Der Islam macht es sich besonders schwer in diesen Tagen. Er könnte einfach friedlich vor sich hin existieren und seinen Platz neben den anderen Weltreligionen einnehmen. Aber das erlaubt offenbar sein religiöser Alleinherrschaftsanspruch nicht. Und so prägt kaum etwas die großen Konflikte unserer Zeit mehr als die fortwährende Auseinandersetzung der islamischen Welt mit den Gesellschaften des Westens. Nicht zuletzt der IS-Terror hat den Islam auf breiter Front in Verruf gebracht. Und so bauen sich die Mauern in den Köpfen auf beiden Seiten immer höher auf. Überempfindlichkeit auf der einen Seite, abnehmende Bereitschaft zur Nachsicht auf der anderen Seite sind die Folge. Immer größer wird das gegenseitige Misstrauen. Dass sich der Islam hierzulande in Lobbyverbänden organisiert und die Politik nicht müde wird, ihn zum festen Bestandteil der deutschen Identität zu erklären, trägt eher zur Eskalation bei als zur Befriedung. Es drängt sich der Eindruck auf, die hiesige Politik nehme den Islam zu wichtig und verschaffe ihm damit eine Plattform, die einer Religion in der aufgeklärten säkularen Welt des Westens nicht zusteht. So wie man Bürgermeister eben auch nicht mit militärischen Ehren auf Schloss Bellevue empfängt.
Derart wichtig genommen, treten manche Muslime ihren “ungläubigen” Mitbürgern besonders selbstbewusst gegenüber. Sie bedienen sich dabei auch der öffentlichen Provokation und Einschüchterung, wie die “Scharia-Polizei” unlängst demonstrierte. Vor allem aber erfährt eine auf diese Weise völlig überhöhte Religion immer mehr Zulauf radikaler Verirrter, die in ihr die letzte Chance sehen, dem eigenen Dasein eine Bedeutung zu geben. Mit dem fortlaufenden Kümmern, dem vorauseilenden Gehorsam und der peinlichen Anbiederung bedient die Politik aber auch die Dünnhäutigkeit mancher Muslime, zu deren geübtem Reflex es längst gehört, jede gesellschaftliche Regung darauf abzuklopfen, ob nicht etwa der Islam diskriminiert oder gar beleidigt worden ist. Nicht nur in Deutschland. In Erinnerung ist bis heute der Aufruhr nach den Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung. Es fällt schwer, sich vorzustellen, die Leibgarde des Papstes hätte mit der Erstürmung Kopenhagens gedroht, nur weil ein dänisches Blatt Jesus Christus als Playboy am Strand von Rimini gezeigt hätte. Nun erregt der “Fall Nuhr” die Gemüter. Seit Jahren begeistert uns der Kabarettist mit seinem Bühnenprogramm. Nichts und niemand ist ihm heilig – und genau das lieben seine Fans.
Dabei genießt Dieter Nuhr Respekt und Anerkennung nicht nur beim breiten Publikum, sondern auch bei den Kulturschaffenden. Erst vor einer Woche erhielt er den Jacob-Grimm-Preis, die Hauptehrung des “Kulturpreises Deutsche Sprache”. So einer soll also ein übler Hetzer sein. Das jedenfalls meint der heutige “Klodeckel”-Träger Erhat Toka, der Nuhr wegen angeblicher “Islamhetze” angezeigt hat. Dabei kann Toka selbst auf eine bemerkenswerte Vergangenheit zurückblicken. Von 2003 bis 2008 war er für die Öffentlichkeitsarbeit in der Milli Görüs Moschee zuständig, Teil einer Gemeinde, der vom Verfassungsschutz das Bestreben bescheinigt wird, “die westliche Ordnung zu überwinden und durch ein islamisches Gemeinwesen zu ersetzen”. 2012 geriet Toka mit seiner Islam-Partei zeitweise selbst ins Visier des Verfassungsschutzes, nachdem er auf der Partei-Homepage einen Text veröffentlicht hatte, in dem die Demokratie als islamfeindliche “Vielgötterei” bezeichnet wurde. Nun ist der Staatsanwalt am Zug. Dieter Nuhr bleibt standhaft und er hat recht. Ob er am Ende auch das Recht auf seiner Seite hat, wird darüber entscheiden, welchen Stellenwert die Meinungsfreiheit in unserem Land noch besitzt.
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