Ich stutze.
Es war einfach ein nettes super witziges Gespräch mit Kommilitoninnen. Es fing an mit Klamotten und Uni - und plötzlich dieser Ton. Dieser Ton, den du niemandem vorwerfen darfst.
Denn es wird ja nicht offen gesagt, dass etwas daran schlecht sei, aber da bleibt dieser Ton.
Und ich werde stiller.
Ich bin ein wirklich offener freundlicher Mensch, möchte ich behaupten. Wenn mir jemand im anonymen Großstadt-Unigewühl die Chance gibt, bin ich bestimmt eher eine der angenehmen Gesprächspartnerinnen. Ich mache Witze, höre zu, lache laut, du kriegst mein Mimikfeuerwerk ab.
Doch bei diesem Ton...
Man erzählt sich wo man wohnt, dass man gerade umgezogen ist, wo man vorher gewohnt hatund Bam! Plötzlich liegen Aussagen wie "da wohnen doch nur Türken und Russen, oder?" und "wenn ich da meine Freundin besuche, ist mir das nachts immer unheimlich alleine da lang zu laufen" zu dicht zusammen. Wenn ich nachfragen würde, bekäme ich ausweichende Antworten. Unehrliche.
Also stutze ich erst einmal und frage mich, wie ich nun reagieren soll.
Und das passiert leider viel zu häufig, nicht nur in der Uni. Im Supermarkt, im Bus, auf Partys, im Internet.
Und ich sitze da nun und frage mich, wie ich reagieren soll.
Weil der Moment bis eben so schön war, neigt mein Herz dazu, Menschen in Schutz zu nehmen, die so etwas so sagen. Das geht so weit, dass ich mich frage "war der Ton überhaupt da? Bin ich überempfindlich?" Viele, die noch nicht in dieser Situation waren, werden das vielleicht bejahen. Vielleicht sogar diejenigen, die das selbst schon einmal erlebt haben. Vielleicht, weil sie nicht nur ihr Gegenüber schützen wollen, sondern auch sich selbst, indem sie mit aller Kraft das Bild, das sie von dieser Person haben, aufrecht erhalten. Und dabei ist es so leicht über Winzigkeiten hinweg zu hören.
Aber auch diese Winzigkeiten gehören zu unserer Sprache, zu unserer Kultur, zu unserer Gesellschaft. Auch wenn es in der Situation eine Winzigkeit war, die du oder dein Gegenüber verzeiht, heisst das nicht, dass es okay ist.
Auch Subtiles und Unterbewusstes manifestiert sich in unserer Gesellschaft. Und wir alle sind dafür verantwortlich.
Ich hoffe immer das Beste und somit gehe ich davon aus, dass die Sätze so erlernt sind. Dass diese Person einfach nicht an dem Punkt ist, an dem sie ihre Sprache reflektiert. Ehrlich reflektiert, nicht rechtfertigt. Denn rechtfertigen können wir gut, das lernen wir ja jeden Tag. Spätestens ab dem ersten Politikunterricht oder Erörterungsübungen in der Schule werden wir darauf gedrillt Stellung zu beziehen. Ich kenne Menschen, die machen den ganzen Tag nichts anderes als Opposition zu spielen. Und auch das wird gerechtfertigt. Wir müssten uns behaupten können. So ein Quatsch. Wenn ich nicht gerade Experte auf einem Gebiet bin, dann muss ich keine Meinung haben. Ich finde es tausendmal schlauer keine explizite Meinung zu vertreten, als irgendeinen nachgeplapperten unqualifizierten Unfug aufzuwärmen. Ich ärgere mich darüber, auch so geworden zu sein und schiebe die Schuld auf den WiPo-Unterricht, wo das Übel begann. Aber ausbaden muss ich es ja doch selber.
Ich möchte wieder wohlwollender gegenüber allen Menschen sein. Das heisst nicht, dass ich zu doofen Menschen nett sein will, sondern viel mehr, dass ich bereit sein will, sie mit offenen Armen zu empfangen, wenn ihnen auffällt wie doof sie waren.
Was habe ich also getan, ich Vorzeigegutmensch? Nichts. Ich weiß es doch auch nicht besser.
Rechtfertigungskatze würde sagen, es sei zu riskant gewesen in einem ersten Gespräch direkt Kontroversen anzusprechen, dafür braucht es Vertrauen.Der Rest von mir ist sich unsicher. Einerseits ja, es wirkt viel stärker auf Menschen wenn eine Person ein positives Beispiel abgibt, anstatt zu meckern, andererseits ist maulaffenfeilhalten schlichtweg feige, oder?
Wie ihr sehr, habe ich hier keine Lösung für euch, aber vielleicht habt ihr eine für mich?