Die Fusion von E-Plus und o2 unter dem Dach der Telefónica Deutschland bewegt die Gemüter. Lange Wehklagen in Foren und Chats, auf Facebook, wo über eine drastisch verschlechterte Netz- und Service-Qualität (z.B. Hotline nicht erreichbar) geklagt wird. Frustrierte Kunden ziehen die Konsequenz, sie kündigen.
Nun müßte man diesen Frust doch irgendwann in den aktuellen Kundenzahlen bemerken? Nein, denn kurioserweise steigen die Kundenzahlen weiter … nach oben!
Der o2 Tower in München. Bildquelle: Telefonica Germany
Wie Telefonica in seinem Blog mitteilt, stieg die Kundenzahl „auch dank hoher Nachfrage nach Tarifen der Marken O2 und Blau im zweiten Quartal um 518.000.“
Wie dieses?
Müßten sich nicht die unzähligen frustrierten o2-Kunden in den Gesamstzahlen bemerkbar machen?
Müßte nicht die Deutsche Telekom überdimensional mehr Kunden bekommen, weil von der Netzqualität enttäuschte o2-Kunden zum „Testsieger“ wechseln wollen?
Oder ist die Wahrheit eine Andere?
Vielleicht diese: Wenige Original o2-Kunden kündigen, weil sie mit dem Original-o2-Kundenservice (nachweisbar) Probleme haben, die dieser ist wirklich „schwierig“ zu erreichen. In der Folge schließen diese Kunden gleich wieder einen Vertrag ab, diesmal vielleicht bei einem der vielen Discount-Anbieter im o2-Netz, die oft spürbar günstiger als Original o2 sein können, aber die gleichen Netzfunktionen (sprich LTE) anbieten, wo es ausreichend Netz gibt.
Dann gibt es noch Kunden, die eigentlich kündigen wollten, dann aber von „Angeboten, die Sie nicht ablehnen können…“ zum Bleiben „überredet“ werden, bis die gleiche Prozedur in 2 Jahren wieder bevor steht. Oder die beim Versuch einer Kündigung in dem „Wunsch“, die Kündigung nach einer „Vormerkung“ nochmal zu bestätigen, in der Warteschleife hängen blieben oder irrtümlich geglaubt haben die Kündigung sei schon durch?
Lesen wir im Blog weiter: Der Fokus des Unternehmens auf Bestandskunden schlug sich in einer anhaltend geringen Wechselrate bei den Vertragskunden (Churn) nieder. Sie ging im zweiten Quartal auf 1,5 Prozent zurück. Bei O2 ging die Wechselrate gegenüber dem Vorquartal sogar um 0,4 Prozentpunkte auf 1,3 Prozent zurück.
48,4 Millionen Kunden hat o2 nach eigenen Angaben im Mobilfunkbereich. Damit bleibt o2 (gemessen an freigeschalteten Karten) weiterhin die Nummer Eins im deutschen Mobilfunkmarkt.
Je mehr ich das anschaue, desto mehr gerate ich in Zweifel.
Entweder sind die geschilderten Probleme in Wahrheit und im Großen und Ganzen gar nicht so schlimm (oder es handelt sich höchstens um „bedauerliche Einzelfälle“) oder ist $Kunde bereit, das alles und noch viel mehr „auszuhalten“, wenn nur der Preis günstig genug ist? 😉
Fakt ist wohl: o2 Kunden sind preisbewußt. Sie wählen das absolut günstigste Angebot. Wer regelmäßig kündigt und vielleicht auch jedes Mal eine neue Rufnummer akzeptiert, kann jedes Mal „Neukunden“-Vorteile abstauben und vielleicht sogar richtig sparen oder meint es zumindestens.
Oder lernen wir daraus, dass für ordentliche Netzqualität viel zu wenige Kunden gewillt sind, einen höheren Preis zu bezahlen? Wobei die Frage zu klären wäre, ob Vodafone oder Telekom wirklich soviel teurer als o2 sind?
Oder ist das oft bessere Netz von Vodafone oder Telekom noch nicht überall „besser“ genug?
Wer aufmerksam durch Deutschland fährt, findet im Schwarzwald oder im Harz oder in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg Funklöcher, wo selbst langjährige „Testsieger“ noch absoluten Ausbaubedarf haben. Anstatt endlich zu bauen, streiten sich die Beteiligten, ob mit neuem Glas oder vorhandenem Kupfer verdrahtet werden soll und das notwendige Geld wird in absurd teuren Lizenzvergaberunden „verheizt“.
Wenn ich hier und da ein paar „Speedtest.net“-Tests in den verbliebenen drei Netzen mache, fällt mir subjektiv auf, dass das o2 Netz bei großen Menschenansammlungen (Konzerte, Volksfeste, Stadien) schneller „in die Knie“ geht, als der Mitbewerb. Bin ich in der „freien“ Gegend unterwegs, fand ich auch Ecken, wo o2 mit offenbar brandneuem LTE mit ordentlichen Raten seine Konkurrenten auf die hinteren Plätze verweist, die anhand höherer Upstream-Werte (als Downstream) anzeigten, dass die Marktführer leicht oder stärker „überlastet“ sind.
Oder wollen einige Kunden gar nicht von o2 weg, weil sie das große Abenteuer „Netzfusion“ weiter aus nächster Nähe erleben wollen? Wäre interessant zu wissen, wie die neuen Kunden ihre Verträge und Karten nutzen. Als Hauptnummer/Hauptkarte oder als Reserve/Zweitkarte oder nur noch zum Spielen oder nur zur Finanzierung eines neuen Handys also mit Nummer und Karte für die Schublade ?
Für den neuen Finanzchef Rolle schreibt Telefonica Germany immer noch rote Zahlen, so eine Fusion kostet erst einmal richtig Geld, bevor die „Synergie“-Effekte richtig wirken.
Und alles in Allem: Unterm Strich bleibt es nicht langweilig.
Der wahre Fan nimmt weiter zwei oder drei Handys (vielleicht eins davon als Dual-SIM) mit und grinst sich eins 🙂
Damit eins klar ist: Wenn es ab 2020 in Deutschland und darüber hinaus irgendwann mal 5G geben soll, wird ein Netzausbau notwendig, von dem wir bei allen Anbietern noch Lichtjahre weit entfernt sind.
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