und zumindest mich hatte der Verkehr nicht allzusehr vom Schlafen abgehalten. In einer Stunde hatten wir die verbleibenden 8 km Steigung hinter uns gebracht und bis ins Stadtzentrum waren es dann keine 15 km mehr gewesen, und das alles abwärts. Die Suche nach bequemen Betten war ernüchternd. Entweder teuer oder mies schien das Motto der Stadt zu sein. Wir hatten uns schliesslich für eine "Casa de Huespedes" entschieden, die i.d.R. günstiger sind als Hotels, aber eben auch nicht immer hübsch. Für P. 200 haben wir zwei weiche Betten und ein (stinkendes) privates Bad gekriegt, kaputte Moskitonetze und abbröckelnde, verschimmelte Wände, dazu grosse Kakerlaken und eine gute, schön heisse Dusche. Interessanterweise war das WC mit Sitz und sogar Deckel ausgestattet und es gab einen jener (üblicherweie abgebrochenen) Seifenlagerplätze und eine (üblicherweise fehlende) Stange für Handtücher, die jedoch eher an läppische, etwa 50 Jahre alte Waschlappen erinnerten. Nach einer Reparatur durch den Señor des Hauses funktioniert nun auch die Lampe, der Spray gegen Kriech- und Flugtierchen hatte dagegen komplett versagt. Mensch, was hätten wir in Puebla für diesen Preis für ein luxuriöses Zimmer gekriegt!
Der erste Eindruck von Cuernavaca hatte die Stadt also nicht zu einem unserer Lieblingsorten befördert und so hofften wir nun auf eine Rehabilitation mit einem coolen Umzug zum Día de los Muertos. Am Nachmittag besuchten wir den Gardín Borda, wo es eine Ausstellung grosser Figuren geben sollte. Die fanden wir dann auch, grosse von Schülern/Studenten begastelten skelettalen Damen, La Muerte. Auch gab es "Ofrendas", eine Art angerichtete, mit Blumen und Artesanía geschmückten Tische/Altare, die dem Tod/den Toten gewidmet sind und wo auch Esswaren geopfert werden. Im grossen Garten fand auch ein Markt statt, wo auch Organisationen ihre Stände hatten, wie zum Beispiel eine lateinamerikanische Tierschutzorganisation oder eine Vereinigung mexikanischer Bauern, die sich gegen die (natürlich längst erfolgte) Einführung von gentechnisch verändertem Mais  wehren.

Ofrenda.


La Muerte.

 
Nun hatten wir natürlich auch noch sehr auf das "Gran Désfile", den grossen Umzug zu Ehren des Todes gesetzt und positionierten uns am Samstagabend strategisch an einen Strassenrand und warteten zusammen mit einigen Einheimischen auf die Action. Die kam dann auch, wie es sich gehört, begleitet von motorisierten Polizisten. Gleich dahinter führte eine langbeinige, tanzende Muerte den Umzug an. Wenn man die Kamera anhob, positionierte sie sich und versuchte auch ab und zu, Leute unter ihren Röcken zu fangen. Dahinter kam eine Gruppe Indígena-Tänzer (der Brauch der Totenverehrung ist schliesslich keine christliche Erfindung), eine Musikgruppe und zwei Lastwagen mit ähnlichen Totenfiguren, wie wir sie am Morgen in der Ausstellung gesehen hatten. Mit unterwegs waren einige verkleidete Leute und Kinder und eine Menge Zuschauer, die fotografieren eher schwierig machten.

La Muerte will mich einfangen.


Lastwagen mit Figuren.


Nach den beiden Lastwagen war der "grosse Umzug" schon vorbei und wir beide etwas enttäuscht. Das war's schon?!? Entweder hatten wir zuviel erwartet, oder Cuernavaca war eben nicht die richtige Stadt für dieses Fest gewesen. Wir waren von Cuernavaca insgesamt ohnehin nicht sonderlich beeindruckt gewesen und hätten den Besuch hier (auch weg- bzw. steigungstechnisch) besser ausgelassen. Dazu waren wir heute Morgen noch genervt, weil der Typ vom Internet gesagt hat, sie öffnen am Sonntagmorgen um 10 Uhr und als wir um fast halb elf dastanden, war alles noch zu, total tote Hose in der gesamten Stadt. Später fanden wir dann raus, dass auch Mexiko Ende Oktober von Sommer- zu Winterzeit wechselt und wieder einmal wir selber die zeitliche Verwirrung fabriziert hatten...
Nun, für uns heisst das, dass wir ab morgen wieder früh starten können, abends aber ab 18 kein Tageslicht mehr haben werden. Das war ohnehin interessant gewesen. Nach jeder Pause von ein paar Tagen haben wir gemerkt, dass es am Morgen immer später hell wurde, abends schien sich da aber kaum was geändert zu haben. Jetzt werden wir wieder um 5 Uhr aufstehen und um 6.15-6.30 Uhr auf der Strasse stehen. Wunderbar.