Eigentlich wäre er dazu ausersehen gewesen, ein richtiger süditalienischer Macho zu werden, doch zum Bedauern seiner Verwandtschaft liessen ihn Fussball und schnelle Autos kalt, lautes Prahlen war auch nicht sein Ding und nachdem er im frühen Kindesalter Farbstifte und Papier für sich entdeckte, ging es nur noch bergab mit ihm.
Mit sechzehn färbte er sich die Haare in verschiedenen Rottönen.
Mit siebzehn schleppte er eine Schweizerin an.
Mit knapp zwanzig entschied er sich, Primarlehrer zu werden, anstatt einen Beruf zu wählen, bei dem man den ganzen Tag wichtigtuerisch in Anzug und Krawatte herumstolzieren konnte.
Mit einundzwanzig trat er aus der katholischen Kirche aus.
Mit vierundzwanzig reiste er im Sommer lieber nach England als nach Italien.
Mit vierunddreissig war er Vater von fünf Kindern, obschon seine Mama ihm geraten hatte, nach zwei damit aufzuhören.
Und was für ein Vater er war. Einer, der sich nicht genierte, nachts aufzustehen, seinem Nachwuchs die Windeln zu wechseln und bei den Hausaufgaben zu helfen. Einer der seine Männlichkeit nicht in Frage gestellt sah, wenn er im Kochtopf rührte oder mit dem Staubsauger durch die Wohnung wetzte.
Für seine Verwandtschaft blieb er ein Rätsel, auch wenn sich mit der Zeit eine gewisse Bewunderung bemerkbar machte, denn auch in Süditalien sind Machos inzwischen nicht mehr so gefragt.
Für seine Frau ist er ein Glücksfall, denn sie kann sich darauf verlassen, dass er, wenn sie ausser Hause ist, den Karren zieht. Anders als sie zwar, aber ganz bestimmt nicht schlechter. (In den meisten Fällen sogar besser, wenn man mal von den ewigen Streitereien mit seiner einzigen Tochter absieht.) Inzwischen spielt es eigentlich keine Rolle mehr, ob sie oder er zu Hause ist.
Na ja, es spielt fast keine Rolle mehr. Er muss nur noch lernen, wie die richtige Antwort lautet, wenn sie nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt und fragt, ob die Kinder am nächsten Tag Sporttag haben.
Seine Antwort: „Sporttag? Keine Ahnung. Die Kinder haben nichts davon gesagt.“ Und das natürlich um eine Zeit, als nachfragen bei den Knöpfen nicht mehr möglich ist, weil alle schon tief und fest schlafen. (Proviant kaufen ginge übrigens auch nicht mehr, da nicht mal mehr Tankstellenshops offen sind.)
Die richtige Antwort hätte gelautet: „Nein, der Sporttag findet morgen nicht statt. Ich hatte es ja schon geahnt, denn die Wetterprognose ist wirklich mies. Und meine Vermutung hat sich mit dem Elternbrief, den die Kinder nach Hause gebracht haben, bestätigt. Was eigentlich schade ist, denn selbstverständlich habe ich bereits den ganzen Proviant für den morgigen Tag eingekauft.“
So müsste das eigentlich laufen, aber wenn man bedenkt, dass er eigentlich dazu ausersehen gewesen wäre, ein südländischer Macho zu werden, wollen wir mal grosszügig über diesen Schnitzer hinwegsehen.