Eine erste Bilanz fällt enttäuschend aus. Mit einer Haltbarkeitsdauer von nur knapp über drei Wochen habe das Thema „in voller Breite enttäuscht“, befindet Achtelbuscher. Die braune Brut sei von den Menschen im Lande als konkrete Bedrohung keineswegs so angenommen worden wie das im voraus erwartet worden war.
Achtelbuscher, bekanntgeworden durch seine Grundlagenforschung im Bereich Agendasetting und im Frühjahr vielbeachtet für seine wegweisende Erfindung der ersten Einheit für einheitliche Medienempörung (Emp), schüttelt selbst noch ratlos den Kopf angesichts der unerwarteten Entwicklung. „Vielleicht lag es daran, dass die Taten schon so lange zurück lagen.“
Selbst die offenkundige Verwicklung des Verfassungsschutzes in diesen und jenen Aspekt des „insgesamt leider durchweg recht wirren Falles“ (Achtelbuscher) habe weder das Publikumsinteresse noch die Jagdleidenschaft der Medianschaffenden richtig anzünden können. Es habe an bekannten Namen auf der Kandidatenliste für die Besetzung des Urschuldigen gefehlt, zudem hätten die Terroristen sich unprofessionell nicht wie Terroristen verhalten. "Es gab weder die traditionellen Bekennerschreiben noch Drohvideos, die im Fernsehen hätten laufen können", beschreibt der Wissenschaftler. Von Seiten der selbsternannten NSU sei das Konzept Stadtguerilla offensichtlich "zu keinem zeitpunkt verstanden worden". So habe es die NSU an einem wiedererkennbaren Markenkern fehlen lassen, es gebe kein "ikonografisches Logo", selbst der Name leide einerseits unter einer gewissen Allgemeinverbindlichkeit, andererseits sei er verwechselbar mit einem untergegangenen Motorenhersteller. "Das warkein gutes Omen."
Die Verweigerung, sich auf anerkannte Spielregeln einzulassen, war jedoch beiderseitig. Auch medial regierte ein Arbeitsethos kurz vor der Arbeitsverweigerung. „Was wir gesehen haben, war dann viel Pflicht und wenig Kür“, urteilt der Experte. Es seien die üblichen Vor-Ort-Reportagen geliefert worden, in denen Nachbarn mitteilten, was sie alles nicht wussten, danach hätten die Fernsehrunden übernommen, sich aber schwer getan, das Terrorthema zu emotionalisieren. Auch die Analyse habe sich auf bekannte Standards zurückgezogen. „Da war dann mal die DDR und mal die Wende schuld“, sagt Achtelbuscher, „aber egal wie, damit ist das Thema natürlich in Gießen und Koblenz durch.“
Mit nur drei Wochen durchgehender Medienpräsenz, die nach dem Grundgesetz der Mediendynamik umgerechnet drei Emp entsprechen, habe die sogenannte NSU erneut Zweifel an der Kampagnenfähigkeit der deutschen Zentralmedien geweckt. „Wenn wir ehrlich sind, hat Herr Mannichl vor Jahren im Alleingang drei Emp gestemmt“, urteilt Achtelbuscher. Er sehe hier eine Fortsetzung des von seinem Institut für Angewandte Entropie seit Jahren beklagten grassierenden Themensterbens in der deutschen Medienlandschaft. „Wenn wir nicht aufpassen“, so der Wissenschaftler, „sterben uns die Themen demnächst schon, bevor sie überhaupt Themen werden.“
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