Man könnte annehmen, dass in der Welt derzeit nichts Schlimmeres passiert, als die Bespitzelung von Bundeskanzlerin Merkel durch unsere Freunde vom US-Geheimdienst. Wenn es denn so wäre, hätte ich kein Problem damit – schließlich sagen IT-Experten wie Hartmut Pohl von der Gesellschaft für Informatik, dass alle Menschen in diesem schönen Lande überwacht werden und wiederholt auf Nachfrage des Redakteurs im Deutschlandfunk noch einmal: „Ich gehe davon aus, dass alle Deutschen vollständig abgehört werden.“
Das ist irgendwie auch wieder beruhigend – es trifft also jeden. Total gerecht, eigentlich. Da muss sich niemand echauffieren, dass er oder sie zu unbedeutend seien. Im Zweifelsfall darf jede und jeder einen Beitrag leisten. Allerdings dürfte es für die Geheimdienstler ziemlich langweilig sein, mein Handy abzuhören, da erfahren sie höchstens, dass meine Kinder mich ab und zu bitten, auf dem Rückweg vom Büro doch eine Milch mitzubringen oder zweimal China-Pfanne mit extra Zwiebeln. Oder dass ich mal wieder später ins Büro komme, weil wieder eine S-Bahn ausfällt. Bei der Merkel ist es gewiss etwas spannender, denn die hat im Gegensatz zu mir ja was zu entscheiden in diesem Land. Ist doch klar, wen ich abhören würde, wenn ich als Geheimdienst wissen wöllte, was in Deutschland los ist. Nicht Hinz und Kunz, sondern die Regierung. Und am besten gleich die Regierungen in ganz Europa – und so wurde es ja offenbar auch gemacht.
Da hab ich gar kein Mitleid – davon mal abgesehen, dass ich mich nicht an irgendwelche Protest-Noten erinnern kann, die unsere Regierung bei den Amis eingereicht hätte, nachdem durch die Veröffentlichungen von Edward Snowden klar wurde, dass die Amis so ziemlich jeden überwachen – außer US-Bürger von den USA aus, da gibt es erstaunlicherweise ein Gesetz, welches das verbietet. Aber der Rest der Weltbevölkerung ist derartigen Maßnahmen ausgesetzt. Hatte die Merkel ein etwa Problem damit? Nein – die hat so getan, als ginge es sie dieses ganze NSA-Gedöns überhaupt nichts an! Und dabei könnte gerade Angela Merkel mit Tränen in den Augen dazu aufrufen, gerade ihr nicht mit derartigen Stasi-Methoden zu kommen, wo sie doch schon 1989 dabei geholfen hat, den bösen Stasi-Staat zu überwinden! Obs nun wahr ist oder nicht. Der Gauck tut ja auch gern so, als hätte er persönlich die Freiheit in die Ostzone gebracht und war doch wie Merkel nur ein priviligierter Mitläufer, vorher wie nachher. Geschenkt. Die Stasi jedenfalls dürfte vor Neid im Grab rotieren, angesichts der unglaublichen Möglichkeiten, die der Klassenfeind für seinen Überwachungsapparat heute hat.