Nie mehr grünes Fischcurry!

Von European-Cultural-News

“Aus Spaß wird Ernst” – ein Paradebeispiel einer gelungenen Inszenierung für Jugendliche. Langzeitwirkung wird garantiert.

Die kalte Stimme aus dem Lautsprecher lässt einem alle Haare zu Berge stehen. „Frau Sarah Wassermann bitte in Zimmer 103, Frau Sarah Wassermann bitte“. Jede Frau kennt die beklemmenden Gefühle im Vorzimmer einer gynäkologischen Einrichtung. Die Kälte, die einen befällt, die plötzliche Enge im Hals, die Angst vor dem Stuhl, auf dem man die Beine spreizen muss. Es ist ganz still im Theaterraum. Rund 60 Schülerinnen bzw. Schüler aus der Kandlgasse packt die Szene aus dem Stück „Aus Spaß wird Ernst“, das im Brick5 uraufgeführt wurde. Zwei junge Frauen, die eine blond und langhaarig, die andere mit kurzen, schwarzen Haaren befinden sich in der soeben beschriebenen Situation. Sie warten auf ihre Untersuchungen. Bald stellt sich heraus, dass eine schon ihr zweites Kind im Bauch verloren hat und es herausoperiert werden muss. Die zweite möchte ihren Fötus abtreiben lassen. Ein überdimensional großes Taschentuch wird zum verbindenden Element, das die Trauer der beiden Frauen ausdrückt.

Flashback: Sarah befindet sich im Schlafzimmer mit ihrem Mann und überrascht ihn mit der Ankündigung ihrer Schwangerschaft. Katharina Köller, die den Text gemeinsam mit Ivana Rauchmann schrieb, baute an dieser Stelle eine skurrile Situation mit ein. Das Läuten spätnachts an der Türe stellt sich als Polizeibesuch heraus, der von Sarah kurzerhand hinauskomplimentiert wird. Was der Grund des Besuches war bleibt im Dunkel, ist für die Fortführung des Geschehens nicht wirklich wichtig. Klemens Dellacher überzeugt nicht nur in die Rolle des jungen Ehemannes, der sich über das angekündigte Baby sehr, sehr freut. Er hat auch die Lacher der jungen Burschen aus dem Publikum in jenem Augenblick auf seiner Seite, in welchem er noch gar nicht richtig realisiert hat, was ihm seine Frau gerade verkündet hat und so reagiert, als hätte ihm Sarah gerade eine belanglose Alltagssituation geschildert.

In einer weiteren Szene wird klar, warum Anna Erde ihr Kind nicht bekommen möchte. Ihre anfängliche Freude über die Schwangerschaft wurde in wenigen Augenblicken zunichtegemacht. Ihr Freund Paul will das Kind nicht, ist er doch verheiratet und will die Affäre unter keinen Umständen auffliegen lassen. Das grüne Fischcurry, das er gerade zubereitet hat, findet an diesem Abend keine Abnehmer. Der kleine Küchentisch, der die Last des Essens nicht hält, bricht während der Diskussion zusammen – eine anschauliche Metapher für das sich anbahnende Beziehungsaus. Wenngleich dies auch einem Theater-Hoppala geschuldet war. Clara Diemling spielt trotz ihrer Jugend brillant. Das Entsetzen, das sie angesichts des raschen Abtreibungsvorschlages von Paul packt, überträgt sich spürbar auf das junge Publikum. Die Zeit, die ihr davonläuft, beschwört sie in einem feinsinnigen, sprachlich brillanten, lyrischen Song. Ihre Freunde, die Ivana Rauchmann, zuständig für die Regie, mit Halbmasken auftreten lässt, raten ihr ebenfalls von dem Kind ab und so sickert nach und nach das ursprünglich Ungewollte aber nun scheinbar Unvermeidliche ins Bewusstsein der jungen Frau.

Sarah hingegen, die einst so verliebt in ihren Mann war, verändert sich zusehends. Sie wird ihm gegenüber aggressiv und wünscht sich nur mehr, alleine zu sein. Eine Situation, die ihr Ehemann nur schwer erträgt. Sophie Wegleitner erlebt das volle Wechselbad der Gefühle zwischen der immensen Freude schwanger zu sein und dem Horror, ein abgestorbenes Kind im Bauch zu tragen. Immer wieder wechseln realistische Dialoge mit kleinen, beinahe intimen Liedern, vom Band mit Klavier und Cello begleitet. Sowohl Anna als auch Sarah nehmen das junge Publikum dabei in ihr innerstes Gefühlsleben mit und drücken so anschaulich ihre Ängste, Wünsche und Sehnsüchte aus.

Das grüne Fischcurry und die gynäkologische Ambulanz – sie sind die Konstanten in diesem Spiel um Leben und Tod. Paul, der sich vom anfänglichen Traumpartner zum Befürworter einer raschen Abtreibung verändert und ebenfalls von Klemens Dellacher dargestellt wird, dieser Paul sorgt noch für gehörig Überraschung. Die wunderbare Klimax, bei der einem der Atem stockt, ist so kunstvoll wie in den allerbesten psychologischen Dramen gestrickt. Dieser Höhepunkt soll hier nicht verraten werden, denn es ist zu hoffen, dass „Aus Spaß wird Ernst“ noch häufig aufgeführt werden kann. Ein Stück, das aufgrund seines klugen, sparsamen und zugleich doch anschaulichen Bühnenbildes mit geringem Aufwand auf Tour geschickt werden könnte, von Schule zu Schule in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Mit Dellacher, Diemling und Wegleitner, alle drei im letzten Jahrgang der Schauspielschule Krauss, wurde eine Optimalbesetzung für dieses Stück gefunden. Authentisch und in keinem Augenblick aufgesetzt wirkte ihr Spiel mit dem sie richtig große Klasse bewiesen. Im Zusammenwirken mit dem cleveren Text und der unglaublich umsichtigen, stringenten und kreativen Regie von Ivana Rauchmann kann, nein muss diese Inszenierung aufs Wärmste weiterempfohlen werden.

Die Diskussion, die sich im Anschluss unter Einbeziehung der Mädchen und Burschen entwickelte, zeichnete sich durch viele, viele Wortmeldungen aus. Ein Beweis der großen thematischen Brisanz.

Musik: Angelika Haas
Autorin: Katharina Köller
Technik: Andreas Bogner
Konzept, Idee, Regie, Co- Autorin: Ivana Rauchmann