Noah Sows Buch hat auch 2013 nicht an Aktualität verloren

Von Nicsbloghaus @_nbh

Noah Sows Streitschrift (auch als Hörbuch) aus dem Jahre 2009 wider den all­täg­li­chen Rassismus hier­zu­lande “Deutschland Schwarz Weiß” hat auch heute lei­der noch nichts an Aktualität ver­lo­ren. Thema ist die Offenlegung all­täg­li­cher wei­ßer Verhaltensweisen, die Schwarze Menschen bewußt und unbe­wußt dis­kre­di­tie­ren. Erst vor kur­zem berich­tete im Internet ein Thüringer Gewerkschaftsfunktionär von Erlebnissen in einem Fernzug der Deutschen Bahn, wo Polizisten gezielt aus­schließ­lich nur Menschen ande­rer Hautfarbe kon­trol­lier­ten.

von Lysett Wagner & Siegfried R. Krebs

Nicht nur daran wird nur allzu deut­lich, wie fest­ge­fah­ren unsere Menschenbilder noch immer sind und wie soziale Prägung unser Denken und Handeln beein­flus­sen – ganz ohne es böse oder tat­säch­lich ras­sis­tisch zu mei­nen. Denn, das noch­mals betont, unsere Sozialisation und damit unser Handeln basie­ren immer noch auf einem euro­zen­tris­ti­schen, kolo­nia­len Menschenbild. Schwarz meint bei Noah Sow weni­ger die Hautfarbe, son­dern die ganz eigene gemein­same Erfahrungswelt Schwarzer Menschen in einer mehr­heit­lich wei­ßen Gesellschaft. Als Humanistin lehnt sie phä­no­ty­pi­sche, also ras­sis­ti­sche Einteilungen der Menschen kon­se­quent ab und mahnt den Respekt vor dem Individuum an. Rassismus steht daher für die Autorin auf einer Ebene mit Sexismus oder Homophobie.

Die Autorin ist selbst Schwarze Deutsche, gebo­ren 1974 in Bayern, und sie hat ihr gan­zes Leben lang erfah­ren müs­sen, daß “echte” Deutsche für die meis­ten von uns nur weiße Deutsche sind. Noah Sow arbei­tet seit ihrem 18. Lebensjahr fürs Radio als Moderatorin, Sprecherin, Produzentin und Hörspielautorin. Den gewöhn­li­chen, all­täg­li­chen Rassismus in Deutschland erlebt sie trotz ihrer Bekanntheit immer wie­der am eige­nen Leib. Deshalb hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die­sen Rassismus zu bekämp­fen, ja, die­sen über­haupt als sol­chen zu iden­ti­fi­zie­ren. Das gelingt Noah Sow sowohl in ihrem Buch als auch mit die­sem Hörbuch. Gerade dem Hörbuch gelingt es auf unter­halt­same, aber kei­nes­falls lächer­li­che Weise, uns Weiße über das Thema Rassismus auf­zu­klä­ren. Dazu tra­gen Sprachmächtigkeit und eine deut­li­che Sprache ebenso bei wie Noah Sows tief­grün­di­ger Humor. Letzterer kommt beim Hörbuch sogar noch bes­ser zur Geltung als in der gedruck­ten Version.

Noah Sow führt uns die­sen deut­schen Rassismus, diese Diskriminierung wegen nicht wei­ßer Hautfarbe oder ande­ren Äußer­li­ch­er­kei­ten anhand vie­ler Beispiele vor Augen. Allseits bekannte Sprüche wie “Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?” unter­ma­len “graue” Theorie. Wer hat denn schon mal drü­ber nach­ge­dacht, wel­ches Menschenbild hier­mit ver­mit­telt wird? Uns Weißen muß so etwas deut­lich gesagt wer­den, da wir sol­che Erfahrungen am eige­nen Leib nir­gends in der Welt erle­ben müs­sen.

Oder wie oft berich­ten die Medien über tät­li­che Angriffe auf Schwarze und schrei­ben undif­fe­ren­ziert von “frem­den­feind­li­chen Akten”. Doch die Betroffenen ist oft keine Fremden, keine Ausländer, son­dern Mitbürger, hier gebo­rene Deutsche.

Die Autorin benennt zunächst uner­freu­li­che Gewohnheiten seit der Kolonialzeit, wie Begriffe, Bezeichnungen und Benennungen. Nach wie vor seien die Alltagssprache und auch die Werbung von einer ras­sis­ti­schen Wort- und Bildsprache geprägt. Als Beleg führt Noah Sow kon­krete Beispiele aus dem Fernsehen, den Printmedien und dem Showgeschäft an. Der von ihr gegrün­dete Verein “brau­ner mob e.V.” pran­gert regel­mä­ßig auf sei­ner Webpräsenz eben diese aktu­el­len und all­täg­li­chen ras­sis­ti­schen no-goes an.

Aber auch für deut­sche Behörden kon­sta­tiert sie in ihrem Buch laten­ten Rassismus. So wenn Staat und Polizei das “Racial Profiling” als Fahndungstechnik prak­ti­zie­ren wür­den. Hierzulande heiße das zwar “ver­dachts­un­ab­hän­gige Personenkontrolle”: Doch die Polizei stelle nicht­weiße Personen bei Kontrollen gene­rell unter Verdacht, Straftaten zu bege­hen – und das nur wegen ihrer Hautfarbe oder ver­meint­li­chen eth­ni­schen Zugehörigkeit. Bei sol­chen Kontrollen blie­ben weiße Menschen weit­ge­hend unbe­hel­ligt… Wenn Noah Sow kon­krete und bekannt­ge­wor­dene Beispiele für Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen detail­liert beschreibt, dann kom­men schon Zweifel am “demo­kra­ti­schen Rechtsstaat” auf.

Doch die Autorin bleibt nicht beim Beschreiben von Zuständen ste­hen; sie stellt Über­le­gun­gen an und Forderungen auf. Es gelte, neue Muster für eine wahr­haft anti­ras­sis­ti­sche Gesellschaft und vor allem für per­sön­li­ches Verhalten zu schaf­fen. Und sie for­mu­liert zwölf kon­krete Forderungen wie bei­spiels­weise einen anti­ras­sis­ti­schen Medienrat und die Entkriminalisierung anti­ras­sis­ti­scher Aufklärungsarbeit.

Es ist sowohl für den Leser als auch für den Hörer schmerz­lich, zu erken­nen, daß selbst auf­ge­klärte Menschen vor Fehlern nicht gefeit sind. Doch die­ses Erkennen ist ein ers­ter Schritt in die rich­tige Richtung auf einem lei­der noch lan­gen Wege zur Über­win­dung von des so all­täg­li­chen Rassismus. Folgen wir Noah Sows Aufforderung und wagen wir ein jeder für sich und wir alle gemein­sam die­sen Schritt zur Umsetzung der Menschenrechte auch bei die­sem Thema.

Alles in allem sind Buch und Hörbuch für Leser bzw. Hörer jeden Alters höchst emp­feh­lens­wert. Das Hörbuch betont vor allem den prak­ti­schen Ansatz des Buches und eig­net sich durch seine sprach­li­che aus­drucks­starke Gestaltung gut für den Einsatz im Schulunterricht und für die Weiterbildung von Multiplikatoren.

Lysett Wagner & Siegfried R. Krebs

Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der all­täg­li­che Rassismus. 320 S. m. Abb. Taschenbuch. Goldmann-Verlag. München 2009. 8.95 Euro. ISBN 978-3-442-15575-0.
Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der all­täg­li­che Rassismus. Hörbuch. Hamburg 2010 (Jeanne Dark Records) 13,99 Euro

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]

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