Nudging – Der kleine Schubser

„Mit neuen Manipulationspraktiken will der Staat seine Bürger lenken. Es begegnet uns im Supermarkt, in der Kantine, auf der Autobahn, auf der Zigarettenpackung, in Form einer Erinnerung an den bevorstehenden Zahnarzttermin. Oftmals erhalten wir einen kleinen „Schubser", der uns zu einem gewünschten Verhalten verleiten möchte. Wir werden genudget.

Die vielfältigen Einflussmöglichkeiten durch Nudges (Englisch für „Stups" oder „Schubs") untersuchten die US-Amerikaner Richard Thaler, Professor für Verhaltensökonomie, und Cass Sunstein, Rechtswissenschaftler an der renommierten Harvard University. Ihre Publikation Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt gilt als Standardwerk dieser neuen Strategien. Es geht um jenen kleinen Schubs, den ein „Entscheidungsarchitekt" den Menschen geben möchte. So beeinflussen beispielsweise die Platzierung der Produkte im Supermarkt unseren Konsum, die genaue Anordnung der Speisen in einer Kantine unser Essverhalten, freundliche Aufforderungen zur Verringerung der Geschwindigkeit unser Fahrverhalten.

Die unendliche Vielfalt der Nudging-Möglichkeiten bedient sich der Erkenntnisse, die die Verhaltensökonomie aus der Psychologie gewonnen hat. Es erstaunt nicht, dass Unternehmen Nudging im großen Stil einzusetzen versuchen, um das Konsumverhalten der Kunden zu manipulieren. Ebenso wenig erstaunt es, dass auch die Politik das Nudging für sich entdeckt hat. So beauftragte US-Präsident Barack Obama im Jahr 2009 Cass Sunstein mit der Führung des „Office of Information and Regulatory Affairs", die der Rechtswissenschaftler bis 2012 innehatte.(1) Die britische Regierung gründete das „Behavioural Insights Team", das ganz ungeniert den Beinamen „Nudge Unit" trägt und bis zu seiner Privatisierung im Jahr 2014 eine reine Regierungsbehörde war.(2) Mit etwas Verspätung hat nun auch die Bundesregierung die Möglichkeiten von Nudging erkannt: Kanzlerin Angela Merkel machte sich im vergangenen Sommer auf die Suche nach dem passenden Fachpersonal für eine Gruppe im Kanzleramt, die die „Entwicklung alternativer Designs von politischen Vorhaben" vorantreiben soll.
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Es gibt zwei grundsätzliche Positionen, die der Staat einnehmen kann. Auf der einen Seite eine Haltung des Laissez-faire, das dem Menschen eine uneingeschränkte Freiheit lässt, auch wenn sein Verhalten ihm selbst schadet. Auf der anderen Seite steht ein regulierender Staat, der durch harte Sanktionen (zum Beispiel Strafen für Drogenkonsum) oder bevormundende Anreize (Tabaksteuer) das gewünschte Verhalten zu erzwingen sucht. Thaler und Sunstein plädieren für einen Mittelweg, den sie entsprechend „libertären Paternalismus" taufen.
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Die Beurteilung von Nudging steht und fällt insbesondere mit dem Ausmaß der Transparenz. Der Ökonom Jan Schnellenbach beurteilt das Nudging daher kritisch: „Das Verhalten der Menschen wird gesteuert, ohne dass die Menschen es merken. [...] Der sanfte Paternalismus funktioniert vor allem dann gut, wenn die Begleitumstände intransparent sind.."

Quelle und gesamter Text: http://www.hintergrund.de/201507233609/soziales/reformen/der-kleine-schubser.html


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