North Bend - Seaside: Motel-Tour

Von Monikaloder

Einesfrühen Samstag Morgens guckten wir aus dem Fenster von Steves Haus undüberlegten uns, ob wir wohl weiterfahren oder wieder den Schwanz einziehen sollten.Der Wetterbericht war bekanntlich obermies, der Freitag war aber um so vielesbesser als erwartet gewesen, dass wir nun nicht recht wussten, was wirglauben/hoffen/erwarten sollten. Sonderlich interessant war North Bend abernicht und nach drei Tagen rumhängen fiel uns schon fast die Decke auf den Kopf.Es gelang uns schliesslich, uns einen Tritt in den Hintern zu geben, in dieKälte hinauszugehen und die Velos zu bepacken. Das Wetter war gar nicht soschlecht, etwas Sonne, einige Wölklis, insgesamt also eigentlich ganz nett. Sohatte es aber schon tags zuvor am Morgen ausgesehen, am Nachmittag war dannaber doch noch die Sintflut hereingebrochen. Die Chancen standen gut, dass demwieder so sein würde. Aber ok, wir wollten es riskieren, ganz einfach um derlangweiligen Rumhängerei zu entfliehen.

North Bend in freundlichem Wetter.


Der Tagbegann mit einer kurzen, steilen Bajada, dann zurück auf den HWY 101 und immerschön nordwärts. Nicht schwierig. Auch das Gelände war nicht weiteranspruchsvoll, es ging immer mal leicht auf und ab, meist durch Wald, wie soüblich in Oregon. Es dauerte gerade mal knappe eineinhalb Stunden bis es daserste Mal regnete. Martina war etwas pessimistisch und meinte, das sei es nunwohl gewesen mit dem Sonnenschein. Der stete Wechsel zwischen Sonne, Regen undzwischendurch mal kurz Hagel dominierte aber den Tag und insgesamt kam dieSonne nicht zu kurz. Eher unerfreut waren wir aber, als wir am Nachmittag anunserem Ziel-State Park, dem J. Honeyman SP, ankamen und feststellen mussten,dass der Park geschlossen war. Es hatte innert recht kurzer Zeit extrem vielgeregnet und den Boden total aufgeweicht. Der darauffolgende Sturm hatte Bäumeumgeschmissen, die ihrerseits wiederum Strohmleitungen gekappt hatten.Anscheinend standen auch noch einige wackelige Bäume, die problemlos allfälligeZelte hätten plätten können, und ausserdem waren die Ranger damit beschäftigt,gestürzte Bäume wegzuräumen. Wie mussten also weiter. Das war natürlich blöd,da wildes campen auch nicht wirklich in Frage kam, wo schon? Das Land hierbesteht aus dichtem Wald, ebenso dichtem Gebüsch und sumpfigen Wiesen. Sofuhren wir weiter nach Florence und hofften, im dortigen Visitor Center einenguten Rat zu bekommen. Das war aber geschlossen, Samstag Nachmittag eben. Bliebein Motel, und das obwohl das Wetter eigentlich durchaus zum zelten getaugthätte (76,21 km in 4:21 Stunden).Immerhinregnete es in der Nacht und am Morgen nochmals ziemlich, so dass sich das Motelwenigstens halbwegs gelohnt hatte. Ein weiteres Problem hätten wir beim Campennämlich gehabt: der Reissverschluss von Martinas Zelt ist daran, den Geistaufzugeben, und wenn es regnet, dann bitteschön mit einer Zelttür, die manrichtig verschliessen kann. Die Tür unseres Zimmers kannte solche Problemenatürlich nicht und so waren wir schön warm und trocken geblieben. Draussen wares aber ganz schön kalt und ungemütlich, das einzige Positive an diesem frühenSonntag Morgen war, dass es kaum Verkehr hatte. Landschaftsässig war der Tagsehr ähnlich wie der Vorhergehende, wettermässig aber noch viel actionreicher.Konkret heisst das, dass ab und zu mal die Sonne kurz schien, dazwischen abermassive Hagelfronten durchzogen, die z.T. so stark waren, dass wir inoffene Garagen von Häusern flohen und das Ende abwarten mussten. Hagel im Gesichtbeim Velo fahrnen tut nämlich weh.

Total verhagelt.


An diesemVormittag fanden wir keine Kaffeemaschine und mussten uns mit der läppischenVeranda eines unbenutzten Hotelszufriedengeben. Als wir so gemütlich frierend dasassen und unsere Sachen assen,flitzte plötzlich ein Ciclista mit Anhänger vorbei. D.h. als er uns sah, stoppteer kurz, schwatzte ein paar Worte mit uns und sauste dann weiter. Ok, wir sindalso nicht die einzigen Idioten, die um diese Jahreszeit hier an der Küste inOregon rumkurven. Wir pedalten kurz darauf auch weiter, allerdings in vielbedächtigeren Tempo. Für die Mittagspause leisteten wir uns den Luxus, in einSubway-Restaurant reinzugehen. Hagelschauer sind durch ein Fenster gesehen vielschöner als live und direkt im Gesicht. Der nette Manager war der Meinung, wer bei diesemWetter draussen sein müsse, brauche etwas warmes und schenkte uns je eine Suppe zum Sandwich.Die war fein, muchas gracias. Bei der Gelegenheit stellten wir fest, dassSubway-Sandwiches ja vielleicht auch Fastfood sind, dabei aber wirklich gutund angeblich auch recht gesund sind (wir hatten bei Steve zu Hause „Supersizeme“ geschaut).DerNachmittag zeigte sich überraschend freundlich und sonnig, zog sich aber längerhin, als wir erwartet hatten. Der Rückenwind vom Vortag schien auch gestorbenzu sein und so pedalten wir und pedalten wir und schienen unserem Ziel nichtnäherzukommen. Gemäss unserem Buch hätte es von Newport bis zum Belvely BeachSP nicht mehr weit sein sollen, die Wirklicheit sah aber wieder einmal andersaus. Es war halb fünf Uhr als wir dort endlich ankamen (91.81 km, 5:57 Stunden)und zu unserem Schrecken war auch dieser Campground geschlossen. Was nun? Dawir eigentlich gar keine Wahl hatten, fuhren wir trotzdem rein um uns die Sacheanzuschauen. Der Host bei letzten Park hatte uns weggeschickt, aber hierkonnten wir realistischerweise nirgendwo mehr hingehen. Der freundliche Herr,mit dem wir redeten, fand aber, er könne uns nicht wegscheuchen und öffnete unssogar die verschlossene Tür zu den Damenklos. Dort drin gab es einen rechtgrossen Vorraum, wo wir es uns bequem machten. Ausser uns befanden sich ehkeine Frauen vor Ort. Das Gebäude war auch leicht geheizt und somit durchaus gemütlich.

Klo-Camp.


Einem rechtsonnigen Abend folgte ein nicht unfreundlicher Morgen, der Rest des Tages wargrau in grau, mal Regen, mal nicht. Es war kalt aber solange wir pedalten,frohren wir nicht. Wir hatten einen höheren Pass zu überqueren, so um die 750Fuss hoch, also nicht mal 230 m. Trotzt dem geringen Höhenunterschied muss eseinen deutlichen Temperaturunterschied gegeben haben, je höher hinauf wirnämlich kamen, umso mehr Schnee lag links und rechts neben der Strasse und auchweiter im Wald drinnen. Dieser Schnee, der bei jenem Sturm fast eine Wochevorher gefallen war und natürlich längst nicht mehr schön weiss war, hatte dortoben überraschend lange überlebt. Wie wir von verschiedenen Leuten gehörthatten, waren da fünf bis sechs Inches, also etwa 12 bis 15 cm Schnee gefallen,was hier höchst ungewöhnlich sei. Aber anscheinend ist ja der ganze Winterungewöhnlich, erst zu warm und zu trocken, und nun, da es langsam wärmer undtrockener werden sollte, schneit, regnet und hagelt es. Dazu stürmt es ab undzu, manchmal vom Süden, manchmal aber auch vom Norden, Westen oder Osten her.

Tiefer Winter.


Während derMittagspause hinter einem unbenutzten Hotel sassen wir wieder im kalten Windund frohren wie die Schlosshunde. Danach war es flach und wir hatten bald, sogegen 15 Uhr, das Dorf Pacific City erreicht, wo wir ein äusserst freundlichesMotel fanden, wo wir sogar $ 5 Disount bekamen (65.92 km in 4:22 Stunden). DieCampgrounds waren immer noch alle geschlossen, und die Warmshowers in derGegend hatten total versagt. Entweder waren die Leute nicht zu Hause oder,obwohl extrem unwahrscheinlich um diese Jahreszeit, andere Ciclistas hatten unsden Platz weggeschnappt (musste der New Yorker mit Anhänger gewesen sein). Am Nachmittag regnete es dann selbstverständlichnocheinmal ausgiebig.Der nächsteMorgen begann trocken und nicht mal soo kalt. Und natürlich ist es immereinfacher, aus einem warmen Hotelzimmer zu starten als aus einem nass-kaltenZelt zu kriechen. Nach 15 km recht flacher Landschaft stellte sich uns nochmalsein rund 245 m hoher Hügel in den Weg, der aber mehr so verschneit war wie dieletzte Erhöhung. Die kurvig-rutschige Abfahrt war nicht so fetzig, dafür mitein paar Vista Points mit cooler Aussicht die fast senkrechten Felsen hinunterzum Meer.

Hauptsache Aussicht.


Zu unsererFreude trafen wir später noch ein Tourero-Päärchen, die an uns so interessiertwaren, wie wir an ihnen und so hatten wir endlich wieder einmal Gelegenheit,mit anderen Radlern zu quatschen. Bald darauf waren wir in Tillamook, wo wiruns auf eine Bank vor der städtischen Bibliothek setzten und unsere Tortillasmit Bohnenpaste assen. Als wir weiterfahren wollten, bemerkte Martina einenPlatten, so verzögerte sich unsere Weiterfahrt noch etwas. Der Nachmittag warwieder nass und immer mal wieder mit Nordwind verziert. In Garibaldi suchten und fandenwir das „günstigste“ Motel, das mit $ 54 für uns zwar eher teuer war, dafürkriegten wir aber ein grosses, sehr schönes Zimmer, heisse Schokolade undfeine, selbstgemachte Cookies (61.53 km, 4:16 Stunden).Noch einereignisloser Tag in hügeliger, bewaldeter Landschaft. Der Höhepunkt waren dieverschneiten Hügelis hinter Nehalem, die aussahen wie wie richtige Bergen. Eswar bewölkt, regnete aber keinen Tropfen und es sah meistens aus, als müsstedie Sonne gleich durch die Wolken brechen. In Seaside (61.53 km, 4:16 Stunden)hatten wir wieder einen WS-Host gefunden, der sich als cooler und interessanterTyp erwies. Hier bleiben wir nun einige Tage, warten auf den Frühling undpedalen dann weiter in Richtung Norden.

Bahnhof und Schnee"berge".


Mit nun etwas mehr US-Erfahrung hier einMinirückblick und Vergleich Mexiko-USA. Wie ich ja schon mal angetönt habe,waren die Mexikaner gar nicht so schlechte/rücksichtslose Autofahrer, wie mansich das hätte vorstellen können oder schon gehört hätte. Entsprechend sind dieAmis auch nicht so viel besser. Grundsätzlich zwar meist sehr höflich, gibt esauch hier die Idioten, die Velofahrer fast über den Haufen blochen.Interessanterweise sind das oft Pick-up-Fahrer mit ihren totalüberdimensionierten Gefährten, oder, wie gewohnt, ungeduldige Lastwagenfahrer. Busse sind hier kaum ein Problem, ganz einfach, weil es kaum welche hat.Zum Komfort auf den Strassen trägt aber natürlich nicht nur das Verhaltenanderer Verkehrsteilnehmer bei, sondern auch die Qualität der Strasse, sprichBelag und Seitenstreifen. Auch hier gilt: Die Amis sind nicht besser als dieMexikaner. Die wichtigen Hauptstrassen sind immer in gutem Zustand und habenoft Seitenstreifen, innerhalb kleineren Ortschaften und auf nicht soo wichtigenVerkehswegen hat es Schlaglöcher, erodierter und zerbrösmelter Asphalt, Wellenund Dellen im Belag und keinen Platz um auszuweichen. Die Leute hier sind,genauso wie die Latinos, platt wenn wir ihnen sagen, wo wir unsere Reisegestartet haben und wissen teilweise nicht viel genauer als andere, wo manPatagonien oder auch Argentinien suchen müsste. Das Witzigste finde ich immernoch die Unmöglichkeit, die Schweiz und Schweden auseinanderzuhalten. Dass demso sei, hört man ja oft, in welchem Ausmass das aber auch tatsächlich stimmt, ist eigentlichunglaublich. Dass „Suiza“ und „Suecia“ zum verwechseln ähnlich tönen, ist janachvollziehbar, aber „Switzerland“ und „Sweden“? Jemand, der das nichtverwechselt, outet sich damit gleich als entweder in Europa gewesen zu sein oderzumindest so einige Europäer zu kennen, wie das v.a. bei Warmshower-Leuten oftder Fall ist. Vielleicht müssten wir mal die Reaktion auf „Swaziland“ testen.Ok, und da wir ja nun inzwischen da sind und die Überraschung gelungen ist, kann man auch klären, dass unsere Velos in Seaside bei Neil geblieben sind, während Martina und ich uns per Greyhound nach Seattle verschoben haben um von dort aus in die Schweiz in die "Ferien" zu fliegen.