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Mit „O Beautiful Night" hat Regisseur Xaver Böhm einen enormen Kontrast zum eigentlich recht faden deutschen Einheitsbrei-Kino geschaffen. So heißt es, dass der deutsche Film hauptsächlich aus dummdämlichen Komödien bestehe, in denen sich zumeist Namen wie Schweiger, Schweighöfer, M'Barek oder Fitz - um nur die männlichen Mainstreamer zu nennen - in klamaukiger Art und Weise durch abgefilmte Theater-Performances spielen, ohne auch nur einen Hauch von Zweifel aufkommen zu lassen, dass das deutsche Kino seine beste Zeit schon sehr lange hinter sich gelassen hat.
Dann aber gibt es auch immer wieder diesen Gegenbeweis, wie er für „Victoria" oder „Tiger Girl" sowie den vermeintlich nie gesehenen „Hell" gilt, das junge deutsche Kino, dem es leider fernab dieser Mainstream-Rotze an der nötigen Publikumsaufmerksamkeit mangelt, um die Liebe zu erfahren, die diesen Filmen eigentlich gebührt. Hier muss sich eigentlich der oder die geneigte Filmkritiker*in der Pflicht sehen, die eigentliche Aufgabe dieser Profession zu erfüllen: nicht etwa der Kommunikationsmittler zwischen Branche und Rezipient sein und auf Lieblinge der Verleihe und Presseagenturen hinweisen, sondern einfach mal Outside the Box-Denken an den Tag legen und sich zum Mittler zwischen Film und Publikum machen, damit solcherlei kleine Juwelen wie auch „O Beautiful Night" einer ist, nicht unter dem Radar verschwinden.
Selten bis noch nie hat es ein deutscher Film so sehr geschafft, Berlin so schön und skurril darzustellen, als sei es eine poetisch anmutende Unterwelt, ganz und gar anders als all die Hipster-Vorstellungen, die Berlin nur allzu oft filmisch beflügelt hat. Xavier Böhm erzählt in diesem jazzigen Neon Noir Ambiente von dem Hypochonder Juri, der überall seinen baldigen Tod zu erkennen glaubt. Als er dann vermeintlich wirklich stirbt, steht auf einmal der Tod höchstpersönlich vor ihm und bietet eine letzte Reise an, eine Kneipentour durch das nächtliche Berlin, gemeinsam, Juri und der Tod.
Es ist einfach nur wunderbar, wie kreativ und mutig sich Böhm mit „O Beautiful Night" positioniert. In die meisten seiner Filmbilder kann man sich auf Anhieb verlieben. Er entfacht eine düstere Atmosphäre mit grell-neonfarbenen Klecksen, mit denen er unsere Aufmerksamkeit lenkt. In seinem Wunderland ist Juri die Alice, die sich quasi vom Märzhasen Tod durch das Land des Irrsinns treiben lässt.
Das Drehbuch hält gewitzt-schwarzhumorige Dialoge parat, die von den Hauptakteuren passgenau abgefeuert werden. Während den Hauptanteil hier Noah Saavedra als Juri und - unfassbar gut - Marko Mandić als der Tod tragen, werden sie einen großen Teil der Reise von Vanessa Loibls Nina begleitet, die das Trio Infernal perfekt abrundet. Gemeinsam nehmen sie es mit einem Tankstellenwart auf, mit dem Bademantelmann und dem Schmetterlingsmann: man merkt schnell, es ist wirklich eine Alice im Wunderland-Geschichte.
Den Trip, den „O Beautiful Night" bietet, möchte man immer wieder erleben. Man schwelgt in der Wunderwelt des deutschen Films, die auf einmal wieder spricht: „Ja doch, wir jungen deutschen Regiseur*innen, wir können euch retten, nur müsst ihr uns auch hören - bzw. sehen (wollen)". Die Mutigen, die sich zu neuen Abenteuern in einem solch wundersamen Filmland aufmachen, werden belohnt, die übrigen klagen weiter über den üblichen Einheitsbrei.