Dann entlässt er mich wieder aus seinen Armen, streicht mir ein letztes Mal über die Wange und gibt meinen Blick frei. Ich entdecke, dass ich auf einer kargen Ebene stehe, die, indem sich der Nebel zurückzieht, immer weiter wird. Nun reicht die öde Fläche bis zum flachen Horizont, und ich bin der einzige, der sie bewohnt. Aufrecht stehe ich zwischen Himmel und Erde, drehe mich um mich selbst in der Hoffnung, doch noch ein Lebenszeichen zu entdecken, das mein Alleinsein mildert. Doch da ist nichts, nur leere Weite. Bald schon sehne ich mich nach Krähenschrei und Tannenduft, nach Menschenwort und Tiergeruch. Wohin ich auch blicke, ist Einsamkeit und Ödnis. Die Verzweiflung wirft mich zu Boden, und ich berge das Gesicht in meinen Händen.
Wie ich die Augen schliesse, geschieht das grosse Wunder. Zunächst zeigt sich dem Blick in mein Inneres dieselbe weite Leere, die mich auch draussen umgibt. Doch dann tauchen am Horizont Gestalten auf, die schnell näherkommen. Schon erkenne ich die ersten Gesichter. Es sind Freunde, Bekannte und auch Widersacher, Gestalten der Erinnerung, Kinder, Frauen und Männer. Auch meine Mutter ist dabei. Sie umringen und begrüssen mich freudig. Es werden immer mehr, bis ich inmitten einer grossen Menge fröhlicher Menschen stehe, alle irgendwie mit mir bekannt, alle sich auf mich beziehend.
Ich bin getragen von Zuneigung und Menschenherzenswärme, solange ich in mein Inneres blicke. Doch wehe mir, wenn ich die Augen öffne und um mich schaue im Novembernebelland.
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