“No Turning Back” von Steven Knight

Tom Hardy ist Ivan Locke in Steven Knights

Tom Hardy ist Ivan Locke in Steven Knights “No Turning Back”

Steven Knight gilt als einer der Miterfinder der auch in Deutschland sehr erfolgreichen Spielshow Wer wird Millionär. Hier ist es Günther Jauch, in seinem Herkunftsland Großbritannien der Moderator Chris Tarrant, der die Kandidaten schweißtreibend in den Entscheidungswahn treibt. Vielleicht ist es daher gar nicht so weit hergeholt, Knight nun als Regisseur und Drehbuchautor mit No Turning Back in Verbindung zu bringen. Ein Mann – Tom Hardy – muss Entscheidungen treffen, immer und immer wieder. Sie treiben ihn binnen weniger Stunden aus seinem alten in ein neues Leben. Während Knight mit seinem Spielshow-Format die Möglichkeit gewährt, Millionäre hervor zu bringen, lässt er seinen Protagonisten Ivan Locke jedoch ohne Joker in der Hinterhand zu Grunde gehen.

Knight schafft mit No Turning Back aber mehr als bloße Spannung zu erzeugen. Auch wenn die Situation an sich schon einiges an Können erfordert, um die Aufmerksamkeit bei Tom Hardy nicht in Belanglosigkeit umzuwandeln, wenn dieser in seinem Auto von Birmingham nach London fährt und sonst eigentlich nichts weiter auf der Leinwand geschieht. Dieses Nichts füllt Steven Knight jedoch mit einem Tom Hardy, der zwischen Verzweiflung, Unsicherheit, Wut und auch ein wenig angsteinflößendem Irrsinn spielt. Ständig klingelt sein Autotelefon und Locke wird mit zahlreichen Unterhaltungen bombardiert. Wenn er denn mal die Gelegenheit bekommt, blickt er mit Frust und Zorn erfüllt in den Rückspiegel, sieht seinen Vater auf der Rückbank sitzen, obwohl dieser schon lange tot ist.

Tom Hardy als Ivan Locke

Tom Hardy als Ivan Locke

Die Taten des Vaters verfolgen diesen Mann, der trotz aller Vorsicht dieselben Fehler wiederholen musste. Nach einem One Night Stand erfährt Locke, dass er Vater wird. Ein Bastardsohn, der das Leben des Baumeisters durcheinander bringt. Trotz einer massiv wichtigen Zementlieferung zu seiner Baustelle, trotz seiner Familie, trotz dem Versprechen an seine Kinder, mit ihnen ein wichtiges Fußballspiel anzusehen, steigt Ivan Locke also in sein Auto und fährt los.

Und das sieht unglaublich schön aus, erinnert streckenweise an die visuellen Welten eines Michael Manns. Wenn wir nicht gerade damit beschäftigt sind, den Telefonaten Lockes zu lauschen, können wir in einem Bildermeer von bunten Lichtern ins Träumen geraten. Die Lichtstreifen die vorbeiziehen, die Spiegelungen in Front- und Rückspiegeln, verschwommene Bilder wenn wir von Innen hinaus nach draußen blicken, sich auf der Scheibe aber noch das Innere wiederspiegelt. Es ist eine ganz eigene Welt, die Steven Knight hier filmisch in Szene gesetzt hat.

Eine Welt die mehr und mehr in die Brüche zu drohen scheint. Die Ehefrau kann es nicht fassen, bricht in Tränen über diesen Verrat aus. Vom Sohnemann, der daheim das Fußballspiel ohne seinen Vater schaut, erfährt er, dass die Mutter sich im Bad eingeschlossen hat. Auch bei dem Jungen kommen erste Zweifel auf, ob denn hier wirklich noch alles in Ordnung ist, trotzt aber seiner Intuition und erzählt lieber von waghalsigen und bahnbrechenden Torschüssen. Ein Vorgesetzter von der Arbeit droht mit der Kündigung, da Locke so unvermittelt einen wichtigen Job vernachlässigt, den er jedoch aus dem Auto heraus, nur mit einem Telefon bewaffnet, doch noch erledigen will. Dabei erhält er Unterstützung von einem Arbeitskollegen, der es jedoch nicht lassen kann sich zu viel Alkohol einzuflößen als dass er noch eine gewinnbringende Hilfe sein könnte.

Allein hier muss man dem Drehbuch Respekt zollen. Die Situation erscheint so immens konstruiert, so viel verschachtelt – und doch bleibt sie realitätsnah bei der Sache. Die Problematiken eines absteigenden Lebens werden auf zwei Stunden dieses Mannes reduziert, die er sich fast hilflos im Auto befindet, mit dem sturen Vorhaben sein neugeborenes Kind zumindest einmal zu Gesicht zu bekommen, ihm eine bildliche Vaterfigur zu liefern. Eine Umkehr ist ausgeschlossen, zu sehr sitzt Ivan Locke im Wahn, nicht so zu werden wie der eigene Vater. Tom Hardy spielt diesen Locke als Durchschnittstypen und trägt damit einen wichtigen Part zur Teilhabe am Schicksal dieses Mannes bei. Auch wenn wir nicht immer alle seine Entscheidungen nachvollziehen können, möchten wir doch, dass es gut für ihn ausgeht. Ob es das jedoch tut, dass wird nur er selbst wissen. No Turning Back liefert zwar ein deutliches Ende, erzählt aber nicht davon, wie Ivan Locke sich damit fühlt. Er sitzt dann noch in seinem Auto und wir sehen ihn davon fahren.

No Turning Back
Regie & Drehbuch: Steven Knight
85 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Kinostart: 19. Juni 2014
im Netz: No Turning Back bei Facebook
alle Bilder © Wild Bunch/Studiocanal

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