Man kann der deutschen Sozialdemokratie ja so einiges nachsagen. Dass sie aber nicht hartnäckig konsequent wäre, das kann man ihr nicht vorwerfen. Sie ist es! Selbst jetzt, in der Stunde ihres Verkümmerns und Siechens, bleibt sie ihrer Haltung treu. Einer Haltung, die aus schröderschen Geist und durch Münte geschweißt, die Partei, die Partei, die Partei gänzlich niederstreckte. Die Ehre, die letzte Ehre dieser Partei, die in jedem Landtag und im Bund sowieso, an Prozenten verliert, sie heißt Treue. Treue zu einem Weltbild, das ihr von wirtschaftlichen Interessen und deren Vertretern implantiert wurde - üb' immer Treu und Redlichkeit... bis in dein kühles Grab!
Nachdem man unter rot-grüner Domäne den Sozialstaat dahingehend modellierte, Lohnersatzleistungen und deren Bezieher rein nach ökonomischen Aspekten zu sortieren, sie einer strengeren Verwaltung und repressiveren Gesetzen zu unterwerfen... nachdem man Regelsätze einführte, die nach Warenkörben entworfen wurden, die, erstens, mit veralteten Preisen zusammengestellt und, zweitens, nochmals am Ende um zwanzig Prozent erleichtert wurden, Regelsätze also, von denen man kaum leben konnte... nachdem unter sozialdemokratischer Anleitung keine menschlichere Asylpolitik befürwortet oder gar umgesetzt wurde... nachdem auch zu Zeiten Schröders der Islam kriminalisiert und von Integration gesprochen wurde, grade so als sei hier jeder lebende Ausländer ein zu schleifender Fremdkörper im Volkskorpus... nachdem sich die rot-grüne Ära als eine der konservativsten und biedersten Episoden der bundesrepublikanischen Geschichte gestaltete hatte... nachdem diesem Land so viel Fremdenfeindliches und Klassistisches in rot-grünen und später schwarz-roten Tagen widerfuhr, da konnte die Entscheidung, den stammelnden Erfolgsautoren, der ausnahmsweise keinen quadratischen Schnauz, sondern einen in die Länge gezogenen trägt, nicht aus der Partei zu verbannen, gar nicht mehr überraschen.
Der flotte Erfolgsmensch, man hat ihn von der Bürde befreit, als Rassist zu gelten. Er ist auch nicht unterschichtenfeindlich. Das heißt: all das ist er eben schon! Aber nicht ausgewiesen. Denn der Ausruf "Sie sind ja ein Rassist!" oder wahlweise "Sie sind ja ein Klassist!" ertönt doch lediglich, wenn ein Mensch etwas sagte, was mit dem Kodex der Masse nicht oder nur schwer vereinbar ist. In einer Gesellschaft von Rassisten und Klassisten würde niemals dergleichen ausrufen. Warum auch? Ein solcher Trottel wäre Standard, Durchschnitt, das gängige Mittelmaß. Mit solchen Vorwürfen muß man nur leben, wenn es eine Handvoll Nicht-Rassisten und -Klassisten gibt. Die gibt es freilich in der Sozialdemokratie auch, nur verstecken die sich sehr gut - und manche, die glauben, sie seien keine, sind es doch irgendwie, nur eben latenter, ein wenig eloquenter, sich gar nicht ihrer inadäquaten Affekte bewusst.
Und die findet man auch reichlich bei denen, die leicht nach links eingedreht sind. Auch bei denen galt der brandstiftende Provokateur als mutiger Streiter für freie Meinung. "Man wird doch noch mal sagen dürfen", beschwichtigten sie. Da ist es doch nur folgerichtig, dass man den, auf den man so stolz ist, weil er niederschrieb, was den schröderianischen Geist ausmachte, weiterhin in den eigenen Reihen mitmarschieren läßt. Er ist vielleicht manchmal zu derb gewesen, aber eigentlich fechte er denselben Krieg aus, sagen sie sich. Eine kleine Rüge, eine Ermahnung zu mehr Aalglattheit: und schon ist alles wieder im Lot. Und wählbar wäre man sogar wieder, wenn man den Schnauz ganz und gar nach oben verfrachtet - das nächste Debakel bei der Bundestagswahl, das Gabriel und Nahles und die anderen Sonstwers der SPD wegspülen wird, es könnte den ganz nach oben schwappen, der nun ganz offiziell in seiner Partei verharren darf...