Aus derselben Kategorie kommt die Meldung über 2.000 Mark, die der Verfassungsschutz an die untergetauchte Neonazis weiterleiten lassen wollte, um es ihnen zu ermöglichen, "sich Pässe zu beschaffen" (dpa). Allerdings, so der große Chor der Qualitätsmedien, habe das Terror-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich die neuen Papiere dann in Sachsen machen lassen, nicht in Thüringen. Die sächsischen Einwohnermeldeämter aber hatte der thüringische Verfassungsschutz nicht informiert, weshalb die Täter untertauchen konnten.
Ein Plot, der nach Entschlüsselung ruft. 2.000 Mark für drei Pässe? Drei Pässe nicht vom Mafia-Fälscher, nicht aus einem übriggebliebenen RAF-Depot. Sondern vom Einwohnermeldeamt? Ja, ist denn schon Inflation? Letztens kostete ein Pass noch nicht einmal 150 Mark. Und 1999 war das mit knapp 30 Mark noch viel günstiger. Die Geschichte stimmt also hinten und vorn nicht, das stört aber nicht. Denn hier stimmt ja sowieso nichts: „Andere Quellen bestreiten, dass die 2.000 Mark jemals bei Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt ankamen“, schreibt der „Spiegel“. Die "Süddeutschen Zeitung" berichtet von "Verdächtigungen wegen Untreue" in der Nazi-Szene. Die von allen zusammen noch fünf Minuten früher als eherner Block aus miteinander verschworenen Mordgesellen beschrieben worden war.
Während ein Land noch "sehen lernt", wie Tagesspiegel-Experte Frank Jansen aus Ratlosigkeit über die weiteren publizistischen Schritte fantasiert, wird anderen Aktivisten der Aufarbeitung der Affäre klar, dass der Traum vom organisierten Naziterror an gesetzlichen Regeln zu scheitern droht. Allen vorliegenden Informationen zufolge, schreibt die "Morgenpost", könne Beate Zschäpe wohl gar nicht wegen Mordes, Beihilfe zum Mord oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt werden. Es gebe keine Beweise dafür, dass der "braune Feger" (Bild) an Mordaktionen direkt teilnahm. Auch Mitwisserschaft könne ihr nicht nachgewiesen werden, solange sie nicht gestehe, damit dann aber auch keine Beihilfe. Es bliebe die Brandstiftung in der eigenen Wohnung - ein vergleichsweise bescheidener Vorwurf, auch wenn sich daraus problemlos eine bis zu zehn Jahre betragende Freiheitsstrafe ableiten lässt.
Denn ein ganzes Land verlöre mit dem Ausscheiden von Zschäpe aus der Terrorbande sein Schreckgespenst: Eine terroristische Vereinigung, so schreibt es der Gesetzgeber vor, muss mindestens drei Mitglieder haben - Böhnhardt und Mundlos allein reichen nicht.
Notgedrungen richten sich die derzeitigen Ermittlungen der Heuchelmeute auf die wenigen Lichtblicke im braunen Sumpf. Der "deutschsprachige Muslimkreis Karlsruhe" habe auf der mit zehntausend Adressen gefüllten auf NSU-Terrorzielliste gestanden, meldet "Boulevard Baden" erschrocken. Die Polizei habe "Vorläufer des menschenverachtenden Bekennervideos" rekonstruieren können, schreibt das Hamburger Abendblatt. Bilder seien hier mit Musik der aufgelösten Naziband Noie Werte unterlegt worden, deren Sänger heute als Scheidungsanwalt arbeite. Die taz geht einer Spur nach, auf die das bei PPQ veröffentlichte Gründungsprotokoll der NSU weist: "Autoklassiker NSU: Dilemma mit drei Buchstaben - Fahre Prinz und Du bist Nazi?" , heißt es da warnend. Auch die "Zeit" trauert mit "Für Fans war NSU nicht irgendeine Auto- und Rollermarke. Das Kürzel hatte jahrzehntelang einen guten Klang: Bis die Terrorzelle aufflog".
Ein Land schreibt einen Thriller:
NSU:Nun auch auf dem linken Auge blind
NSU: Die Welt ist klein
NSU: Verdacht auf Verjährung
NSU: Weniger hats schwer
NSU: Terrorwochen abgebrochen
NSU: Rechts, wo kein Herz schlägt
NSU: Was steckt dahitler?
NSU: Neue Spuren ins Nichts
NSU: Tanz den Trinitrotoluol
NSU: Der Fall Braun
NSU: Honeckers rechte Rache
NSU: Die Mundart-Mörder
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