Night Slugs live in Berlin – zwischen Transzendenz und Materialität

Von Ntropy @ntropy

Vor rund zehn Jahren sorgte Dubstep für einen Riss in der Clubmusiklandschaft. Mit extremen Bässen, düsteren Klangtexturen, die Grenzen der physischen Orientierung sprengenden Hallräumen und radikaler Atonalität forderte er die Rezeptionsgewohnheiten heraus.

Dubstep war damit nicht nur das nächste Kapitel im „Übergang aus dem formierten Körper in einen individuell vibrierenden“ (Theweleit), sondern vor allem ein Befreiungsschlag aus den gezuckerten Vocalsamples von UK Garage und der rhythmischen Gleichförmigkeit des House. Ein Angriff auf die glückselige Ecstasy-Harmonie zugunsten einer akustischen Überwältigung und Überraschung, aber auch des Unbehagens, der vergleichbar ist mit dem Versuch Baudelaires, die Ästhetik der Schönheit neu zu vermessen.

Während der frühe UK Dubstep ein Dialog mit dem Unschönen, Abstrakten und Düsteren war, versöhnt die zweite Generation, allen voran das Londoner Label Night Slugs das Düstere wieder mit dem Schönen, sowohl musikalisch als auch visuell. Dem Hang zu dunklen Farben setzen sie eine slicke Ästhetik aus entfremdetem Science Fiction- und 8-Bit-Design inklusive Neonfarben entgegen.

Mit der Kreuzung aus technoider Repetition, tiefen Bässen und überraschenden Breaks kreieren die Macher, von den perkussiven Drumtracks über den Neo-Garage-Soul von Bok Bok oder dem nihilistischen Psychedelic Techno von L-Vis 1990, einen ambivalenten Raum aus Euphorie, Unbehagen und jugendlicher Überdrehtheit.