Der geständige Täter, kaltblütiger Mörder von 90 Menschen, wird als „gläubiger Christ“ bezeichnet. Seine Tat hat ganz offensichtlich nichts mit dem zu tun, wie Jesus seine Jünger handeln haben möchte. Wir haben es also mit einer abrgrundtiefen Diskrepanz zwischen Lehrinhalt einerseits und Handlung anderseits zu tun. Das ist natürlich gefundenes Fressen für all jene, die im christlichen Glauben sowieso etwas Schädliches sehen, die gerne von „ekklesiogener Neurose“ sprechen und rasch darauf hinweisen, dass in fundamentalistischen Kreisen – auch christlichen – Missbrauch betrieben wird. „Da sieht man’s mal wieder, wie abscheulich diese Leute im Grunde sind, wie heuchlerisch. Religion gehört abgeschafft!“
Nun, diese Tat ist in der Tat abscheulich und kann durch nichts gerechtfertigt werden. Aber diese Art von Argumentation ist dennoch ein Trugschluss:
- Niemand weiss, wie der Täter wäre, wenn er nicht in den Einflussbereich der Kirche gekommen wäre. Nur weil einer im Kreise der Kirche in die Irre geht, kann man doch nicht die ganze Institution abschreiben – auch wenn dieser eine durch ein falsches (!) Verständnis ihrer Lehrinhalte vielleicht zusätzlich fehlgeleitet wurde. In jeder Organisation gibt es Menschen, die auf Irrwege kommen.
- Niemand weiss, welchen anderen, u.U. noch prägenderen Einflüssen, er ausgesetzt war. Man kann seine Fehlprägung nicht automatisch und nicht grundsätzlich seinem Glauben zuschreiben.
- Es gilt zu bedenken: Die Gemeinde ist ein Ort für Randständige, für Gescheiterte, für solche, die ihr Leben nicht selber im Griff haben. Jesus selber sagt, er sei als Arzt für die Kranken gekommen. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, wenn man in der Gemeinde überdurchschnittlich viele Menschen antrifft, die krank sind – eben solche, die einen Arzt nötig haben und sich dessen vielleicht schneller bewusst werden, als die Starken. Das liegt in der Natur der Sache und spricht eher für als gegen die Gemeinde. Es ist natürlich zu hoffen, dass ihnen die Gemeinde gut tut und sie in ihrem Einflussbereich heilend und hilfreich geprägt werden (s. den ersten Punkt).
Also, bitte keine schnellen Aburteilungen.