Nomen non est omen

Heute: Migrationshintergrund
Ein Gastbeitrag von Markus Vollack
"Zwar stammen Kinder, die erfolgreich das Gymnasium besuchen, bis heute eher aus sozial besser gestellten Schichten, Kinder mit Migrationshintergrund sind deutlich in der Minderheit."
- Zeit Online, 18. Juni 2009 -
Anfang des Jahres 2012 verschickten die Jobcenter in Berlin einen Fragebogen zum Migrationshintergrund. Dieser soll rein statistische Zwecke haben. (Ich könnte mir vorstellen, dass damit herausgefunden werden soll, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund ALG 2 erhalten.) Auch vermeintlich Deutsche haben ihn zugesendet bekommen. Freilich nur Empfänger von ALG 2. In diesem ist ein Anhang mit der Bezeichnung Migrationshintergrund-Erhebungverordnung (MighEV) enthalten. Die MighEV kennzeichnet Menschen mit einem Migrationshintergrund, wenn:
  1. die Person nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt
  2. der Geburtsort der Person außerhalb der heutigen Grenzen der BRD ist und eine Zuwanderung nach 1949 in das heutige Gebiet der BRD stattfand
  3. der Geburtsort mindestens ein Elternteils außerhalb der heutigen Grenzen der BRD ist und eine Zuwanderung nach 1949 in das heutige Gebiet der BRD stattfand
Um laut MighEV als Mensch mit Migrationshintergrund zu gelten, genügt es, wenn die eigene Oma nicht in Deutschland geboren wurde. Auch wenn die gesamte Familie die deutsche Staatsangehörigkeit hat und das Kind "zufällig" (z.B. im Urlaub) im Ausland geboren wurde, ist nun ein Migrationshintergrund vorhanden. Als Mensch mit Migrationshintergrund ist man also schneller und länger ein "Ausländer", als wenn man nur "Nicht-Deutscher" wäre.
Die Formulierung "Menschen mit Migrationshintergrund" indessen, ist ein Beispiel dafür, wie aus einem eher negativ besetzten Begriff wie "Ausländer", eine politisch korrekte Formulierung ("Migrationshintergrund") werden sollte, ohne die Situation für ausländische Mitbürger tatsächlich zu verändern, wie die MighEv verdeutlicht. Diesen Umstand bezeichnet man als die sog. "Euphemismus-Tretmühle". Durchgesetzt hat sich das Schlagwort vor allem im Beamten- und Bürokratendeutsch.
Die erste Assoziation, die sich mir auftat, war die NS-Regelung von einem halben, einem Viertel– oder einem Achtel-Ausländer, je nachdem ob man selbst, beide Eltern oder eben nur ein Elternteil in Deutschland geboren wurde oder nicht. Die Wortkonstruktion zeigt auch, dass sich deutsche Behörden schwer damit tun, ausländische Mitbürger als integriert und damit als "deutsch" anzuerkennen, wenn akribisch nach einem vermeintlichen "Migrationshintergrund" gesucht wird, der die entsprechende Person dann als nicht-deutsch kennzeichnen soll.

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