Nomen non est omen

Heute: "Integrationsverweigerer"
"Nach Innenminister de Maizière fordern zahlreiche Unionspolitiker, Integrationsverweigerer härter zu bestrafen. Wer sich Integrationskursen entziehe, müsse mit konsequent angewandten Strafen rechnen. […] Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach am Sonntag in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin von vielleicht 10 bis 15 Prozent wirklichen Integrationsverweigerern."
- Meldung bei Spiegel Online vom 6. September 2010 -
Das Schlagwort setzt sich aus den Nomen Integration und Verweigerung zusammen. Integration kommt vom lateinischen integratio und meint die Wiederherstellung, Eingliederung bzw. Vervollständigung einer Einheit. Integration bezeichnet somit aktive Maßnahmen, damit jemand Teil einer Gruppe wird. Eine Verweigerung ist eine bewusst getroffene Entscheidung, eine bestimmte Handlung nicht auszuführen. Integrationsverweigerer sind somit Menschen, die sich dazu entschlossen haben, nicht Teil einer größeren Gruppe sein zu wollen.
Diejenigen, die diesen Begriff benutzen, bieten selten eine Definition von Integration an. In der Öffentlichkeit und in den Medien wird Integration mit der Teilnahme an Deutschkursen gleichgesetzt. So als ob die Teilnahme bzw. Ablehnung dieser Kurse gleichbedeutend ist, mit erfolgreicher oder erfolgloser Integration in die deutsche Gesellschaft. Gleichzeitig wird den Nicht-Teilnehmern oder auch den Kursabbrechern eine bewusste Haltung der Verweigerung unterstellt. Insofern müsste der korrekte Terminus Deutschkurs-Nichtteilnehmer bzw. Abbrecher heißen und nicht Integrationsverweigerer.

Die vermeintlich erfolgreiche Integration von Migranten an Sprachkursen fest zu machen ist absurd. Schließlich gibt es viele Gründe, warum jemand keinen Deutschkurs mitmacht oder ihn vorzeitig abbricht. Allen zu unterstellen, sie seien Verweigerer, unterstützt argumentativ die Rassentheorien von Sarrazin. Und wie Klaus Baum richtig festgestellt hat, wäre in den Augen der Konservativen ein Türke, der deutsch sprechen würde und beruflich erfolgreich wäre, sich aber für die Linkspartei engagieren würde, auch nicht erfolgreich integiert worden.
In diesem Zusammenhang erlebt auch der Plastikbegriff "Leitkultur" eine Renaissance. Wer in Deutschland lebe, müsse sich das christliche Menschenbild zueigen machen. Mulitkulti sei tot, bekräftigt Horst Seehofer und sorgt für eine weitere Spaltung der Gesellschaft. Was jedoch die deutsche "Leitkultur" genau ausmache und wie es anders - außer eben mit "multikulti", also Menschen die miteiannder leben - gehen soll, darüber wird konsequent geschwiegen.
Ich frage mich schon seit langem, ob es eine dauerhafte Integration von Migranten in Deutschland überhaupt geben kann? Selbst ein türkischstämmiger Deutscher, der hier geboren ist, perfekt deutsch sprechen kann, beruflich erfolgreich ist, eine westliche Gesinnung lebt, einen deutschen Pass besitzt usw., wird sein Leben lang südländisch aussehen und von vielen gefragt werden: "Was ist Deine Abstammung?" Integration ist nämlich kein alleiniger Fall von Eigenverantwortung der Migranten, sondern auch eine Einstellungsfrage der Deutschen.
Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

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