Das englische Wort cowboy ist eine Lehnübersetzung des spanischen vaquero, das wiederum von den Arabern übernommen wurde. Seine eigentliche Karriere startete es im 19. Jahrhundert in Gebieten, die zuvor zu Mexiko gehörten, im Südosten, in Texas. Für Deutschland und Hollywood ist es mit dem „Wilden Westen“ verbunden.
Was wären dann „Nordost-Cowboys“? Die Staaten kann man damit schwerlich meinen. Hier bezieht er sich auf Deutschland. Liegt Leipzig im Wilden Osten? Für bayrische Beamte, die 1990 zur Entwicklungshilfe dorthin befohlen worden, bestimmt. Dafür bekamen sie nicht nur 100 % des Westgehalts (ostdeutsche Angestellte hatten das nominell erst 2010), sondern noch eine „Buschzulage“. Ihre Schicksalsgefährten im äußersten Nordosten Deutschlands erfanden für ihren neuen Wirkungskreis die Bezeichnung „Mecklenburg-Vorpolen“. (Für geborene Ostdeutsche war – nicht jeder Pole oder Westdeutsche wird es glauben mögen – Polen zumindest in den 70er Jahren, als der visafreie Reiseverkehr eingeführt und am Ende des Jahrzehnts wieder abgeschafft wurde, eher ein Ehrenname. „Polen sind da lockerer“, ein Losungswort aus einem Film von Egon Günther aus den frühen 70er Jahren. In Polen und den polnischen Kulturhäusern in Berlin und Leipzig gab es Schallplatten, nach denen man sich sehnte, westliche und polnische. Und Zeitungen, Hotdogs, „hotdogi“, und manches andere. 1980 wurde wieder dicht gemacht, und die Führung streute Antipolenwitze, um die Ausbreitung des polnischen Bazillus zu bremsen.)
Als Ulf Stolterfoht nach Leipzig – nicht befohlen, sondern eingeladen wurde, bekam er keine Buschzulage. Er fuhr auch nicht nach Osten, sondern von Berlin nach Südwesten. Dort leitete er ein Lyrikseminar, und aus dem heraus entstand die Idee, Cowboylyrik zu schreiben. Im amerikanischen Westen heute eine eingeführte Gattung mit Wettbewerben und Festivals.
Ist Leipzig also für Badener oder Saarländer Nordosten, wäre der Titel geklärt. „Da ich aber aus Rjasan bin“ (nein, das ist Jessenin, aber ich bin auch aus dem Osten, wenn auch westlich von Leipzig geboren), führ ich eine andre Sprache. Das Wort vom Nordost-Cowboy fiel mir ein, weil mehrere der Autoren dieser Anthologie aus dem nordöstlichsten deutschen Bundesland stammen oder mal dort lebten. Bertram Reinecke und Kerstin Preiwuß wurden in Mecklenburg-Vorpommern geboren, bevor es das „neue“ Bundesland wieder gab. Reinecke in Güstrow und Preiwuß in Lübz (letzteres für Bier bekannt, nun also auch für eine interessante Stimme der jungen Lyrik). Beide Städte liegen in Mecklenburg. Reinecke studierte im pommerschen Greifswald ebenso wie der im Saarland geborene Konstantin Ames. Beide wechselten von Greifswald nach Leipzig, wie das viele andere auch taten, die junge Autorin Judith Zander aus Anklam etwa. Jüngst konnte man eine ziemliche Häufung von Ex-Greifswaldern in Leipzig rund um Elke Erb geschart sehen: in Leipzig zur Messe.
Vierter der Nordost-Cowboys (Konstantin, tut mir leid, es iss wie es iss) im Bunde ist Sascha Macht, der in Frankfurt/ Oder geboren wurde und in Leipzig und Greifswald lebt.
Ende des ersten Teils. Lesen Sie in Teil 2 über die Cowboylyrik dieser vier.
Ulf Stolterfoht und der Lyrikkurs des Literaturinstituts Leipzig, roughbook 003*, 64 Seiten 8 Euro, hier erhältlich
*) Lesestoff für Schüler und aufgeschlossene Lehrer