Die vier Teenies wollen in den 1960er Jahren groß rauskommen. Ganz wie die Rolling Stones.
Eigentlich geht es gar nicht so sehr um ihn. Aber wenn der jüngst verstorbene Schauspieler James Gandolfini noch nach seinem Tode in einem Film auftaucht, der ausgerechnet den Titel Not Fade Away trägt, erscheint es unweigerlich wie eine Erscheinung in Memoriam an den langjährigen Tony Soprano. Auf dem kleinen Fernsehbildschirm schien sich Gandolfini ganz groß in Szene setzen zu können, auf der großen Leinwand nicht minder, doch dort waren es wiederum eher kleine Rollen, die durch ihn an Größe gewinnen konnten (Killing Them Softly, Zero Dark Thirty).
In Not Fade Away spielt er zwar auch nur den Vater der Hauptfigur Douglas, hinterlässt jedoch einen starken Eindruck als Herr des Hauses, der an einem bestimmten Punkt seine Vorbildfunktion an den für ihn gescheiterten Sohn abtreten muss, da er selbst von einer Krankheit zerfressen wird. Douglas, vom Außenseiter bis zum hochnäsigen Fatzken von John Magaro gespielt, verliert sich in einer Generation, die dem Krieg entsagt und lieber den Rock ‘n‘ Roll der Beatles und Rolling Stones anhimmelt. Hierfür wendet er sich von der schulischen Bildung ab, da alle Zeit der Welt benötigt wird, um die eigene Band in schwärmerische Stargefilde zu befördern. Proben, Proben und nochmals Proben sollen ein Leben voller Träume bestimmen. Immerhin hat Douglas eine gute Stimme, so dass er schon bald die Ablöse des eigentlichen Frontmanns Eugene (Jack Huston) der Freundes-Band übernehmen kann. Dieser ist nun der erste ersichtliche Leidtragende, der voller Eifersüchteleien dagegen ankämpft, mit seiner Rolle als verstoßener Frontmann am Rande der Band zu bestehen, nicht in Vergessenheit zu geraten, wo er zuvor doch noch als der Star angehimmelt wurde.
James Gandolfini in “Not Fade Away”
Gar nicht so einfach, wendet sich dann doch auch noch Grace von ihm ab, die ihn zuvor noch umschwärmte, sich aber nun Douglas zuwendet. Bella Heathcote, schon in Killing Them Softly unerwähnt an der Seite Gandolfinis zu sehen, spielt diese Grace wunderbar grazil. Niemals erscheint sie berechnend, bleibt bis zum Ende aber doch immer demjenigen treu, der den größten Erfolg zu verbuchen hat. Auch sie möchte als Frau an der Seite eines Stars nicht dahin faden, im Rampenlicht eines Jemands baden, nicht mit einem Niemand ihre Zeit vertrödeln. Dennoch fließen Tränen, Eifersüchteleien erscheinen wie tiefe Stiche ins Herz. Man weiß nicht so recht, ob diese Grace bewusst die Entscheidungen trifft, oder ob sich ihre Seele ganz unbewusst an den zermürbenden musikalischen Erfolgswunsch ihrer Generation klammert. An der Seite von Douglas erlebt sie dessen Kampf hautnah mit. Er badet sich nicht nur in seiner neugefundenen Rolle, sondern muss sich auch in ihr behaupten. Von der unscheinbaren Randerscheinung landet er inmitten des Rampenlichts, beschreitet einen gänzlich neuen Weg, als er ursprünglich für ihn vorgesehen war. Nicht nur die Blicke der Bandkollegen lasten auf ihm. Sondern auch der Druck, den Ruhm um seine Person aufrecht zu erhalten, um der Freundin zu entsprechen und eben die bittere Auseinandersetzung mit einem willensstarken James Gandolfini, der den zwar liebevollen aber auch der Sorge verpflichteten Strenge eines Vaters Leben einhaucht. Er ist natürlich auch nur besorgt, keine wichtige Rolle mehr im Leben seines Sohnes zu spielen, der in der Musik eine ganz andere Form des Lebens gefunden hat, sich nicht mehr an den Ratschlägen des Vaters orientieren will. Die Krankheit die zum Tode führt, was der Film nicht zeigt, bleibt nur als Symbolik im Raume stehen, dass dieser starke Mensch tatsächlich bald nicht mehr sein wird. Er hat dem dahin faden nichts mehr entgegen zu setzen.
John Magaro beweist als Douglas seine Gesangskünste
Regisseur David Chase, bisher dem Fernsehen verschrieben, war für die Existenz der Sopranos verantwortlich, führte nun ausgerechnet mit Not Fade Away sein Spielfilmdebüt durch. Gelungen ist das allemal, fängt er doch ein ziellos treibendes Gefühl ein, das sich irgendwo zwischen der Faszination für eine Musikkultur und der Sucht nach einem ruhmreichen Leben verliert. Damit einher gehen die vielen Neider, Betrügereien und der Egoismus, die dieses Business umschwirren. So selbstzerstörerisch kann diese Welt sein, dass in Not Fade Away am Ende kunstvoll die Frage danach gestellt wird, ob nicht auch der Rock ‘n‘ Roll eine negative Wirkung entfalten kann, wie die Atombombe, die in den 1960er Jahren für die Jugendbewegung ebenso präsent war.
Not Fade Away führt die Ruhmsucht einer frühen Generation vor, kann sich damit mit Sofia Coppolas Beitrag The Bling Ring identifizieren lassen, der dies auf den modernen Starrummel überträgt. Einmal heißt es jedoch im Film „Like most bands, you’ve never heard of them.“, womit nun eben Douglas und seine Freunde gemeint sind, die schlicht nicht das nötige Talent haben, nicht die nötige Durchhaltekraft, um es wirklich in dieser Welt zu etwas zu bringen. Man kann sich auch wieder auf kleine Dinge konzentrieren, wird damit vermutlich am Ende weitaus glücklicher aus dem Leben faden. So wie James Gandolfini, hier wieder in dieser kleinen Leinwandrolle, mit seinem minimalistischen Spiel, mit den kleinen nuancierten Gesten und Mimiken. Er ist nicht mehr da. Aber niemand kann sagen, „you’ve never heard of him“.
“Not Fade Away“
Originaltitel: Not Fade Away
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 113 Minuten
Regie: David Chase
Darsteller: John Magaro, Jack Huston, Will Brill, Dominique McElligott, James Gandolfini, Bella Heathcote
Kinostart: 26. September 2013
Im Netz: paramountpictures.de