Um in diese Zwickmühle zu geraten, muss zwischen den beiden Kommunikationspartnern eine intensive Beziehung bestehen. Außerdem darf die wahre Bedeutung der Botschaft logisch nicht entscheidbar sein. Weiters ist es verboten, über die Kommunikation zu reden. Wird dieser Versuch unternommen, die Verwirrung anzusprechen, wird dies als ungehorsam bewertet und/oder als verrückt abgetan. Schließlich muss ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen. Z.B. ein Kind kann sich aus dem Rahmen der Familie NICHT zurückziehen.
Systemische Verletzungen
Wird die Unterscheidungsfähigkeit in einem System konsequent unterdrückt, pflanzen sich die bereits bestehenden systemischen Verletzungen fort. Bedeutsam für das Entstehen von paradoxen Kommunikationsmustern ist die Verweigerung der Beziehung. Dadurch kontrolliert der Verweigerer die Bezugnahme.
Die Ursache dafür liegt in bereits erlittenen schwierigen Beziehungen; meist über das Eltern-Kind-Verhältnis. Systemische Traumata und Verletzungen werden in der Familie nicht aufgearbeitet und so über Generationen unbewusst weitergegeben.
Zusätzlich traumatisieren Doublebinds (Doppelbindungen), da der Empfänger keine Möglichkeit hat, über seine Wahrnehmungen und sich selbst Klarheit zu erlangen. Die Entwicklung der Persönlichkeit wird auf diese Weise gestört. Der Empfänger kann keine Bewusstheit über sich selbst entwickeln, wenn er jedes Mal glauben muss, anders zu sein, als er sein sollte und dies noch dazu immer falsch fühlt.
Das Resultat von Doppelbindungen sind fatale Beziehungsschwierigkeiten. Häufig halten sich die Betroffenen nicht für beziehungsfähig. In Extremfällen kann dies zu Schizophrenie, Psychosen etc. führen. Doch man kann aus diesen Doppelbindungen in der Beziehung erfolgreich aussteigen lernen.
Entfremdung als Antwort auf Leid
Zunächst ist wichtig, die Doublebinds in der Kommunikation zu erkennen. Die unbewussten Regeln der paradoxen Kommunikation müssen zunächst erkannt werden. Dabei ist zu bedenken, dass die Existenz solcher Regeln häufig bestritten wird. Betrachten wir zunächst die Regeln für das Funktionieren von Doppelbindungsstrukturen.
Die erste Regel besagt, dass die Spielregeln allmächtig sind und der Einzelne keine Macht hat. Unsichere, ängstliche Menschen, die in ihren Herkunftsfamilien gelernt haben, negative Gefühle zu leugnen und Konflikte zu vermeiden, gehen sehr leicht in Resonanz zu einander. Die Kommunikation erfolgt symmetrisch, d.h. gleichklingend und ohne Disharmonien.
Weiters dürfen negative Gefühle nicht sein. Die zweite Regel verlangt eine Leugnung von negativen Empfindungen. Die Unterschiedlichkeit in einem System fördert die Entwicklung. Hat ein Paar Angst vor Entwicklung, dann wird diese Unterschiedlichkeit unterdrückt, damit der Familienfriede gewahrt bleibt. Die Beziehung erfolgt auf Kosten der Differenzierung, und es gestaltet sich eine Pseudo-Gemeinschaft.
Diese symmetrischen Pseudo-Gemeinschaften führen zu einer zwangsweisen Gleichheit. Die dritte Regel besagt, dass niemand eine eigene Position einnehmen darf. Auf diese Weise bleiben die Beziehungspartner emotional voneinander getrennt und auf stereotype Rollen fixiert. Oberflächlich scheint eine Übereinstimmung gegeben zu sein, doch insgeheim sind sie geteilter Ansicht. Auf diese Weise werden inkongruente Botschaften gesendet, was zu widersprüchlichen Bezugsbildern führt.
Diese stereotypen Rollen dürfen nicht verändert werden und die Beziehungsmuster müssen gleich bleiben. Dies formuliert die vierte Regel, bei der nichts verändert werden darf, da es sonst als Bedrohung gewertet wird. Jedes Systemmitglied ist genötigt, ausnahmslos ALLEN im System zu helfen, an den jeweiligen Rollen festzuhalten.
Der dadurch entstehende Familienmythos lautet dann: „Bei uns ist alles in Ordnung. Es gibt keine Schwierigkeiten.“ Dies ist die fünfte Regel. Jede Gelegenheit, etwas im System zu verändern, wird im Keim erstickt und ist Anlass für die anderen, mit Aggressivität zu reagieren. Dennoch wird immer wieder betont, dass eigentlich alle das Recht auf eigene Meinung und Lebensgestaltung haben. Die Aufmerksamkeit wird daher vorwiegend auf andere gerichtet und es wird über sie geredet.
Über andere darf man also getrost reden, doch offene Auseinandersetzungen in der Familie müssen um jeden Preis verschwiegen werden. Die sechste Regel besagt, dass eigene Positionen um jeden Preis geleugnet oder geächtet werden. Die Rolle des „schwarzen Schafs“, des Sündenbocks ist das Resultat. Das „aggressive Kind“, der „Versager“ sind das Ergebnis unterdrückter Emotionen oder Versagensängste der Eltern. In dieser Etappe werden alle Schwierigkeiten auf den Sündenbock projiziert, er wird dafür getadelt UND gleichzeitig wird ihm vermittelt, dass er nicht fähig wäre, sich zu ändern. Man trägt für die Harmonie und die Ganzheit des Systems.
Schuld ist immer jemand anders! Dies ist die siebte Regel. Da alle gleich sein müssen und die Verantwortung innerhalb des Systems nicht erkannt wird, muss jemand anders außerhalb des Systems dafür schuld sein.
Die achte Regel besagt, dass niemand jemals Bestätigung erfahren darf! Allerdings wird jedem Systemmitglied in Aussicht gestellt, die gewünschte Bestätigung eines Tages zu erhalten. Nur wann…
Weiters darf niemand das System verlassen. Dies ist die neunte Regel. Die Spannung, welche sich aus der Botschaft „Ich existiere nicht in Beziehung zu dir“ und der stattfindenden Beziehung ergibt, führt zu einer Spaltung in der Persönlichkeit.
„Sei so, wie du nicht bist!“ – Die Leugnung von Beziehungsschwierigkeiten erfolgt durch Strategien wie einer Abwertung des Beziehungspartners oder seiner Mitteilungen, dem Wechseln des Themas oder der Taktik, wesentliche Bestandteile der Auseinandersetzung zu ignorieren. Dies ist die zehnte Regel.
Die elfte Regel soll ein schlechtes Gewissen im Gegenüber bewirken. Die Klärung von Konflikten ist unmöglich.
Es geht NICHT darum, etwas richtig oder falsch zu machen! Wichtig ist, NIEMALS die Kontrolle zu verlieren und sich dem anderen unterzuordnen. Dies ist die zwölfte Regel. Auf diese Weise bleibt das Spiel aufrecht.
Freundschaft als Lösung
Nachdem Entfremdung die Antwort auf das erlittene, aber geleugnete Leid ist, ist Freundschaft mit sich selbst die Lösung aus diesen paradoxen Verstrickungen. Die Ursache liegt in der Verdinglichung der Selbsterfahrung und des Ich-Fokusses. „Es gibt in den drei Welten nichts Dingliches. Wo wäre da ein Geist zu finden?“
Freundschaft bedeutet Nähe und Hinwendung. Im verletzten System wurden leidhafte Verhaltensmuster in der Bezugnahme als etwas Angeborenes gesehen. Doch es sind nur Verhaltensmuster!
Die Fähigkeit zum Mitfühlen ist uns aber angeboren. Daher gibt es aus diesem Potential heraus auch die Möglichkeit zur Heilung. Wir können uns wieder vertraut mit uns machen.
Wenn Sie Erfahrugen zum Lösen von Verstrickungen haben, dann würde ich mich über Ihren konstruktiven Kommentar hier freuen.