Nirvana: “Nevermind”
VÖ: 24. August 1991 – Geffen Records (Universal)
Als Kurt Cobain Ende 1991 mit Ringelpullover und langen, wirren Haaren an einem Kronleuchter in den Mainstream schwang (“Come as you are”-Video), während unter ihm stoische Cheerleader ihrer Arbeit nachgingen (“Smells Like Teen Spirit”-Video), zeigte sich bei allem Aufbruchsgeist gleichzeitig auch die Tragik des nicht voran kommens. Über der ganzen Szenerie lag der Schatten der Generation X, berühmt geworden für ihre postmoderne Antriebslosigkeit.
All das hat bekanntlich nicht gerade an Aktualität eingebüßt und so ist es nur auf den ersten Blick überraschend, wenn Lana del Rey, bekanntermaßen vor allem talentiert darin, ein bestimmtes Zeitgefühl zu treffen, bei einem Konzert in Sydney eine Version von Heart-Shaped-Box zum besten gab. Wie auf weiten Strecken des “In Utero” Albums verarbeitete Cobain auch hier seine Abscheu vor dem Pop-Zirkus. Und was sagt uns das nun über den Menschen Lana del Ray? Die Figur positioniert sich jedenfalls aufmerksamkeitswirksam-paradox gegen das Business.
Sind Nirvana also endgültig Teil der genreübergreifenden Musikgeschichte Amerikas, die symptomatisch für einen gesellschaftlichen Zustand ist, siehe Hendrix zersägter “Star Spangled Banner” während des Vietnamkriegs, nur eben auf sozialpolitischer Ebene?
Qestlove, seines Zeichens Drummer von “The Roots” und so etwas wie ein Bewahrer schwarzer Musikgeschichte, baute bei seinem DJ-Gastspiel im Berliner Gretchen neben “Sympathy for the Devil” auch “Smells like Teen Spirit” als einen der wenigen weißen Sprengsel in sein Soul/R&B/HipHop/Jazz/Breaks=Black Music-Set ein. Und bewies dabei, dass der ein oder andere gekonnte Scratch und ein hervorgehobener Basslauf auch Nirvana zur Booty-Musik machen kann.
Was bleibt (auch wenn die Erkenntnis nicht direkt, aber in dieser Bandbreite vielleicht neu ist) ist, dass egal wann, wer, wo und wie, Nirvana zeit- und genreübergreifend funktionieren. Eben ein Instant-Classic!
Autor: Johannes Hertwig