Niedergang des Raubtierkapitalismus eröffnet die Chance, den feudalen Neoliberalismus EU-weit zu überwinden?

Kühner, als das Unbekannte zu erforschen, kann es sein, das Bekannte zu bezweifeln. (Alexander von Humboldt)

Mit der Griechenland-Debatte im Bundestag wurde an und für sich überdeutlich, dass der ökonomische Sachverstand nicht weit verbreitet ist. Jedenfalls verzichtete der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) darauf, mit fundierten ökonomischen Argumenten seine Politik zu verteidigen. Das führt zu der Fragestellung, ob diese Politik überhaupt etwas mit Ökonomie zu tun hat, wohl eher nur mit der Machterhaltung der Eliten in der Gesellschaft zu Lasten der Masse der einfachen Bürger.

Will Frau/Mann über den Beginn der Verwerfungen auf den Finanzmärkten, den staatlichen Schuldenbergen und der Euro-Problematik sinnieren, dann steht am Anfang der Betrachtung sicherlich der Begriff “Shareholder Value”.

Der US-Ökonom Alfred Rappaport hatte mit seinem Buch “Shareholder Value: Wertsteigerung als Maßstab der Unternehmensführung” aus 1986 die Grundlage einer Entwicklung gelegt, die den MONETARISMUS eines Milton Friedman weltweit beschleunigte.

Der neoliberale Ruf nach Deregulierung, dem Abbau von Bürokratie und Kontrollen, plakativ nach weniger Staat und mehr Markt, nach Privatisierung lukrativer Kommunalbereiche begleitete den neuen Götzen “Shareholder Value” und daraus folgend den Fetisch Börse, der die Fieberkurven der Wirtschaft analysierte und darauf reagierte.

Interessengeleitete “Unternehmensberater” flankierten die tagein tagaus schwadronierten Parolen der neoliberalen Ideologiebestandteile, während Politik und Verwaltung so wenig Sachverstand aufwies, dass noch nicht einmal die gröbsten Widersprüche aufgedeckt und diskutiert wurden.

Ein Beispiel dafür: Warum muss die Privatisierung eines Stadtwerkes erfolgreicher sein? Welchen Interessengruppen nutzt die Privatisierung? Wer ist der Verlierer der Privatisierung?

Es gibt aus betriebswirtschaftlicher Sicht keinen Grund anzunehmen, dass ein Stadtwerk, das einer Kommune gehört, schlechter wirtschaftet als ein privatisiertes! Ganz im Gegenteil. Das privatisierte Stadtwerk muss für die KUNDEN / BÜRGER teurer sein, weil der SHAREHOLDER VALUE maximale Gewinnausschüttungen postuliert, während Stadtwerke bei Kommunen allenfalls Überschüsse für die Finanzierung von Reinvestitionen ansammeln müssen.

Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Stadtwerke über eine vergleichbar tüchtige Unternehmensleitung verfügen, wie privatisierte Unternehmen auch.

Wenn überhaupt in Stadtwerken schlechter gewirtschaftet wird, dann muss das andere Gründe haben, zuweilen wirkt sich der Einfluss von Parteien-Proporz negativ aus. Aber solch ein Problem wäre politisch zu lösen!

Damit ist das neoliberale Glaubensbekenntnis, PRIVAT vor STAAT, ad absurdum geführt. Damit ist nicht gesagt, dass sich der Staat überall engagieren soll, denn es geht bei Kommunalunternehmen im Kern um die Sicherung der Daseinsvorsorge für die Bürger, also kostengünstigen Zugang zu Infrastruktur, Energie und Wasser sowie Krankenhäusern usw..

Allerdings gieren Unternehmen danach, Felder der Daseinsvorsorge zu besetzen, auch weil die Bürger nicht ausweichen können und jeden Preis bezahlen müssen. Es gibt jedenfalls kein Beispiel dafür, dass nach einer Privatisierung die Preise für die Bürger gesunken sind. Ganz im Gegenteil, die Preise sind in kurzer Zeit erheblich angestiegen.

Der Shareholder Value deutete bereits begrifflich an, wohin sich die “Ökonomie” bzw. die wirtschaftlichen Machtstrukturen entwickelten. Die Unternehmen wurden auf die kurzfristigen Ausschüttungs-interessen zugeschnitten; langfristige Entwicklungen passten nicht ins Konzept, da wurde lieber Fertiges zugekauft.

Mit der Auflösung des “Rheinischen Kapitalismus” in der Kohl-Ära, gewannen die internationalen Börsen an Gewicht. Das Zocker-Casino war eröffnet, es machte das Wort von den “Heuschrecken” die Runde, weil nicht greifbare “Kapitalansammlungen”, hinter denen nicht selten anfangs nur ein Anwaltsbüro steckte, heute als Hedge-Fonds bekannt, Unternehmen aufkauften und uninteressante Geschäftsfelder wieder veräußerten wie “warme Semmel”.

Der neoliberalen Ideologie des Shareholder Values folgend, wurde unter Gerhard Schröder (SPD) der größte “prekäre Arbeitsbereich” geschaffen, genannt Hartz IV, der rund 1/3 der Arbeitnehmer in die Arbeitslosigkeit und / oder prekäre Arbeitsverhältnisse drängte.

In wenigen Jahren zeigte sich, wie die geänderte “Umverteilungspolitik” den Reichtum der oberen Zehntausend mehrte, so dass die abgehobenen Eliten unbedingt an dieser Politik festhalten wollten. Es war die verdeckte Rückkehr des ALTEN ROM mit Senatoren, Bürgern und Sklaven, eine neue Feudalstruktur, die sogar über die Rettungspakte in der EU eingeführt und verfestigt werden soll.

Die damit zeitlich einhergehende Deregulierung der Finanzmärkte öffnete der Spekulation Tür und Tor. Denn die “leistungslos” aus der neoliberalen Umverteilung von unten nach oben gewonnenen Finanzmittel suchten nach Anlagemöglichkeiten. Und die Börsen mit ihren Derivaten und neuen Erfindungen versprachen mehr Rendite, als die risikoreichere Geldanlage in der Realwirtschaft.

Auch die “steuerlichen Anreizsysteme” sorgten dafür, dass Kapitaleinkünfte sehr niedrig besteuert wurden. Hinzu kam, dass die Steueroasen geradezu ihre Blütezeit hatten und die “leistungslos” erhaltenen Finanzmittel gerne aufsaugten.

Dieser schamlose Tanz um das Goldene Kalb FINANZMARKT führte jedenfalls nicht dazu, dass Ökonomen und Politiker diese Entwicklung kritisch hinterfragten, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Hinzu kam, dass die US-hörigen Medien, vor allem in Deutschland, die Scheinerfolge feierten. Dass der Export-Boom auf massivem Lohndumping basierte und das dadurch andere EU-Länder, die diese Politik nicht verfolgten in Schwierigkeiten geraten mussten, interessierte nicht weiter. Auch das Wissen, dass wesentliche Vermögen nur durch die schamlose Umverteilung von unten nach oben zustande kamen, interessierte nicht wirklich. Schließlich zählten ja auch die Journalisten zu den Eliten. Und wer will schon aus einer komfortablen Situation kritisieren, dass die “leistungslosen” Umverteilungsgewinne an und für sich durch nichts zu rechtfertigen sind, ja sogar die Kultur der Leistungsbereitschaft, die in Deutschland besonders ausgeprägt war, Schaden nimmt. Den Leistung lohnt sich seit “Kohl” nicht mehr!

Der häufig zu hörende und zu lesende Satz, dass es Deutschland noch nie so gut gegangen ist, basierte in der Realität auf der gezielten Verarmungspolitik breiter Bevölkerungsschichten sowie dem Unvermögen der anderen EU-Länder, sich gegen den skizzierten “Scheinerfolg” Deutschlands auf ihre eigenen Kosten zu stemmen und lauthals zu protestieren.

Pikanterweise verstößt die deutsche Wirtschaftspolitik der letzten 20 Jahre sogar gegen das Grundgesetz (Artikel 109), insbesondere der Forderung nach Einhaltung des gesamtwirtschaftlichen bzw. außenwirtschaftlichen Gleichgewichtes sowie der Preisstabilität!

Die praktizierte Verarmungspolitik (Hartz IV, Agenda 2010) führte dazu, dass beispielsweise mangels Konsum europäischer Waren und Leistungen (Urlaub etc.) sowie der stark sinkenden “Lohnstückkosten” (Deutschland=Nichteinhaltung der angestrebten Preisanstiege von rd. 2 % in der EU, insbesondere bei Löhnen und Gehältern), die Wettbewerbsfähigkeit in den anderen EU-Ländern dramatisch sank und w/ der Einheitswährung EURO nicht durch Kursanpassungen gegengesteuert werden konnte. Dass die “Leistungsbilanzdefizite” dieser Länder zum Anstieg der Staatsschulden führte, sollte niemanden überraschen.

Bis heute haben Schäuble & Co. anscheinend nicht verstanden, warum das “außenwirtschaftliche Gleichgewicht” Eingang in das Grundgesetz gefunden hatte. Albrecht Müller (NachDenkSeiten) und Prof. Heiner Flassbeck haben in Artikeln Juristen dazu aufgerufen, die Bundesregierung zu verklagen!

Weiterhin fehlt offensichtlich das Verständnis für die Rolle der GELDWIRTSCHAFT im Verhältnis zur REALWIRTSCHAFT. Wie kann es sein, dass die FINANZWELT REALWIRTSCHAFT und POLITIK dominiert?

Erst nachdem jedem klar sein musste, welche verheerende Folgen die kriminelle Energie Weniger ausgelöst hatte, gab es eine Reihe von Lippenbekenntnissen. Wesentliche Taten zur Machtbeschränkung der FINANZWELT sind aber bis heute nicht feststellbar!

Ganz im Gegenteil, die Politiker haben sich offensichtlich von der kriminellen Energie der FINANZWELT anstecken lassen, weil sie “systematisch” (z.B. Regularien zur Abwicklung von Banken) “unbeteiligte” Bürger in die Haftung nehmen.

Und die Wissenschaftler, vor allem die Ökonomen, sind offenbar blind gegenüber unübersehbaren Entwicklungen wie Ökokrise, Kulturverfall, Zurückdrängen der Demokratie, Welthunger usw. und daraus folgende Kriege! Zigtausende “Experten” hatten versagt; Hochschulen und Universitäten befassen sich offensichtlich hauptsächlich mit realitätsfernen Fragestellungen.

Daran schließt sich die Frage an wie es möglich war, dass so viele Wissenschaftler so gerne auf die “neoliberalen Ideologien” eingegangen sind und so verinnerlicht hatten, dass selbst Finanz- und Schuldenkrisen sie nicht dazu animierten, selbst einfache Fragen zu stellen? Denn die neoliberale Ideologie der “Selbstheilungskräfte des Marktes” hatten offenbar jämmerlich versagt!

Es bleibt nur die Antwort darauf, dass Ignoranz, Dummheit und Blindheit gepaart mit ideologischer Verblendung wohl weiter verbreitet sind, als es für einen Staat gesund sein kann. An dieser neoliberalen Verblödung hatte die FDP einen nicht kleinen Anteil.

In den volkswirtschaftlichen Modellen handeln die Akteure alle “rational”; nur die Realität sieht anders aus. Gier und interessengeleitete Politik bestimmen das Handeln.

Und lässt sich eine friedliche Gesellschaft / Welt wirklich auf Zielen wie “Gewinnmaximierung” und “Marktbeherrschung” stützen, auf eine Ökonomie ohne Ethik und Normen?

Benötigen wir nicht ein völlig neues Nachdenken über Ökonomie, eine Ökonomie der arbeitsteiligen Regionen? Der Fetisch Globalisierung ist allerdings noch so tief in den ansonsten ökonomisch hohlen Köpfen eingepflanzt, dass alleine die Erkenntnis des notwendigen Umdenkens schon ein großer Fortschritt wäre.

Würde eine Ökonomie der arbeitsteiligen Regionen nicht die bekannten “zyklischen Konjunktureinbrüche” beseitigen?

Würde nicht das komplette Verbot von “Spekulationen” und eine strikte Trennung von Investment-Banken und Banken für den Geldverkehr nicht den toxischen Einfluss der FINANZWELT den Boden entziehen?

Würde die neue Ökonomie nicht auch der Dehumanisierung der Arbeitsbedingungen ein Ende bereiten, weil es nicht mehr nur auf den billigsten Anbieter ankommt?

Würde nicht die neue Ökonomie auch zu einem Abbau der “leistungslosen” Einkommen führen, der Umverteilung von unten nach oben?

Würde nicht ein neues Nachdenken über das “Zinsniveau” den problematischen Wachstumszwang eindämmen?

Und wie sähe es mit den bekannten Problemen derzeitiger neoliberaler Ideologie aus, wie Hungersnöten, Umweltzerstörung, anwachsende Armut, Wasser- und Gesundheitsprobleme und Kriegen?

Und gäbe es noch Gründe, in andere Länder zu flüchten, weil Frau/Mann die eigene Familie nicht mehr ernähren kann?

Ist es vor dem Hintergrund einer neuen Ökonomie der Regionen zwingend, Markt und Kapitalismus gleichzusetzen?

Die skizzierten Denkansätze werden den bestehenden “Raubtierkapitalismus” nicht gefährden, wenn die Masse der Bürger passiv bleibt. Die Wähler in Griechenland haben deutlich gemacht, dass Veränderungen möglich sind.

Gehen wir neue Wege und wagen den Anfang. Die derzeitige Krisenzuspitzung könnte solch einen Neuanfang hervorbringen.

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