Als Comedian hat Dieter Nuhr sicher einige gute Nummern und Sendungen. Als “Kabarettist” kann man ihn aber kaum ernstnehmen, vor allem seit dieser Sendung nicht. Nuhr stand ja noch nie im Verdacht, politisch irgendwo links zu stehen. Gestern jedoch machte er aus einer ehemals kritischen Kabarett-Sendung ein weiteres Propagandainstrument für konservativ-liberale Anschauungen. Neben ein paar oberflächlichen Witzen zu aktuellen politischen Ereignissen, die aber nie ein Thema weiter ausführten, gab es auch ganz klare politische Aussagen: Etwa, dass diie Sozialausgaben in Deutschland viel zu hoch seien – dadurch sei, so Nuhrs These, schon die DDR pleite gegangen. Natürlich gab es auch etwas zur “Kommunismus-Debatte”: Die Linken, so sollte suggeriert werden, wollten alle den Stalinismus inklusiver Millionen Toter wieder. Über Stammtischparolen gingen diese Nummern meist nicht hinaus.
Erste ehrliche Zustimmung vom Publium erntete Nuhr erst, als er es eigentlich gar nicht wollte: Statt die Banken zu retten, meinte er, hätte man besser mehr Kindergärten bauen sollen – worauf das Publikum applaudierte. Dabei wollte Nuhr in Wirklichkeit darauf hinaus, dass, wenn man die Banken nicht gerettet hätte, man ja auch gar keine Kindergärten hätte bauen können (Anmerkung: es ist wohl nicht der Mühe wert, auf so etwas auch noch inhaltlich einzugehen). Daher sei, so schließlich sein dann – wirklich ernsthaft gemeintes, nicht etwa sarkastisches Statement, die Bankenrettung, Zitat, “natürlich alternativlos” gewesen. Das war Nuhrs Beitrag zum Unwort des Jahres “alternativlos”. So ziemlich das Gegenteil dessen, wofür das politische Kabarett einmal angetreten ist. Angela Merkel hätte es nicht besser sagen können.
Und zu alledem waren die Gäste meistens noch schlechter als Nuhr. Die erste, Tina Teubner (den Namen muss man sich aber wohl nicht merken), ließ ein paar abgedroschene Klischees über Reformhäuser, ökologische Ernährung und ähnliches ab, man folgte ihr eher peinlich berührt als belustigt. Alfred Dorfer und Andreas Rebers waren schon zwar etwas besser, aber auch nicht umhauend. Der Tiefpunkt war mit dem Auftritt von Matze Knop gekommen. Matze Knop ist vielleicht zur WM bzw. EM für fünf Minuten lustig, dann reicht es aber auch wieder für zwei Jahre. Es kamen, wie zu erwarten, billigste Comedynummern über irgendwelche Unterschichtenfernsehsendungen oder die Bahn (die ist ja so unpünktlich, hahaha!), Prominentenimitationen auf Penälerniveau (“Halloo, ich bin der Dieter Bohlen!” und natürlich, es musste ja sein, Franz Beckenbauer). Falls es von der Sendung tatsächlich noch eine Ausgabe geben sollte, auf wessen Auftritte können wir uns dann “freuen”? Mario Barth, Hendryk Milhouse Broder und Guido Westerwelle?
Zum Abschluss gab es noch eine deutliche Botschaft von Nuhr, eins zu eins entnommen aus dem konservativ-neoliberalen Phrasen-Kasten: die Deutschen beklagen sich viel zu viel, diese Wutbürger sind immer nur dagegen! Meckern und jammern! Sollen sie doch froh sein, den Menschen im Sudan geht es doch noch viel schlechter! Statt gegen einen Bahnhof zu protestieren könnten sie doch einfach einmal zufrieden sein, sich auf einen Marktplatz stellen und rufen “Die Welt ist schön!” Und damit ging die Sendung dann zu Ende.
Vor ein paar Jahren war der “Scheibenwischer”, damals unter anderem mit Dieter Hildebrandt und Georg Schramm, in der ARD das Aushängeschild des politischen Kabaretts im deutschen Fernsehen. Seitdem ging es eher bergab. Als Matthias Richling die Sendung übernahm, untersagte Hildebrandt sogar die Nutzung des Namens “Scheibenwischer”. Zuletzt war die dann “Satiregipfel” genannte Sendung arg comedy-lastig – aber auch unter Richling war sie um Welten besser als die gestrigen von Nuhr präsentierten Neuauflage.
Man könnte fast sagen, die Sendung heute (auch politisch) so ziemlich das Gegenteil von dem ist, wodurch sich der Scheibenwischer ausgezeichnet hat. Aus bissigem, die Mächtigen demaskierendne, gesellschaftliche Missstände anklagendem politischen Kabarett ist Wohlfühl-Propaganda-Comedy mit einem deutlichen neoliberalem Einschlag geworden, ein bisschen seichte Witze, verpackt mit konservativ-liberalen Plattitüden und Parolen. Als ob es von derartigen Sendungen im deutschen Fernsehen noch nicht genug gäbe. Da hilft nur noch eines: abschalten!
Andere Kommentare zur Sendung:
Und zum Vergleich: So sah die Springer-Presse die Sendung