Bei Individualreisenden mit eigenem Wohnmobil (oder Pkw) will ich endlich mal eine Lanze für Nord-Polen und Litauen brechen. In 14 Tagen ist die Route gut zu fahren. Selbst in den Ferienzeiten ist es nirgendwo überfüllt. Beste Reisezeit: Mitte Mai bis Mitte September.
Auf dem Weg gen Nordpolen geht es ohne Zwischenübernachtungen nicht ab. Wer aus Süd- oder Westdeutschland kommt, macht vielleicht einen Stopp in Berlin oder dem Brandenburger Umland. Dann sind die ca. 250 km gen Posen (Poznań) über die mautpflichtige Autobahn A 2 gut zu bewältigen. Wer unterwegs in Schwiebus (Świebodzin) einen Abstecher zur 2010 fertig gestellten Christus-König-Statue, der größten Christusstatue der Welt, machen möchte, kommt an Mehrkilometern auf der Landstraße nicht vorbei.
Autarke Wohnmobilisten mit kompakten Fahrzeugen finden mit offenen Augen in Posens Innenstadt problemlos ein Plätzchen für die Nacht. Für Auto-Reisende empfiehlt sich ein Innenstadt-Hotel. Das "Mercure" (ab ca. 50 Euro) kann ich guten Gewissens ebenso empfehlen wie das etwas rustikalere "Rzymski" oder das "NH-Hotel". Das historische Posener Zentrum kann man in zwei Stunden gut erlaufen. Das barocke historische Rathaus auf dem Markt ist ebenso sehenswert wie die 200 m entfernte Stadtpfarrkirche. Ein paar mehr Schritte muss man zum Dom zurück legen. Es lohnt sich!
Wer zeitig genug in Posen eintrifft, kann nach einem Stadtspaziergang auch auf der Nr. 15 weiterfahren in Richtung Toruń (Thorn), um im 50 km entfernten Gnesen (Gniezno) zu nächtigen. Das kleine Stadtzentrum ist allemal sehenswert und der Dom ein absolutes Muss! Der gotische Sakralbau war Krönungskirche der polnischen Könige und der silberne Katafalk im Kircheninneren aus dem Jahr 1662 besteht aus reinem Silber und enthält die Reliquien des Heiligen Adalbert. Das "Hotel Atelier" ist ebenso komfortabel und zental gelegen wie das "Pietrak Hotel". Ich habe mich in beiden Häusern wohl gefühlt. Reisemobilisten müssen die Äuglein zwecks Übernachtungsplatz weit aufmachen. Am einfachsten: Den kostenpflichtigen Parkplatz unterhalb des Doms nutzen.
Von Gniezno (Gnesen) sind es gen Toruń (Thorn) ca. zwei gemütliche Autostunden, von Poznań (Posen) sollte man 60 Minuten drauf packen. Die Kopernikus-Geburtsstadt und UNESCO-Welterbe-Perle schreit förmlich nach einem Bummel durch die historische Altstadt! Das ehemalige Rathaus (heute Museum, Foto unten), das Kopernikus-Haus (Foto rechts) und allein der Bummel entlang liebevoll restaurierter Fassenden sind einen Stopp wert. Parken ist direkt an der Weichsel möglich, zu Fuß sind es nur zehn Gehminuten ins Zentrum. Wer in Thorn bleiben möchte: Sehr empfehlenswert (und zentrumsnah) sind das "Hotel Mercure" (ehemals "Hotel Helios"), das "Hotel Filmar", aber auch das extravagante "Hotel Bulwar" Die Wein & Whisky-Bar von letztgenanntem Hotel kann ich nur empfehlen!
Von Toruń sind es noch einmal zweieinhalb Autostunden in die Hauptstadt der Wojewodschaft Ermland-Masuren, Olsztyn (Allenstein). Auf dem Weg dorthin lohnt ein Stopp in Ostróda (Osterode), dem Endpunkt des in Elbląg (Elbing) beginnenden Oberländischen Kanals. Ein zwei- bis dreistündiger Aufenthalt in Allenstein wird der Stadt vollumfänglich gerecht, länger kann, aber muss man nicht bleiben. In der Fußgängerzone hinter dem Hohen Tor (Parken nahebei) kann man gut essen. Besser ist es, auf der Nr. 16 eine Stunde zügig weiterzufahren, um Mrągowo (Sensburg) zu erreichen. Der 22.000 Seelen-Ort am Czos-See ist ein idealer Ausgangspunkt, um Masuren zu erkunden. Der Ort selbst gibt allerdings nicht viel her! Dafür ist man nun im Land der dunklen Wälder, Alleen und mehr als 3.000 Seen angekommen.
Nur wenige Kilometer von Sensburg entfernt befindet sich die "Camping-Pension Seeblick", für Auto- und Wohnmobilfahrer gleichermaßen gut geeignet. Zivile Preise, gastfreundliche Betreiber. Wer als Autofahrer unterwegs ist, dem kann ich guten Gewissens die direkt am See gelegenen Hotels "Huszcza" und "Panoramic-Oscar" empfehlen. Wer sich damit abfinden kann, dass dort auch Pauschaltouristen absteigen, ist gut aufgehoben. Preis und Leistung stimmen. Am letzten Juli-Wochenende kann es laut werden, dann steigt das alljährliche traditionelle Country-Festival.
Von Sensburg zum Wallfahrtsort Heiligelinde ( Święta Lipka) sind es 30 Autominuten. Lohnenswert! Das Orgelspiel sollte man auf keinen Fall verpassen.
In wenigen Minuten ist man in Reszel (Rössel), das wegen der Burg und einer der besterhaltenen Altstädte Masurens eine Stippvisite lohnt. Von dort gelangt man in 20 Minuten gen Kętrzyn (Rastenburg), in weiteren 15 Minuten ist die Wolfsschanze (gut ausgeschildert) zu erreichen.
Dazu will ich einige Bemerkungen mehr machen. Was ist wirklich zu sehen? Auf den Trümmern der gesprengter Bunker aus Stahlbeton (Foto) wachsen längst Birken, Moos und Gras. Die Mücken stechen häufiger als anderswo. Das Gelände der Wolfsschanze wird nicht vom polnischen Staat, sondern privat betrieben. Die Herren des weiträumigen Geländes haben wenig Gespür für diesen historischen Ort. Alte Wehrmachts-Schützenpanzer fahren herum und im ehemaligen Bunker von General Jodl hat man einen Schießstand aufgebaut. Makaber.
Einige wenige (sehr gute!) polnische Fremdenführer schaffen es trotzdem, Geschichte angemessen zu vermitteln.Von Sensburg aus sind es nur rund 45 Minuten gen Giżycko (Lötzen), einem der Wassersport-Eldorados. Die Kleinstadt am Löwentinsee (Jezioro Niegocin) lohnt sich auch für Nicht-Wasserrattten. Der zweitgrößte der masurischen Seen, der Mauersee (Mamry), ist ebenfalls nicht weit entfernt.
Von Sensburg fährt man auf der 59 zuerst nach Piecki (Peitschendorf). In der Nähe befindet sich auch das Forsthaus, in dem der deutsche Dichter Ernst Wiechert geboren wurde. Wenige Kilometer entlang der 610 befindet sich der Abzweig nach Krutyn (Krutinnen). Das Flüsschen Krutynia schlängelt sich fast 100 Kilometer dort durch urwaldähnliches Dickicht. Man kann sich im Kahn staken lassen oder ein Kanu zum Paddeln mieten (in Kleinbussen geht es zum Ausstiegsort zurück). Im kristallklaren Wasser tummeln sich Schwärme von Fischen. Riesige türkisfarbene Libellen schweben durch die flirrende Luft und sorgen dafür, dass sich kaum Mücken über dem Wasser tummeln.Auf der 58 angekommen geht es wenig später links ab nach Wojnowo (Eckertsdorf). Eckertsdorf war eine der elf Siedlungen der russisch-orthodoxen Sekte der Altgläubigen. Die Gemeinde vor Ort gehörte der Untergruppe der sogenannten Philipponen an. Die im russischen Kaiserreich verfolgten Philipponen ließen sich aufgrund der liberalen preußischen Religionsgesetze in Ostpreußen, besonders in Masuren, nieder. Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete das Aus für die philipponische Gemeinde. Nach dem Einmarsch der Roten Armee wurde das Dorf polnischer Verwaltung unterstellt.Wojnowo ist bekannt für seine um 1840 erbaute orthodoxe Kirche. Es handelt sich dabei um einen Holzbau, der sich durch seine russische Herkunft und Baustil von den ostpreußischen Kirchenbauten unterscheidet. Das ehemalige Nonnenkloster (Foto) liegt am Ufer des Drusensees. Das Kloster wurde 1847 gegründet und besteht neben einer Kirche auch aus alten Wohnhäusern, die am Seeufer liegen. Hinter der Kirche befindet sich ein orthodoxer Friedhof mit typischen Holzkreuzen.
Der 58 folgend gelangt man dann nach Ruciane-Nida (Rudczanny-Nieden). Von hier geht es auf der 609 bis nach Ukta, wo man gen Mikolajki (Nikolaiken) oder gen Sensburg abbiegen kann.Mikolajki am Spirdingsee (Śniardwy) wird nicht zu unrecht "Venedig des Nordens" genannt. Sehenswert ist die evangelische Kirche zur heiligen Dreifaltigkeit, aber das Erlebnis einer Schifffahrt sollte sich niemand entgehen lassen. Geräucherter Fisch wird oftmals angeboten und sollte unbedingt gekostet werden.
Hotels in allen Preislagen sind ausreichend vorhanden. Wer das monströse "Hotel Gołębiewski" erwählt, findet zwar alle erdenklichen Annehmlichkeiten, aber eben auch Wege vor, die man beser mit Rollschuhen zurücklegt. Beschaulicher geht es da schon im "Hotel Robert's Port" zu.
Wohnmobilisten finden einen zentrumsnahen Stellplatz mitten im Ort vor (aber auch Parkplatz für Busse und Pkw!). Geruhsamer ist da dann der Campingplatz "Wagabunda".
Autofahrer und Wellness-Anhänger sollten einen Abstecher ins nahegelegene Ryn (Rhein) machen. Das "Hotel Zamek Ryn" befindet sich in einem altehrwürdigen Schloss. Logis vom Feinsten zu bezahlbaren Preisen!
Von Nikolaiken (Mikolajki) geht es auf der Nr. 16 via Orzysz (Arys) gen Lyck (Ełk). Kurz vor Lyck befindet sich auf der linken Straßenseite einer der größten Soldatenfriedhöfe (Bartossen - Bartosze), das sogenannte masursche Golgatha. Über einen Zwischenstopp muss jeder selbst entscheiden, mir ist es jedes Mal einen Kurz-Stopp wert. Lyck ist geprägt durch seine Kleinbahn, bekannt durch Siegfried Lenz. Entlang des Lycker Sees befinden sich ausreichend Restaurants; Tretboote kann man ebenfalls mieten.
Nach einer weiteren Stunde Fahrt erreicht man Augustów. Im Zentrum der Stadt können Häuser im spätklassizistischen und eklektischen Stil besichtigt werden. Dem Augustów-Kanal sollte man in jedem Fall seine Aufwartung machen. Paddler finden rund um die Stadt tolle Reviere vor (aber aufpassen: Nicht dabei unwissentlich gen Weißrussland gelangen!).
Dann gilt es zu entscheiden: Via Suwalki und Grenzübergang Kalvarija an Marijampole vorbei Richtung Kaunas fahren oder sofort Kurs zum Grenzübergang Lazdijai nehmen, um dann gen Vilnius zu reisen.
Variante 1: Via Kalvarija erreicht man in anderthalb Stunden das ehrwürdige Kaunas. Die zweitgrößte litauische Stadt liegt am Zusammenfluss von Memel (litauisch: Nemunas) und Neris.
Rund um den historischen Markt lässt es sich gut bummeln, die Flaniermeile ist auch nicht weit entfernt. Europas einziges Teufelsmuseum sollte man ebenso wenig auslassen wie die historische Burg (in den letzten zehn Jahren restauriert).
Das "Hotel Daniela" ist aus meiner Sicht ebenso empfehlenswert wie das "Hotel Kaunas" (DZ in beiden Häusern ab ca. 55 Euro) Mit dem Wohnmobil kann man zentrumsnah hier verweilen (Womo + zwei Personen ca. 18 Euro).
Am nächsten Tag fährt man einen Umweg auf der Route nach Klaipeda (Memel): Der Berg der Kreuze bei Siauliai ist es mehr als wert, zweieinhalb Stunden Fahrtzeit zu opfern!
Ganz Eilige können am Nachmittag Klaipeda erreichen und dort einen kurzen Stadtbummel machen, bevor sie mit der Fähre auf die Kurische Nehrung übersetzen. Der schöne Markt (Foto) mit dem Simon-Dach-Denkmal und dem Ännchen von Tharau ist jedenfalls einen Abstecher wert. Von Klaipeda setzt man in weniger als einer Viertelstunde auf die Kurische Nehrung über. Vorbei an Schwarort (Juodkrante) geht es dann gen Nidden (Nida). Die Hohe Düne ist ebenso sehenswert wie natürlich das Thomas Mann-Haus. Da das Angebot an Hotels und Pensionen beschränkt ist, lohnt sich in der Hochsaison eine rechtzeitige Buchung. Der Campingplatz in Nidden bietet westeuropäischen Standard.
Wer sich vorab (!) ein Visum besorgt hat, kann am Ortsrand von Nidden die Grenze passieren und in Richtung Kaliningrad auch den russischen Teil der Kurischen Nehrung bereisen. Von Klaipeda aus kann man per Fähre zurück nach Deutschland (Sassnitz oder Kiel) reisen oder im Anschluss noch in die litauische Hauptstadt fahren und via Trakai dann gen Augustów. Dann lohnt es, dem Bialowieza Nationalpark bei Bialystok einen Besuch abzustatten und weiter gen Warschau zu reisen. Von der polnischen Hauptstadt kann man auf der Autobahn dann zügig zurück nach Deutschland fahren.
Doch zurück zur Variante 2 ab Augustów:Via Grenzübergang Lazdijai fährt man zuerst nach Trakai. Der Ort Trakai ist berühmt für seine alte Wasserburg (Foto), deren Besichtigung ich unbedinggt rate! Trakai ist eine von fünf Altstädten Litauens, die unter dem Schutz des Staates stehen. Mit dem Wohnmobil ist es günstiger, in Trakai auf dem Campingplatz zu bleiben als gleich gen Vilnius zu fahren. Direkt am Wasser gelegen, laden abends diverse Restaurants zum Schmause ein!
Wer mit dem Auto unterwegs ist, findet eher in Vilnius eine Fülle an Herbergen jedweden Komforts und in allen Preislagen. Die litauische Hauptstadt (UNESCO-Welterbe) zu preisen, hieße, Eulen gen Athen zu tragen! Wer in der Innenstadt Logis bezieht, kann sich fortan getrost per pedes fortbewegen. Vilnius verfügt über die vielleicht größte zusammenhängende Altstadt in Osteuropa. Es gibt nur wenige Gebäude im Stil der Backsteingotik, dafür sind umso mehr geprägt vom italienischen Barock. Die Innenstadt dominiert vom Gediminasturm. Hauptstraße ist der Gedimino Prospektas, die Haupteinkaufsstraße Vilnius. Die Touristen-Meile Pilies gatvė schlängelt sich durch die Altstadt.
Die Zahl der Restaurants ist inwzischen fast unüberschaubar. Die litauische Küche ist sehr lecker, aber ebenso kalorienreich! Die populärste Biersorte ist "Svyturys", gefolgt von "Kalnapilis" und "Utenos". Zwei bis drei Tage halte ich für den Mindestaufenthalt in Vilnius! Die Menschen sind sehr aufgeschlossen und hilfsbereit, vor allem dann, wenn man ein paar Brocken Litauisch parat hat. Mit Englisch und Russisch kommt man aber gut durch die Stadt.Von Vilnius kann man entweder an einem Tag über den Berg der Kreuze nach Klaipeda reisen oder die Heimreise antreten.
Schreibender vielreisender Backpacker und Reisemobilist