Noch'n Bild

Kurt Westergaard, der kreuzritterliche Pistolero unter den Karikaturisten, galt noch vor einiger Zeit als Held. Seine Mohammad-Zeichnungen, die den Propheten als Mörder zeigten, wurden als Inbegriff der Meinungs- und Pressefreiheit gefeiert. Das ging so weit, dass die Kanzlerin auf ihn eine Rede hielt und den Preis des M100 Sanssouci Colloquiums überreichte. Angeblich der mutigste Auftritt Merkels, hieß es damals pathetisch. Gerade sie wisse nämlich, was es bedeutet, in einem Land ohne Meinungsfreiheit zu leben - damals in der DDR. Deswegen sollte mutige Meinung honoriert werden, mutige Bleistiftstriche ebenfalls.

Stavropoulos heißt der Mann, der Merkel derzeit karikiert - er malt sie als Nazirette, Heil! rufend, in enger, Körperwülste offenbarender Uniform, mit Hakenkreuz. Das erregt natürlich die Gemüter. Ein ungeheurer Missgriff sei das; eine Verharmlosung des Dritten Reiches, gerade so, wie die Karikatur Mohammads auf keinen Fall, nie und nimmer, unter keinen Umständen ein historisch fragwürdiges Zerrbild war. Man sollte differenzieren können, liest man. Deutschland unter Hakenkreuz war nicht, was Deutschland unter Bundesadler ist. Aber die historische Gestalt Mohammads, sie wird mit heutigen Erkenntnissen persifliert - natürlich ist die Geschichte Mohammads eine Geschichte der Gewalt, aber die war damals nicht geächtet, gehörte sozusagen zum guten Ton, womit heutige Maßstäbe nichtig werden.

Auch wenn es historisch nicht ganz koscher ist, so ist es doch Meinungsfreiheit. Eine Meinung zu haben beinhaltet auch, keine Ahnung haben zu dürfen - rechtlich verbürgt. Das gilt für jeden. Für dänische Provokateure ebenso wie für griechische; für ironisierte Propheten wie für Kanzlerinnen. Das ist das Wesen freier Meinungsäußerung. Ob sich das M100 Sanssouci Colloquium erneut dazu durchringen kann, einen Karikaturisten zu würdigen? Ob die Kanzlerin höchstpersönlich eine Laudatio hält wie damals? Applaus von den Rängen? Anerkennung? Schulterklopfen und Weiter so! als Erbauung?

Wer die Meinungs- und Pressefreiheit schätzt, der kann mit einer behakenkreuzten Kanzlerin leben. Muß er sogar! Und er muß solche Bilder auch schätzen. Wenn nicht inhaltlich, so doch dafür, dass es sie gibt - dass es sie geben darf. Moralische Zeigefinger sind da zweitrangig. Und die verletzte Befindlichkeit der Stammtische ohnehin. Gratuliert man zu verunglimpften Mohammad-Zeichnungen, so gratuliere man auch zu gemalten Nazi-Merkels! Das ist der konsequente Imperativ. Regt man sich darüber auf, so liegt einem die allgemeine Meinungsfreiheit nicht besonders am Herzen - oder es geht wieder mal nur um die freie Meinung, die man selbst meint.


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