NSU: Hochdruck im Terrortagebuch

Von Ppq @ppqblog
Die Großdichter sind weitergeeilt, die Schlagzeilen werden woanders gemacht, der Strom der irrelevanten Könntesein-Nachrichten tröpfelt nur noch und womöglich geht die große, geheimnisvolle Staatsaffäre in ein paar Jahren aus wie ein stilvolles Fünf-Sterne-Dinner: Kaum ist alles drin, ist schon wieder alles draußen. Und schlauer ist man auch nicht geworden.
Wenigstens Generalbundesanwalt Harald Range aber will nicht aufgeben. Wenn diese ganze leidige NSU-Geschichte schon zu nichts anderem gut ist, dann doch vielleicht wenigstens dazu, seiner Behörde mehr Kompetenzen zu verschaffen. Im Moment sei Strafverfolgung Ländersache, klagt Range in der FAZ, und der Bundesgerichtshof lege die Regelung „sehr restriktiv aus“.
Klare Sache also, aber nicht für Range, der gerade die klaren Regelungen nicht hilfreich findet: „Ich halte eine Präzisierung unserer Zuständigkeit für bedenkenswert“, sagt Range, der damit meint, dass er gern eine Ausweitung seiner Zuständigkeit hätte. Und am liebsten eine, bei der die Generalbundesanwaltschaft selbst entscheidet, ob sie zuständig ist oder nicht. „Wir brauche mehr Initiativrechte, um in der Lage zu sein, selbst zu prüfen und zu bewerten, ob wir in einem konkreten Fall zuständig sind.“
In Sachen NSU hätte das selbstverständlich nichts geändert, denn hier, erklärt Range in einem auch im weiteren Verlauf bizarren Interview in der FAZ. Bei den NSU-Morden, die damals noch „Döner-Morde“ hießen, hat die Generalbundesanwaltschaft alles geprüft. Und genausowenig Hinweise auf Rechtsterroristen gefunden wie die Staatsanwaltschaften der Länder.
Als die zwei tödlichen Drei ihrem Treiben dann selbst ein Ende machten, half das auch nicht viel. „Wie sehr werden die Ermittlungen dadurch erschwert, dass die beiden Haupttäter tot sind?“, reißt der Fragesteller von der FAZ einen echten Irrwitz. Range aber nimmt den Ball auf: „Wenn wir alle drei mutmaßlichen Terroristen hätten, wäre die Chance ungleich größer, dass irgendwann einer von ihnen redet“, rechnet er korrekt vor. Nun aber „bleibt uns nur Frau Zschäpe. Man kann aber nicht damit rechnen, dass sie aussagen wird“.
Den obersten Fahnder der Republik ficht das nicht an. „Wir werden auch ohne ihr Geständnis auskommen“, sagt er. Müssen, klingt lautlos nach. „Aber werden Sie Frau Zschäpe dennoch eine Tatbeteiligung nachweisen können?“, kommt der FAZ-Mann wieder ins Spiel. Kein Ja. Kein Nein. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, ihr eine Beteiligung an den Morden der NSU nachzuweisen“, sagt Range, ehe er seine größte Pointe abschießt: „Wir haben viele Beweismittel, die belegen, dass sie sehr genau wusste, was in den Köpfen von Mundlos und Böhnhardt vorgegangen ist“.
Beate Zschäpe, die Frau, deren Wissen Spuren hinterlässt. Vielleicht hat sie sich Notizen gemacht? Vielleicht ein Terrortagebuch geführt? „Liebes Tagebuch, der Uwe und der Uwe, die wollen jetzt Morde begehen und ich weiß davon.“ So wird es gewesen sein.
So viele Beweismittel seien das, sagt Range, dass „wir allerdings noch nicht sagen können, ob sie an einem oder mehreren Tatorten war“. Oder an keinem. So viele Beweismittel, so wenige Tatvorwürfe. Derzeit steht da offenbar „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und „besonders schwere Brandstiftung“. Dabei sind „neunzig Prozent der Gegenstände, die wir in der Wohnung in Zwickau, in dem Wohnmobil in Eisenach und bei Durchsuchungen sichergestellt haben, ausgewertet“, wie Range sagt.
Gefunden worden zu sein scheint dabei nichts, abgesehen von den unbestimmten Gedankenspuren. Wenigstens aber reichen die für Schlagzeilen wie im „Handelblatt“: „Nun könnte es eng werden für Beate Zschäpe. Denn die Bundesanwaltschaft ist der Überzeugung, dass die mutmaßliche Neonazi-Terroristin ihre beiden Mitbewohner bei ihren Taten zumindest logistisch unterstützt hat“, heißt es da. Denn merke: Nach deutschem Recht ist ein überzeugter Staatsanwalt viel mehr wert als ein paar Beweise.