o2 – das Netz mit dem größten Selbstbewußtsein


Telefónica Deutschland Chef Marcus Haas ist im Gespräch mit der Tageszeitung DIE WELT davon überzeugt: „Wir haben das größte und leistungsfähigste Netz.“ Und setzt noch einen drauf: „Und es läuft stabil“. Der geneigte Leser reibt sich die Augen.

o2 – das Netz mit dem größten Selbstbewußtsein

Marcus Haas CEO Telefonica o2, Foto blog.telefonica.de

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Marcus Haas im Interview mit der WELT (Foto blog.telefonica.de)

Frequenzmäßig ist o2 gut aufgestellt. Bei solch einem Netz-Zusammenbau, wie ihn o2 derzeit durchführt und den es in dieser Größe noch nie gegeben hat, sind „Probleme“ logischerweise vorprogrammiert. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz: Die aktuellen o2-Zahlen melden sogar einen Kundenzuwachs, wenn auch bei sinkenden Umsätzen pro Kunde (neudeutsch ARPU).

Haas ist kein Techniker, sondern Jurist. Kundenzahlenmäßig hat er das größte Netz in Deutschland, das derzeit aus zwei vorhandenen Netzen zusammengesetzt wird. 14.000 von 40.000 Stationen werden „aussortiert“ oder sind es schon, einige ehemalige Anlagen hat die Telekom bereits mit Handkuss übernommen, deren Kunden jubeln.

Die o2-Kunden im Internet sind einerseits sauer und frustriert. Blättert man durch Foren aller Art, kann man seitenweise tiefen Frust über das Angebot von o2 lesen: Über eine nicht erreichbare o2-Hotline, Rechnungsprobleme aller Art, fehlende Rabatte, Umstellungen der Tarife verbunden mit dem Hinweis „für Sie ändert sich nichts“. Der Frust rührt aus fehlenden Infos, wann und wo das Netz wieder auf- oder umgebaut wird, die willkürlich wirkende Abschaltung von Sendestationen ohne Ankündigung sorgt auf dem Land für Begeisterung und dass es teilweise noch keinen Zugang zu LTE für bisherige E-Plus/BASE-Kunden gibt, ist fast schon ein Randthema.

Das leistungsfähigste Netz?

Die eher noch freundlichen gefassten Kommentare in den Foren unterstellen Herrn Haas „Realitätsverlust“. und weiter: „Oder bekommt er bevorzugten Zugang zum Netz? Einen Zugang denn wir nicht bekommen?“

Haas dürfte einen VIAG Interkom Vertrag der ersten Stunde sein eigen nennen, denn er ist seit Anfang an dabei. Diese Anschlüsse scheinen mitunter stabiler zu laufen, als später geschaltete Karten (ich bin seit Oktober 1998 in diesem Netz mit dabei 🙂 Und er dürfte seinen Tarif oder die Optionen nur selten wechseln, was mögliche Problemursachen ebenfalls drastisch reduziert.

In München, wo sich das o2 Hauptquartier befindet, ist die Senderdichte höher als anderswo. Falls dort eine Station „ausfällt“, ist das wohl leichter zu verschmerzen, als in der „tiefen Provinz“, wo eine einzige Station für Kunden im Umkreis von 10-20 km oder mehr zuständig sein kann. Ausfälle in München (oder Düsseldorf) dürften sich hingegen im Rahmen halten, weil dort die „Entscheider“ von solchen Störungen unmittelbar betroffen wären.

Nicht nur die Kunden sind sauer, der Fachhandel, lange Zeit gehegt und gepflegt, ist verbittert. Die Händler sollen den Kunden möglichst teure Verträge verkaufen. Danach fühlen sich die Händler „überflüssig“, weil bei Vertragsverlängerern oder Kündigern die Hotline aus „heiterem Himmel“ Angebote macht, wonach jeder Händler leichenblass wird. Derzeit sind mit etwas Verhandlungsgeschick Rabatte auf die Grundgebühr und Optionen möglich, da werden schon mal 100 GB zu einem Vertrag dazu „gegegeben“, die ein normaler Nutzer kaum in einem Monat brauchen wird. Die Händler bleiben außen vor und die Kunden weitere zwei Jahre dabei.

Nun muss ein Unternehmenschef die Dinge positiv sehen, seine Leute motivieren, gerade in diesen schwierigen Zeiten und bis Jahresende soll alles „fertig“ sein. Sehr ambitionierte Ansage.

Nun es gäbe dann noch einige Aufräumarbeiten. Und er nennt Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind: Er bedient rund die Hälfte aller Mobilfunknutzer, denn viele haben eine Zweit oder Dritt-Karte in einem anderen Netz, was dann zu insgesamt über 100 Millionen Karten (in allen drei deutschen Netzen) bei 80 Millionen Einwohnern führt.

Ich bin – wie bereits erwähnt – seit Netzstart von VIAG Interkom dabei und habe den Begriff „VIAG = Very Interesting Adventure Game“ geprägt. Das Spiel bewegt, emotionalisiert und macht dennoch süchtig. Warum also kündigen? Man möchte doch weiter „mitspielen“. o2-Fans verteidigen ihr Netz trotz aller Gegenargumente. Ehemalige Kunden versuchen die noch verbliebenen Kunden zu „bekehren“, zu einem anderen Anbieter zu gehen. Mancher schimpft, mancher zuckt, aber wenn es dann zum Schwur kommt, wird es vielen auf einmal flau oder sie nehmen maximal eine Zweitkarte (ohne längere Bindung) – für alle Fälle.

Ein paar Beispiele:

Ein Original o2 Free S kostet für Neukunden 19,99 Euro (regulär 5 Euro mehr), darin sind neben Telefonie und SMS auch 1 GB LTE Daten enthalten. Sind die verbraucht, kann mit 1 MB/s weiter gesurft werden – wenn das Netz es vor Ort hergibt.

Man könnte wechseln.

Bei Smartmobil (von Drillisch) gibts inkl. Telefonie und SMS (flat) und 1 GB Daten für unglaubliche 7,99 Euro (regulär 9,99 €) im Monat. Nach 1 GB greift allerdings die unbeliebte „Datenautomatik“ zu 2€ für je 200 MB bis zu drei Mal. Danach könnte man ein weiteres GigaByte für 4,99€ buchen (auch bis zu 3mal im Monat).

Ein Original Red S von Vodafone kostet 28,79 Euro (Regulär 31,99) Euro inkl. LTE und 2GB Daten. Wer zur Telekom will, zahlt für den Einstiegstarif 29,20 € (regulär 34,95 €) mit 1 GB Daten.

Ob knapp 8 (bei Drillisch) oder knapp 30 Euro (bei Telekom oder Vodafone) – das ist dann schon ein Unterschied.

Zurück zu o2: Würden alle unzufriedenen Kunden rigoros das Netz wechseln (und nicht nur die Marke), dann müsste sich das langsam in Kundenzahlen und Umsatz bei Telefónica o2 abzeichnen.

Das tut es aber nicht. Im Gegenteil! Die Kundenzahl steigt weiter!

Der Grund ist klar: Die Leute stellen vielleicht fest, dass es Probleme gibt. Einige schauen sich nach Alternativen um. Sie finden die „vielleicht besseren“ Anbieter im anderen Netz, die aber deutlich teurer sind. Dafür mehr ausgeben?

Da existieren doch diese Tiefpreis-Anbieter – die fast das Gleiche für knapp ein Drittel des bisherigen Preises im Programm haben, halt weiter im Netz von o2.

Da zählt das Motto: Für dieses Geld ist das Netz doch ok.

Wo Kunden nicht gleich wechseln, beschweren sie sich bei der irgendwie dann doch einmal erreichbaren Hotline per Anruf, Fax, Papierbrief oder via social media. Und bekommen auf einmal Rabatte und Vergünstigungen, wo man verrückt wäre, wenn man jetzt noch ersatzlos bei o2 kündigen würde.

Die Alternativen wären ein Wechsel zu Vodafone oder Telekom, aber das ist – wie wir gesehen haben – wesentlich teuer und das mag die große Menge der enttäuschten Kunden nicht ausgeben.

Die Leute, die es dennoch tun, sind teilweise sehr zufrieden, weil auf einmal Dinge funktionieren, die bisher ein „Problem“ waren. Doch Einige kommen nach einiger Zeit wieder zu o2 zurück, weil das mögliche Mehr an Qualität nicht das deutliche Mehr an Kosten aufwiegt – für diese Kunden. Die wenigsten werden Vodafone „Black“ oder „Premium XL“ buchen, wo es alle Jahr ein neues Handy dazu gibt, Daten echt unbegrenzt sind (Telekom) oder in Dimensionen, die man kaum erreichen wird (Vodafone). Dafür werden dann aber Tarife von je 199 Euro im Monat aufgerufen.

Und es gibt Kunden, die das gerne zahlen, weil ihnen dieses Paket mit seinen Leistungen das Wert ist.

Was nun also tun?

Tief durchatmen!

Wenn das Telefon „wichtig“ ist, weil man beruflich oder privat jederzeit „erreichbar“ sein muss oder will, das Netz aussuchen, das in der besuchten Region am ehesten funktioniert. Wenn das gefundene Netz „Telekom“ heisst, kann man mit dem Magenta Mobil M (Prepaid, 1 GB Daten für) etwa 11 Euro im Monat (9,99 EUR pro 28 Tage) tun. Fällt die Wahl auf Vodafone kann es die CallYa Smartphone Special Karte zum gleichen Preis sein. Die Telekom packt noch eine Flatrate zu D1 ins Paket und notiert eine Lieblingsrufnummer im Festnetz als „kostenlos“.

Wenn sich in ihrer Heimatregion o2 als „besser“ erweist (gut möglich), wäre es ja Quatsch zu wechseln . Aber eine Zweitkarte eines anderen Netzes ist sicherlich eine gute Idee.

Die o2-Netzfusion wird bald „durch“ sein. Ok, gebaut und umgerüstet wird immer, das ist klar. Dann muss man sehen, ob am Ende die gröbsten Probleme bei o2 gelöst sind, ob die LTE-Versorgung auch in der Provinz den Lasttest aushält (weil die Zuführungen/Backbones verstärkt wurden) und wie sich das so anläßt. Da werden manche Kunden zurück kommen, da werden einige auch wieder gehen.

In der jetzigen Situation setzt Telekom voll auf Netzqualität und Ausbauqualität – dafür ist es teurer. Vodafone versucht die Quadratur des Kreises und o2 schaut, dass möglichst wenig Kunden dauerhaft das Netz verlassen. Damit können viele Ansprüche befriedigt werden.

Spannend bleibt die Frage, ob die geringeren Umsätze pro Kunde bei o2 reichen, das Netz „richtig“ auszubauen und noch einen (kleinen) Gewinn abzuwerfen. Wir werden sehen.

Update: Der Wirtschaftsnachrichtendienst Onvista berichtet, Anleger sind von der Telefónica-Aktie enttäuscht.

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Schlagwörter: Drillisch, Fusion, Leistungsfähig, Netzausbau, o2, Telefonica, Telekom, Vodafone, Wechseln


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