Über wie viele Leichen muss man gehen für den perfekten Shot? In Nightcrawler spielt Jake Gyllenhaal unter der überraschend sicheren Hand des Regiedebütanten Dan Gilroy einen soziopathischen Fotografen, der immer tiefer in seinen persönlichen Abgrund rutscht.
Lou Bloom (Jake Gyllenhaal) ist ein Ganove und hält sich mit kleineren Diebstählen über Wasser. Da ihm niemand eine Chance geben will, fährt er orientierungslos durch die Stadt bis er an einem Autounfall vorbeikommt. Noch während die Polizei eine Frau aus dem Wagen zieht, steht eine Fernsehcrew daneben und filmt die Geschehnisse. Lou beschließt, dass dies genau das richtige für ihn ist und besorgt sich eine Kamera. Während er am Anfang kämpft, beginnt er bald näher an die Tatorte heranzugehen und bekommt irgendwann bei einem lokalen Sender den Fuß in die Tür. Die Nachrichtendirektorin Nina (Rene Russo) ist zuerst erfreut über das Material das er bringt, zweifelt jedoch bald an der Legalität der von ihm beschafften Aufnahmen. Doch Lous Karrieredrang kennt keine Grenzen.
Dan Gilroy bringt hier einen düsteren Thriller auf die Leinwand, der dieses Jahr seinesgleichen sucht. Während die visuelle Gestaltung zwar mitunter Ähnlichkeiten mit Drive (2011) aufweist, gehen Handlung und Charakterentwicklung in eine völlig andere Richtung. Nightcrawler verliert nie an Tempo und steigert sich in jeder Szene. Doch wer hier wirklich eine unglaubliche Leistung bringt ist Jake Gyllenhaal. Hager, verstörend und absolut obsessiv. Sein Lou Bloom ist die Definition der Charakterdarstellung. Gyllenhaal zeigt sich hier (einmal mehr) als wahrhaft vielseitiger und talentierter Darsteller schwieriger Figuren. Gerade in Nightcrawler könnte es ihm leicht passieren, dass der Protagonist rasch unsympathisch wird und damit jegliche Empathie von Seiten des Publikums verloren geht, wäre da nicht Gyllenhaals beeindruckende Leistung, die selbst diesem zwielichtigen, besessenen Typen eine menschliche, geradezu sympathische Note verleiht.
Rene Russo spielt die Programmchefin gefangen zwischen Quoten und ethischer Vorgehensweise überraschend publikumsnah und zeigt im gleichen Zug die Problematiken im Fernsehen auf. Dan Gilroy hat für Nightcrawler sowohl das Drehbuch geschrieben als auch Regie geführt und scheint seinen Weg konsequent von Anfang bis Ende perfekt durchgeplant zu haben. Nicht nur, dass sein Drehbuch dicht und vielschichtig ist, auch seine Regie (und immerhin handelt es sich hierbei um sein Debüt) überrascht durch stilistische Klarheit seine Geschichte in ausdrucksstarke Bilder zu packen.
Die Abweichung von Nachrichten als Inhalt zur ständigen Angst-Generierung ist ein zentraler Punkt des Films, wird aber nur durch Bloom´s Vorgehensweise kritisiert. Ohne tatsächlich mit dem Finger zu zeigen, schafft es Gilroy und sein Team die Absurdität des Ganzen zu konkretisieren und gleichermaßen zu zeigen, wie oft man selber bei kleineren Diskussionen von anderen Personen überrannt wird. Lou Blooms Charakter ist ebenso charismatisch wie soziopathisch. Jake Gyllenhaal ist damit auf dem besten Weg zum Oscar (zumindest würde er ihn sich dafür verdienen). Nightcrawler bietet mit seinem Setting, der Handlung und der visuellen Umsetzung ein Gesamtpaket, das dieses Jahr sicher zu den Besten gehört.
Nightcrawler ist ein intensives Stück Kino, das verstört und gleichzeitig fesselt. Vielmehr gibt es dazu nicht zu sagen, außer: unbedingt anschauen!
Regie und Drehbuch: Dan Gilroy
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Bill Paxton, Riz Ahmed, Ann Cusack, James Huang
Filmlänge: 117 Minuten, Kinostart: 14.11.2014, nightcrawlerfilm.com