„Noch nie hat eine Apotheke so einen Test bestanden!" - Ich weiss nicht mehr, wer das gesagt hat, aber es war an einer unserer zahllosen Weiterbildungen. Und Recht hat der Mensch!
Das bedeutet nicht, dass wir Apotheken nicht jährlich mehrmals getestet werden - und diese Tests auch bestehen. Es gehört zum Vertrag mit den Krankenkassen, dass die Qualität in der Apotheke mittels Testkäufen, Telefonanrufen und Rezepten durch sogenannte „Mystey"-Patienten evaluiert wird. Jedesmal mit ausgiebiger Besprechung der Resultate. Die haben wir bisher immer bestanden.
Nicht so mit den Tests, die Zeitschriften wie zum Beispiel der Saldo durchführen. Sowas können „die Apotheken" nicht bestehen - und das sollen wir auch nicht. Wo blieben da die sensationsgeilen Überschriften?
Aktuelles Beispiel: Gefährliche Wechselwirkungen nicht erkannt ( Saldo Artikel, kostenpflichtig).
Kurzfassung: 20 Apotheken wurden „getestet". Es wurde auf Rezept Efexor (Venlafaxin) eingelöst und geschaut, ob da das Generikum angeboten wird. Danach wurde OTC der Hustendämpfer Bexin (Dextrometorphan) verlangt. Zitat saldo:
„ Bei der Kombination der beiden Präparate kann gemäss Packungsbeilage von Efexor das lebensbedrohliche Serotoninsyndrom auftreten."
Während sie sich bei der Generikum Abgabe noch halb positiv überrascht zeigen - 13 von 20 Apotheken haben das günstigere Generikum von Efexor abgegeben (im Gegensatz zu 6 in 2013) - sind sie bei der Abgabe der Kombination „entsetzt", dass das 15 von 20 Apotheken abgegeben haben.
Der Apothekerverband hält sich hier dezent zurück mit einem öffentlichen Kommentar, bis auf eine Facebook- Mitteilung, in der sie angeben von dem Test abweichende Resultate bekommen zu haben vom saldo als später publiziert, habe ich nichts gesehen. Vielleicht weil pharmasuisse im Artikel zitiert wird, angeblich mit: „pharmasuisse kritisiert die Apotheken: "Der Patient muss darauf hingewiesen werden, dass sich die beiden Medika-mente nicht vertragen."
Dann will ich dazu mal etwas schreiben und ein paar Sachen erklären. Diese „lebensbedrohliche Wechselwirkung" des Serotoninsyndroms gibt es. Es ist ein Komplex aus Krankheitszeichen die durch eine Anhäufung des Neurotransmitters Serotonin hervorgerufen werden. Charakteristisch sind neuromotorische und kognitive Störungen sowie Verhaltens-veränderungen, Ruhelosigkeit, rasche unwillkürliche Muskelzuckungen, Schwitzen, Schüttelfrost und Zittern. Das Serotonin-Syndrom ist häufig das Resultat einer Arzneimittelnebenwirkung, die zu einer Erhöhung der Serotoninaktivität führen kann und insbesondere bei einer kombinierten Anwendung von serotonergen Arzneistoffen mit MAO-Hemmern beobachtet wird.
Ich bin also tendenziell Vorsichtig bei Medikamenten, die das machen können (wie Efexor) und gebe andere „zentral wirksame Medikamente" - zu denen ich auch den Hustenstiller Dextrometorphan zählen will - zur Wechselwirkungs-Kontrolle im Computer ein. Und unser System bleibt dabei ruhig! Naja, nicht ganz ruhig. Ich habe es so eingestellt, dass bei uns Warnhinweise der Stufen 1, 2 und 3 angezeigt werden. Das heisst: 1: kontrainduziert (Darf man so nicht zusammen nehmen), 2: vorsichtshalber kontrainduziert (sollte man so nicht zusammen nehmen) und 3: Überwachung / Anpassung notwendig. Wenn ich das höher einstelle, habe ich bei so ziemlich jeder Kombination irgendeine Anzeige - die dann mit der Zeit wegen „Alarmmüdigkeit" einfach nur noch weggedrückt wird. Das will ich nicht. Bei denen, die es jetzt anzeigt, muss man reagieren. Aber bei der Kombi, die getestet wurde?
Diese beiden Medikamente zeigt es mit einer Wechselwirkung der Stufe 5 an:
Relevanz: 5 Vorsichtshalber überwachen. Gruppen: Serotonin-Reuptake-Hemmer / OpioideKurztext: Erhöhtes Risiko eines Serotonin-Syndroms und von Krampfanfällen Die genannten Opioid-Analgetika und das zentrale Antitussivum Dextromethorphan haben ebenso wie die Serotonin-Reuptake-Hemmer serotoninerge Effekte, so dass additive serotoninerge Wirkungen vermutet werden. Dies wurde nicht systematisch untersucht; allerdings liegen etliche Fallberichte vor.
Die Fallberichte beziehen sich aber nach dem was ich gesehen habe tatsächlich auf die starken Opioide wie Durogesic, Valoron, Palexia und nicht auf Abkömmlinge wie dem Dextrometorphan. Deshalb auch die niedrige Einstufung der Gefahr. Demnach steht da auch:
Bei gleichzeitiger Behandlung mit den genannten Opioiden undSerotonin-Reuptake-Hemmern ist Vorsicht geboten. Die Patienten sollen sorgfältig über die Zeichen des Serotonin-Syndroms sowie über das Risiko von Krampfanfällen informiert werden. Auf Dextromethorphan in Erkältungspräparaten kann verzichtet werden.
Also ist in meinen Augen eine Abgabe möglich ohne grosse Gefahr des Patienten. Will man ganz sicher sein, kann man einen anderen Hustenstiller wählen (die Wirksamkeit ist halt meist auch nicht ganz entsprechend) und falls doch Bexin gewollt ist, würde ich den Patienten informieren, dass er auf das Auftreten von Zittern, Muskelzucken oder Schwitzen achtet und falls das auftritt, kein Bexin mehr nimmt. Aber nochmal: wir reden hier von Einzelfällen, einer in der Kombination kaum erwarteten Nebenwirkung.
Anders sieht es beim zweiten Test von saldo aus, bei der die Kombination von Plavix (Clopidogrel) und Aspirin (Acetylsalicylsäure) versucht wurde.
Das ist etwas, wo man reagieren muss:
Relevanz: 3 Ueberwachung/AnpassungGruppen: Thrombozytenaggregationshemmer / Antiphlogistika, nicht steroidale
Kurztext: Möglicherweise erhöhtes Blutungsrisiko
Und das haben die Apotheken auch:
Positiv: Nur eine Apotheke verkaufte Plavix und Aspirin ohne Warnung vor der Blutungsgefahr. Negativ: 7 von 20 verkauften den Blutverdünner Plavix, ohne auf ein Generikum hinzuweisen.Das könnte man natürlich auch so formulieren: 13 von 20 Apotheken haben auf das Generikum hingewiesen oder es verkauft! Aber das liest sich halt nicht so gut. Dann schreibt man lieber:
Insgesamt arbeiteten nur drei Apotheken vorbildlichJaaa - wie gesagt: Noch nie wurde so ein Test bestanden. Kein Wunder, wenn man das so zeigen will und entsprechend selten auftretende Wechselwirkungen aussucht - notabene eine Wechselwirkung, die bei dem Medikament schon als Nebenwirkung alleine auftreten kann. Ebenfalls selten, also weniger als 1 von 1000 Behandelnden bekommt das.
Übrigens. Nein, wir sind nicht getestet worden. Aber ich habe von Apotheken gehört, die bei dem saldo-Test dabeiwaren und die die Kombi abgegeben haben. Deshalb sei hier noch angefügt: nicht alles, was die Apotheke dazu gesagt hat, schlägt sich im Artikel nieder. Das dürfte bei mehreren der Fall gewesen sein.
Es geht bei den Wechselwirkung halt auch darum, die zu interpretieren - und dann den Patienten gegebenenfalls zu informieren. Abgegeben hätte ich das wahrscheinlich auch.