Nur die Normalität einer Konsumgesellschaft

Von Robertodelapuente @adsinistram

Was in den Medien im Falle des ADAC jetzt Manipulation genannt wird, ist in vielen Branchen gängige Geschäftspraxis. Wer glaubt denn ernstlich, dass allerlei Empfehlungen auf Seite Eins aus Überzeugung beworben werden?
Die Abstimmung des "Lieblingsautos der Deutschen" wurde über mehrere Jahre manipuliert. Das empört die Öffentlichkeit und viele ADAC-Mitglieder. Sie glauben nun ein falsches Bild von der Realität aus Deutschlands Autohäusern vermittelt bekommen zu haben. Von der massenpsychologischen Warte aus könnte man feststellen, dass dieses falsche Bild auch das Kaufverhalten manches Kunden beeinflusst hat. Denn viele VW-Golf-Käufer können doch nicht irren. Also kaufe ich mir auch einen!

Hier greift die unterbewusste Veranlagung, dass die Mehrheit aufgrund ihrer Mehrheit nicht falsch liegen kann. Francis Galton sprach schon 1906 von diesem Prinzip als die "Weisheit der Vielen". Bei Amazon oder Bonprix nennen sie denselben Schmu einfach Topseller. Da bekommt man auch quasi auf Mehrheitsbasis ein beliebtes Produkt eingeblendet. Von diesem Rang ist es dann auch schwer zu verdrängen - die Einblendung potenziert die Absatzzahlen. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so dramatisch, war es vermutlich in all den Jahren, da der ADAC sich das deutsche Lieblingsauto ersonnen hat.
Vergleichbar ist es bei diversen Büchern des Monats wie man sie zum Beispiel im Weltbild-Katalog findet. Oder auf diesen exklusiven Kaufflächen in Thalia-Geschäften, die bestimmte Bücher zum Blickfang erheben. All das sind keine Empfehlungen, die auf Grundlage von qualitativer Überzeugung entstehen. Nicht mal, weil sie beliebt bei der lesenden Kundschaft waren. Es sind finanzierte Label, die das Produkt adeln sollen. Der Verlag bezahlt die hervorgehobene Präsentation seines Buches. "Buch des Monats" ist nicht das Ergebnis einiger Literaturkritiker, sondern das Resultat einer Banküberweisung. Und bei Thalia landet man aus denselben Gründen ganz vorne im Eingangsbereich als Eyecatcher. Dass dort Mitarbeiter demokratisch abstimmen, wem sie eine solche Lage ermöglichen wollen, ist eine romantische Vorstellung, die man den Kunden gerne lässt.
Als kleiner Verlag ist man faktisch gar nicht in der Lage dazu, jemals ein Buch des Monats im Programm zu haben. Bücher des Monats produziert man nicht - man erkauft sie sich. Marktmacht nennt man das wohl, wenn Große sich Vorteile erkaufen können, die dann den Kleinen zum Nachteil gereichen. Wenn man mit Quantität Qualität vorgaukeln kann. Oder wenn man mit Geld den Eindruck ehrenwerter Referenzen erzeugt. Es ist nur eine Binsenweisheit, wenn man erwähnt, dass die Marktführer der jeweiligen Branchen nicht unbedingt die Besten sind. Sie haben meist nur das nötige Geld dazu, um sich hübsche Empfehlungsschreiben ausstellen zu lassen.
Willkommen in der Welt des Konsums und der Werbung, liebe empörte ADAC-Mitglieder! Eure heile Welt zerbröselt gerade, weil ihr naiv genug gewesen seid anzunehmen, dass Verkaufslisten etwas sind, was in dieser Gesellschaft der Krämer und Händler neutral geführt werden. Ganz so wie die Kunden großer Buchhandlungsketten glauben, dass der Händler objektive Ratschläge erteilt. Manipulierte und gepuschte Zahlen, wie sie nun beim Automobil-Club vorkamen, sind nicht der Ausnahmefall oder eine verunglückte Statistik, sondern die langweilige und durchaus auch ungerechte Normalität einer Konsumgesellschaft, in der es nur um Absatz und nichts weiter geht.
Und genau deswegen, weil der Absatz eben alles ist, kann man eine so weitreichende Entscheidung wie die Kaufentscheidung nicht einfach unbeeinflusst geschehen lassen. Sie braucht Aufsicht und eine leitende Hand. Wenn man hierzu den Eindruck eines Knallerprodukts oder eines Massenartikels erzeugen muss, dann tut man das eben. Man hätte schon ahnen können, dass ein Ranking dieses automobilen Lobbyverbandes nicht einfach nur Information ist, sondern immer auch Werbung in sich trägt.
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