Nur weil ich weine, bin ich nicht schwach

Von Vitaaas @_vitaaas_

Ich telefoniere mit meiner Mutter und werde immer wütender über eine Situation, die ich einfach nicht ändern kann. Und dann passiert es: Ich fange an zu weinen. Meine Mutter hört mich zwar nur, aber sie merkt, wie meine Stimme wegbricht, zittert und wie ich meine Nase hochziehe. Sie möchte mich trösten und sagt mir, dass es doch nicht so schlimm sein und ich nicht zu weinen brauche. Aber ich weine nicht, weil ich traurig bin. Ich weine, weil ich so wütend bin.

Wie häufig habe ich früher geweint, wegen so vielen kleinen Dingen. Selbst ich dachte immer, dass ich in diesen Momenten traurig war, aber in Wahrheit war ich einfach nur unglaublich wütend. Ich kochte nahezu vor Wut, weil der Arzt mich innerhalb weniger Minuten abgespeist hat und mich vorher eine halbe Stunde im Wartezimmer hat warten lassen. Weil ich mit meinem Vater stritt und wir einfach nicht auf einen Nenner kamen. Weil ich mich so um eine Freundschaft bemüht habe und ich dann schrecklich hintergangen wurde. Nie war ich wirklich traurig, sondern einfach wütend.

Oft werden Tränen mit Schwäche assoziiert. Aber sind Tränen nicht auch etwas Schönes? Man kann sein Mitgefühl zeigen, seine Freude und seinen Stolz. Und dass alles nur mit ein paar kleinen Tropfen, die da im Gesicht runterfließen.

Manchmal sagt meine Mutter, dass ich einfach sehr empathisch bin. Denn ich weine nicht nur, wenn ich wütend bin, auch wenn ich mit anderen Menschen mitfühle, bleiben die Tränen nicht lange aus. Ich finde, es ist eine schöne Art zu zeigen, wie wichtig einem dein Gegenüber doch ist, auch wenn man es in dieser Situation gar nicht merkt.

Deshalb sind Tränen für mich nichts Verwerfliches. Man ist kein Schwächling, nur weil einem während einer Diskussion einmal die Tränen kommen. Genauso wenig ist man gefühllos, wenn man eben nicht so häufig weint. Jeder Mensch ist anders gestrickt und an diejenigen, die nah am Wasser gebaut sind: Auch Tränen zeigen Stärke.