die Überschriften geben einen Abriss der Skandale
erschienen bei Deutsche Stimme
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Die Staatsbeteiligung am angeblichen „Rechtsterrorismus“ des ominösen NSU läßt sich nicht länger verheimlichen
Am 23. November 2011 – also kurz nach dem Auffliegen der mutmaßlichen Zwickauer Terrorzelle, die als „Nationalsozialistischer Untergrund“ für eine ganze Serie an Morden und Banküberfällen verantwortlich sein soll – erschien in der „Sächsischen Zeitung“ ein Artikel von Sven Siebert unter der Überschrift „Wollen die Behörden die Nazi-Morde gar nicht aufklären?“. Mit Blick auf die damals schon innerhalb der Bundestagsfraktionen wachsenden Zweifel am Aufklärungswillen insbesondere der Geheimdienste hieß es damals: „Das Mißtrauen richtet sich aber in erster Linie gegen die Landesämter für Verfassungsschutz – vor allem in Sachsen und Thüringen – , die im Fall der Zwickauer Zelle bestenfalls ahnungslos, schlimmstenfalls verschleiernd handelten. ‚Wir sind nicht sicher, ob dort nicht gerade die Reißwölfe heiß laufen‛, heißt es im Bundestag“. Die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag stellte daraufhin im Plenum des Sächsischen Landtages einen Dringlichen Antrag unter dem Titel „Mögliche Aktenvernichtung beim ‚Landesamt für Verfassungsschutz‛ sofort stoppen – Spitze des Geheimdienstes sofort vom Dienst suspendieren – mögliche Beweismittelvernichtung verhindern“, der natürlich – wie alle anderen parlamentarischen Initiativen der NPD auch – abgelehnt wurde und beim Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion Christian Piwarz, der sich wegen solcher „Verschwörungstheorien“ vor Lachen kaum halten konnte, zu heftigem Schenkelklopfen führte.
Eine verheimlichte Geheimdienstaktion
Nach der als „Aktion Konfetti“ bezeichneten Schredderaktion des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ in Köln ist nun selbst den Vertretern der etablierten Parteien das Lachen vergangen und erstmals seit dem „thüringischen Herbst“ des Jahres 2011, der das Auffliegen einer ominösen, angeblich rechtsterroristisch motivierten Zelle mit sich brachte, der zahlreiche Morde und Banküberfälle zugerechnet werden, setzte auch in den etablierten Medien eine massive Berichterstattungswelle über die zahlreichen Ungereimtheiten ein. Im Zuge der „Aktion Konfetti“ vernichtete ein Referatsleiter des Kölner Bundesamtes Akten über die Operation „Rennsteig“, eine gemeinsame Geheimdienstaktion des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ und des Militärischen Abschirmdienstes in den Jahren 1997 bis 2003, bei der es um die Anwerbung von V-Leuten aus dem Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) gegangen sein soll. Bekannt ist heute schon, daß der THS, dem auch die Mitglieder der mutmaßlichen Zwickauer Terrorzelle entstammen, von dem V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Tino Brandt geleitet wurde. Wie durch Medienberichte bekannt wurde, wurden im Zuge der „Operation Rennsteig“ zwischen zehn und zwölf THS-Mitglieder als V-Leute angeworben, die von den Geheimdiensten unter phantasievollen Tarnnamen wie „Treppe“, „Tusche“ oder „Tarif“ geführt wurden. Schon diese Enthüllung ist die offizielle Bestätigung dafür, daß alle Dementis des „Verfassungsschutzes“ zu Spekulationen darüber, daß er in den neunziger Jahren im engsten Umfeld von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe agiert habe, das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Dabei sollten doch gerade diese Gerüchte durch eine vom Erfurter Innenministerium eingesetzte unabhängige Untersuchungskommission um Ex-Bundesrichter Gerhard Schäfer entkräftet werden – nun stellt sich heraus, daß dieser offenbar nie über die „Operation Rennsteig“ informiert wurde, denn in seinem Abschlußbericht, dem sogenannten Schäfer-Gutachten, finden sich keine Hinweise auf ebendiese Geheimdienstoperation.
Pannen über Pannen?
Am 27. Juni 2012 platzte dann die Bombe: Die Nachrichtenagentur dapd berichtete über die Löschung von Akten zur „Operation Rennsteig“ im Kölner „Bundesamt für Verfassungsschutz“ – insgesamt sieben Akten wurden vom Leiter des Referats „Forschung und Werbung“ am 11. November 2011 geschreddert; just an jenem Tag, an dem der Generalbundesanwalt den Fall der mutmaßlichen Zwickauer Terrorzelle an sich zog. Es kam aber noch doller: Jener Beamte aus dem besonders sensiblen und für die Gewinnung von V-Leuten zuständigem Referat „Beschaffung“ verlegte seine Schredderaktion in den Januar 2011 vor und belog seine Vorgesetzten monatelang, bis im Zuge der Vorbereitung auf die Zeugenvernehmung des VS-Präsidenten Heinz Fromm vor dem Berliner NSU-Untersuchungsausschuß die Protokolle der Vernichtungsaktion geprüft werden und das Lügengebäude des Referatsleiters in sich zusammenfällt. „Jede Verschwörungstheorie hört sich plausibler an als alle möglichen Theorien, die uns von einem schusseligen Einzeltäter im Amt erzählen wollen“ kommentiert Christian Geyer am 30. Juni 2012 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Lage kann nur kurzfristig durch den Rücktritt des VS-Präsidenten Heinz Fromm und die Meldung über eine angebliche Nicht-Zusammenarbeit von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe mit dem Bundes-VS beruhigt werden – letzteres soll aus ungeschwärzten und „rekonstruierten“ (wie soll das funktionieren bei vorheriger Schredderung?) Akten des Bundesamtes zur „Operation Rennsteig“ hervorgehen, die dem Ausschuß vorgelegt wurden. Die Euphorie darüber hält bei etablierten Medien und Politikern – das Netzportal „Endstation Rechts“ lädt am 5. Juli einen Artikel mit der triumphierenden Überschrift „NSU-Mörderbande keine Verfassungsschutzspitzel“ hoch, so als ob der Fall nun geklärt sei und es nie Widersprüche gegeben habe – nur kurz an, bis am Abend des 5. Juli ein merkwürdiger Anwerbeversuch des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ bekannt wird, der aus den dem Untersuchungsausschuß vorgelegten Akten hervorgeht. Anfang 1997 hatte es eine Kontaktaufnahme mit einem weiblichen THS-Mitglied gegeben, das Katzenliebhaberin war und eine enge Beziehung zu seiner Großmutter hatte. Noch ein Zufall mehr? Angesichts der Dichte der Indizien, die für eine massive Geheimdienstverstrickung in die Zwickauer Zelle sprechen, ist es grob verharmlosend, immer noch – wie es die meisten etablierten Politiker und Medien tun – von „Zufällen“ und „Pannen“ zu sprechen, die in der Gesamtschau schon längst ein Muster der Vertuschung ergeben und in jedem Prozeß für eine Verurteilung auf Grund von Indizien ausreichen würden.
Der ungeklärte Mord von Kassel
Nach der Aussage des Leitenden Kriminaldirektors beim Polizeipräsidium Nordhessen, Gerald Hoffmann, vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuß, daß er bei seinen Ermittlungen nach dem Mord an Halit Yozgat, dem türkischen Betreiber eines Kasseler Internetcafés, von den Behörden behindert worden sei, ist auch der „Fall Temme“ wieder in die Schlagzeilen zurückgekehrt. Der Mitarbeiter des hessischen „Landesamtes für Verfassungsschutz“, Andreas Temme, galt nach dem Kassel-Mord eine Zeitlang als Beschuldigter, da er bei dem Mord in Kassel im Internetcafé anwesend war und sich als einziger Zeuge nicht freiwillig bei der Polizei meldete. Ermittler können sich zwar nach wie vor nicht erklären, warum Temme weder den Schuß in dem winzigen Internetcafé gehört noch Yozgats Leiche hinter dem Tresen – trotz einer Körpergröße von fast zwei Metern – gesehen haben will und auch die Blutlachen auf dem Tresen nicht bemerkte, dennoch behinderte das Landesamt trotz dieser massiven Indizien die Ermittlungen gegen den eigenen Beamten, wo man das nur konnte. Der Polizei wurden nicht nur diverse Akten über Temme selbst verweigert, das damals vom heutigen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier geleitete hessische Innenministerium weigerte sich auch, eine Genehmigung für die Vernehmung eines von Temme geführten V-Mannes auszustellen, der sich im Umfeld der Skinheadbewegung „Blood & Honour“ bewegte und mit dem Temme kurz vor und nach dem Mord ein längeres Telefonat führte. Mittlerweile fragt selbst Stefan Aust, langjähriger Spiegel-Chefredakteur und seit dem Erscheinen seines hochgelobten Buches „Der Baader-Meinhof-Komplex“ der wohl bekannteste deutsche Terrorismusforscher, in einem Artikel, der am 5. Juli 2012 in der Wochenzeitung „Zeit“ erschien: „Hat ein hessischer Verfassungsschützer einen der NSU-Morde begangen?“. Temme und Bouffier werden wohl im September dieses Jahres vor den NSU-Untersuchungsauschuß des Bundestages geladen, und dort sicher wieder über eine unerklärliche Häufung unglaublichster Zufälle und völlig unerklärlicher „Pannen“ sinnieren. Jeder Bürger, der noch selbst denkt, wird sich seinen eigenen Reim auf die Sache machen. In einem Kommentar unter der Überschrift „Auflösungserscheinung der demokratischen Ordnung“ schrieb Günther Lachmann am 3. Juli 2012 in der Zeitung „Die Welt“: „Ausgerechnet an jenem Tag, an dem der Generalbundesanwalt die Ermittlungen gegen die Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) übernahm, schredderten Verfassungsschützer gleich bändeweise Akten von V-Leuten, die für den Geheimdienst in der Szene operierten. Wenn der Inlandsgeheimdienst tatsächlich in den mörderischen Terror der Rechtsextremisten verstrickt sein sollte, dann ist vom Rechtsstaat, der eigentlich die Freiheit seiner Bürger und die Demokratie schützen sollte, nicht mehr viel übrig. Und dann sind da noch die Abstimmungen über den Fiskalpakt und den ESM in Bundestag und Bundesrat. Es ist schlicht unfassbar, warum Parlamentarier und Vertreter der Länder so etwas mitmachen. Denn als sie die Abstimmungsunterlagen am 29. März das erste Mal berieten, fehlte darin glatt der komplette Teil über die Beteiligungsrechte des Bundestages! An der betreffenden Stelle fand sich nur eine Klammer mit Pünktchen…Jeder der geschilderten Fälle für sich genommen zeigt bereits gravierende Schwächen im demokratischen System auf. Durch ihr zeitgleiches Auftreten können sie bereits als Auflösungserscheinungen der demokratischen Ordnung interpretiert werden.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Arne Schimmer, Mitglied des Untersuchungsausschusses zur mutmaßlichen Zwickauer Terrorzelle im Sächsischen Landtag
Quelle: Deutsche Stimme