Nora Gomringer – Monster, Morbus, Moden

Nora Gomringer ist keine Unbekannte. Sie machte sich als umtriebige Poetry Slammerin einen Namen, veröffentlichte 2006 ihren ersten Lyrikband “Sag doch mal was zur Nacht” bei Voland & Quist und wurde 2015 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. 2019 brachte eben jener Verlag den Sammelband “Monster Morbus Moden” heraus mit einem Vorwort von Clemens J. Setz, der bekennt, dass Gomringer seine liebste “Lyrikerin der deutschsprachigen Gegenwart” ist. Weiter schreibt Setz, wir bräuchten alle “Dinge, die drinnen größer sind als draußen. Deshalb suchen viele Menschen Gedichte auf, um vor ihnen, die naturgemäß so wenig Platz auf der Buchseite beanspruchen, das magische Innenpalastgefühl zu empfinden.” Und genau so ist es. Lässt man sich auf die Gedichte ein, liest sie nicht nur oberflächlich, sondern eingehend, so entdeckt man doch bei jedem Lesen neue Facetten, neue Fäden, aus denen der Text gewebt wurde und steigt tiefer in jene Gebilde aus wenigen Zeilen und Wörtern.

Nora Gomringer – Monster, Morbus, Moden

Die Doppelsichtigkeit beim Blick aufs Ich
ist eine Diagnose,
der keine Brille aufzusetzen ist.

Du und alle anderen Ichs,
wir sind in einem Körper
heillos aneinander festgebunden

(aus SHIH TZU)

Zusammenspiel von Text und Bild – Gomringer macht Spaß!

Während Nora Gomringer in “Monster” nicht nur Ungeheuer, die sich um uns herum befinden, benennt, sondern auch die kleinen Monster in uns Menschen selbst beleuchtet, setzt sich der Teil “Morbus” mit unterschiedlichsten körperlichen und seelischen Krankheiten auseinander.

Nora Gomringer – Monster, Morbus, Moden

Noch eindrucksvoller wirken Gomringers Gedichte durch die teils ironischen und witzigen, teils ernsten, vielleicht gar etwas verstörenden Illustrationen ihres kongenialen Partners Reimar Limmer. Zusammen wirken Bild und Text soghaft, ja sie eröffnen eine kleine Welt, in denen sich  Gedichte und Themen Zeile um Zeile eröffnen, um den Leser drehen und sich in unterschiedlicher Lesart vor ihm wieder zusammensetzen. So wird das Buch zum Gesamtkunstwerk, das man gerne in Händen hält, immer wieder durchblättert, betrachtet und liest. Und das gilt ganz gewiss auch für Leser, die (bislang) kaum einen Zugang zu Lyrik hatten, denen Lyrik vielleicht als etwas Abgehobenes schien oder etwas für den Deutschunterricht. Gomringers Lyrik ist nicht nur in ästhetischer Hinsicht ganz groß, sie lässt tief blicken und ja, sie macht einfach Spaß!

Nora Gomringer – Monster, Morbus, Moden

#posie – Neuer Zugang zur Lyrik

Umso erfreulicher ist es, dass mit dem Band #poesie eine Anthologie von ihr und Martin Beyer (ebenfalls bei Voland & Quist) erschien, die ganz unterschiedliche Zugänge zur Lyrik, ganz unterschiedliche Ansätze und Formen bietet und so eine Brücke von den Epochen des Barock, der Klassik oder des Realismus in die heutige Zeit schlägt. Unter den Texten finden sich Hashtags, “die ein assoziatives Spiel eröffnen und aufzeigen, mit welcher Epoche oder mit welchem Topos sich der Text in Verbindung bringen lässt.” Und siehe da – die Dichter vergangener Epochen haben vielleicht gar nicht so anders gedacht, als wir es heute tun. Die großen Themen des Menschen sind doch im Grunde die gleichen geblieben, ob nun  bei Goethe oder in Peter Fox’ Liedtexten. Ein Buch, dessen Anwendung im Deutschunterricht sich man sich nun wirklich einmal wünschen würde!

Nora Gomringer – Monster, Morbus, Moden

Nora Gomringer / Reimar Limmer 
Monster – Morbus – Moden
BUCH + CD
Voland & Quist
176 Seiten
26,- EUR

Nora Gomringer – Monster, Morbus, Moden

Nora Gomringer & Martin Beyer (Hrsg.)
#poesie
Voland & Quist
128 Seiten
20 EUR


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