Um das Leben auszuhalten, muss man bisweilen darüber schreiben. Wenn auch nur, um sich darüber aufzuregen.
Da ich für das Schöne in diesem Sommer kaum die richtigen Worte finde, nehme ich die für das Schlechte in der Eile.
Ich habe ein überaus schlechtes Buch gelesen. "Septemberlicht" von Petra Urban. Petra Urban hat einen Doktortitel in Germanistik, wie sie selbst humorvoll-selbstironisch, in Wahrheit aber nicht frei vom Stolz des missverstandenen Genies in ihrer Autobiografie , angibt, als Kompensation des kindlichen Traumas, ihre Gedichte und Theaterstücke nicht auf der Straße verkaufen zu können. Dies genügte aber nicht; die Dringlichkeit, die ich keinem Menschen verwehren möchte, gab ihr ein, sie müsse einen Roman schreiben. Und dann noch einen. Und dann kam "Septemberlicht". Literatur und Psychoanalyse zu verbinden, das ist Urbans. großes Ding. Handelte bereits ihre Doktorarbeit von einem "psychoanalytischem Versuch über Wagners "Tristan und Isolde" versuchte sie sich nun an der Analyse einer geschiedenen Frau mit Essstörung. Die Ursachen werden in einfacher Komposition beschrieben: Scheidung vom Ehemann, Freundschaft mit schöner Nachbarin. So weit, so o.k. Aber wäre es nötig gewesen, die Protagonistin derart bloßzustellen, in dem sie durch nichts anderes als hausbackene Naivität charakterisiert wird, wohingegen ihre schönere Nachbarin die ebenso blasse Rolle der vergnügten Verführerin auf den Leib geschrieben bekommt? Das "Künstlermillieu" in dem der Roman angesiedelt ist, wirkt schon in der Beschreibung allein spießig genug. Müsste es da noch nötig sein, die klischeehafteste Übertölpelung, Protagonistin hat Sex mit dem verführerischen Schwätzer, glaubt ihm unauthentisch-schmalzigen Mist, und ist achsoerstaunt, dass er nie anruft, zu toppen, in dem man sich darüber erschreckt, dass der Mistkerl auch noch bisexuell ist?
Das Symbol,mit dem in der ungenannten Heimstadt des Romans Künstlerhäuser gekennzeichnet sind, ist eine Banane. Verstecktes Symbol patriarchalischer Strukturen durch ein Phallussymbol oder doch endlich eine Spur von Humor, der diesem Buch erschreckend vollständig abhanden kommt?
Der Klappentext behauptet, es handle sich bei "Septemberlicht" um einen psychologischen Roman über das Annehmen eigener Schwächen, und den Mut, sich zu verändern. Leider ist die Protagonistin alles andere als eine mutige Frauenfigur, denn der Autorin misslingt es, den Weg ihrer Veränderung nachvollziehbar zu gestalten, sondern steckt sie, anstatt sie mit einem glaubwürdigen Innenleben auszustatten, stattdessen in bunte "Zigeuner"kleider und lässt sie nach einem Rückfall, nachdem sie in der Klinik landet, wieder glücklich sein, sich selbst umarmen und den Duft der Blüten riechen.
Selten hat mich ein Buch so wütend gemacht. Der Fischerverlag gab es in der Reihe "Frau in der Gesellschaft" heraus, und neben der Wut kommt die große Traurigkeit, die "Gesellschaft" füttere sich ohnehin mit einem derartigen Frauen- und Menschenbild: Abhängig, Voreingenommen, Leblos.
Petra Urban sei also zur Verteidigung zu sagen: Um das Leben auszuhalten, muss man bisweilen darüber schreiben. Aber lesen muss man das, was dabei herauskommt, vielleicht wirklich nicht.
"Um der Kurzlebigkeit von Büchern auf dem Buchmarkt etwas entgegenzusetzen" bietet Petra Urban ihren Roman als pdf zum Herunterladen an. Das lasse ich einmal so stehen und verspüre Mitleid.
Derartiges blieb mir eine Weile lang erspart, ich lies Juli Zehs "Corpus Delicti" gleich im Anschluss und hatte meinen Frieden wiedergefunden. Man kann auch, weil das Leben so schwer zu ertragen ist, kritisch darüber schreiben, seine Fantasie bewahren und die Liebe zum echten Menschen nicht in eitler Klischeepoesie ersticken.
Kultur ist doch zum Aufleben da, wenn die Blätter sich braun färben, und es früher dunkelt und man die Wege nach Kreuzberg auf sich nimmt, um die allmonatlich stattfindende Flittchenbar zu besuchen. Thema: Novemberdepression. Mit ihrer "melancholischen Hypochondrie" erklärt Gastgeberin Christiane Rösinger den Titel der Veranstaltung musikalisch und ich bin soweit zufrieden. Selbst Peers monoton albernen Kanon, zu dem er das Publikum auffordert, kann ich noch mit einem Lächeln ertragen, bevor mir "Die Heiterkeit" die erste Herbstmüdigkeit entlocken. Zunächst begeistert von der tiefen, monotonen, und eine irgendwie resigniert postpunkige Coolness ausstrahlenden Stimme der Sängerin bin ich schnell enttäuscht, da jegliche Form von Songwriting und Kreativität bei der Freude über das Schreiben monotoner Texte und Melodien abhanden gekommen zu sein scheint. Wirklich schade, denn was bräuchte ich dringender als eine neue Lieblingsband, die mir den Stumpsinn und das Aufbegehern dagegen so klug in Kopf und Herz befördern würden, wie es Tocotronic schafften, als ich 15 war und "Der schönste Tag in meinem Leben" zum ersten Mal hörte. Nur in 23 jetzt eben. Ich lernte die Heiterkeit durch eine Modestrecke in Missy kennen und hoffe, dass dieser Eindruck nicht bleibt.
Am Ende ist die U12 noch das größte Erfreunis, nachdem zuvor beim traditionellen Quiz, bei dem sich die Gewinner mit Namen und Bezirk vorzustellen haben, mein Wahlbezirk Charlottenburg von Friedrichshainern und Kreuzbergern gedisst wurde, die wohl nur neidisch sind, weil ich weniger Miete zahle und in der Nähe der Ingeborg Bachmann Bibliothek wohne. Sie bringt mich in 20 Minuten nach Haus, die ich mir mit dem Lesen von Mascha Kaléko Gedichten vetreibe. Betrunkenes Bildungsbürgertum eben.
Da ich für das Schöne in diesem Sommer kaum die richtigen Worte finde, nehme ich die für das Schlechte in der Eile.
Ich habe ein überaus schlechtes Buch gelesen. "Septemberlicht" von Petra Urban. Petra Urban hat einen Doktortitel in Germanistik, wie sie selbst humorvoll-selbstironisch, in Wahrheit aber nicht frei vom Stolz des missverstandenen Genies in ihrer Autobiografie , angibt, als Kompensation des kindlichen Traumas, ihre Gedichte und Theaterstücke nicht auf der Straße verkaufen zu können. Dies genügte aber nicht; die Dringlichkeit, die ich keinem Menschen verwehren möchte, gab ihr ein, sie müsse einen Roman schreiben. Und dann noch einen. Und dann kam "Septemberlicht". Literatur und Psychoanalyse zu verbinden, das ist Urbans. großes Ding. Handelte bereits ihre Doktorarbeit von einem "psychoanalytischem Versuch über Wagners "Tristan und Isolde" versuchte sie sich nun an der Analyse einer geschiedenen Frau mit Essstörung. Die Ursachen werden in einfacher Komposition beschrieben: Scheidung vom Ehemann, Freundschaft mit schöner Nachbarin. So weit, so o.k. Aber wäre es nötig gewesen, die Protagonistin derart bloßzustellen, in dem sie durch nichts anderes als hausbackene Naivität charakterisiert wird, wohingegen ihre schönere Nachbarin die ebenso blasse Rolle der vergnügten Verführerin auf den Leib geschrieben bekommt? Das "Künstlermillieu" in dem der Roman angesiedelt ist, wirkt schon in der Beschreibung allein spießig genug. Müsste es da noch nötig sein, die klischeehafteste Übertölpelung, Protagonistin hat Sex mit dem verführerischen Schwätzer, glaubt ihm unauthentisch-schmalzigen Mist, und ist achsoerstaunt, dass er nie anruft, zu toppen, in dem man sich darüber erschreckt, dass der Mistkerl auch noch bisexuell ist?
Das Symbol,mit dem in der ungenannten Heimstadt des Romans Künstlerhäuser gekennzeichnet sind, ist eine Banane. Verstecktes Symbol patriarchalischer Strukturen durch ein Phallussymbol oder doch endlich eine Spur von Humor, der diesem Buch erschreckend vollständig abhanden kommt?
Der Klappentext behauptet, es handle sich bei "Septemberlicht" um einen psychologischen Roman über das Annehmen eigener Schwächen, und den Mut, sich zu verändern. Leider ist die Protagonistin alles andere als eine mutige Frauenfigur, denn der Autorin misslingt es, den Weg ihrer Veränderung nachvollziehbar zu gestalten, sondern steckt sie, anstatt sie mit einem glaubwürdigen Innenleben auszustatten, stattdessen in bunte "Zigeuner"kleider und lässt sie nach einem Rückfall, nachdem sie in der Klinik landet, wieder glücklich sein, sich selbst umarmen und den Duft der Blüten riechen.
Selten hat mich ein Buch so wütend gemacht. Der Fischerverlag gab es in der Reihe "Frau in der Gesellschaft" heraus, und neben der Wut kommt die große Traurigkeit, die "Gesellschaft" füttere sich ohnehin mit einem derartigen Frauen- und Menschenbild: Abhängig, Voreingenommen, Leblos.
Petra Urban sei also zur Verteidigung zu sagen: Um das Leben auszuhalten, muss man bisweilen darüber schreiben. Aber lesen muss man das, was dabei herauskommt, vielleicht wirklich nicht.
"Um der Kurzlebigkeit von Büchern auf dem Buchmarkt etwas entgegenzusetzen" bietet Petra Urban ihren Roman als pdf zum Herunterladen an. Das lasse ich einmal so stehen und verspüre Mitleid.
Derartiges blieb mir eine Weile lang erspart, ich lies Juli Zehs "Corpus Delicti" gleich im Anschluss und hatte meinen Frieden wiedergefunden. Man kann auch, weil das Leben so schwer zu ertragen ist, kritisch darüber schreiben, seine Fantasie bewahren und die Liebe zum echten Menschen nicht in eitler Klischeepoesie ersticken.
Kultur ist doch zum Aufleben da, wenn die Blätter sich braun färben, und es früher dunkelt und man die Wege nach Kreuzberg auf sich nimmt, um die allmonatlich stattfindende Flittchenbar zu besuchen. Thema: Novemberdepression. Mit ihrer "melancholischen Hypochondrie" erklärt Gastgeberin Christiane Rösinger den Titel der Veranstaltung musikalisch und ich bin soweit zufrieden. Selbst Peers monoton albernen Kanon, zu dem er das Publikum auffordert, kann ich noch mit einem Lächeln ertragen, bevor mir "Die Heiterkeit" die erste Herbstmüdigkeit entlocken. Zunächst begeistert von der tiefen, monotonen, und eine irgendwie resigniert postpunkige Coolness ausstrahlenden Stimme der Sängerin bin ich schnell enttäuscht, da jegliche Form von Songwriting und Kreativität bei der Freude über das Schreiben monotoner Texte und Melodien abhanden gekommen zu sein scheint. Wirklich schade, denn was bräuchte ich dringender als eine neue Lieblingsband, die mir den Stumpsinn und das Aufbegehern dagegen so klug in Kopf und Herz befördern würden, wie es Tocotronic schafften, als ich 15 war und "Der schönste Tag in meinem Leben" zum ersten Mal hörte. Nur in 23 jetzt eben. Ich lernte die Heiterkeit durch eine Modestrecke in Missy kennen und hoffe, dass dieser Eindruck nicht bleibt.
Am Ende ist die U12 noch das größte Erfreunis, nachdem zuvor beim traditionellen Quiz, bei dem sich die Gewinner mit Namen und Bezirk vorzustellen haben, mein Wahlbezirk Charlottenburg von Friedrichshainern und Kreuzbergern gedisst wurde, die wohl nur neidisch sind, weil ich weniger Miete zahle und in der Nähe der Ingeborg Bachmann Bibliothek wohne. Sie bringt mich in 20 Minuten nach Haus, die ich mir mit dem Lesen von Mascha Kaléko Gedichten vetreibe. Betrunkenes Bildungsbürgertum eben.