Nichts für mich

Okay, ich geb’s ja zu, dass es peinlich ist, wenn eine erwachsene Frau, die eigentlich mehr als genug um die Ohren hätte, jeweils ihr iPad mit aufs WC schleppt, um ein paar Runden „Word Warp“ – möglichst viele Wörter in Englisch aus sechs Buchstaben bilden – zu spielen. Noch peinlicher wird es, wenn ich gestehen muss, dass das Au Pair und ich an langen Abenden hinter dem Bildschirm sitzen, jede damit beschäftigt, ihr Solitaire-Spiel zu gewinnen, jede frustriert darüber, dass man je nachdem, wie die Karten gemischt sind, keine Chance hat, das Spiel zu gewinnen. So frustriert, dass wir uns schon mit dem Gedanken getragen haben, den Verein „Fair Solitaire“ ins Leben zu rufen. Ein Verein, der sich dafür einsetzt, dass man jedes Spiel gewinnen kann, wenn man denn schlau genug ist.

So also sehen sie aus, die eher peinlichen Seiten meines Lebens, die ich damit schönzureden pflege, dass der Kopf nach ein paar Momenten sinnloser Spielerei wieder leergefegt ist, frei und offen für neue, anspruchsvolle Gedanken und vielleicht, im Idealfall, auch für neue Texte. Dass man aber noch tiefer sinken kann, habe ich gestern erkannt, als ich aus irgend einer Laune heraus eines jener Online-Spiele heruntergeladen habe, die angeblich kostenlos sind. Es geht in dem Spiel darum, eine Bäckerei am Laufen zu halten, die Kunden mit ständig frischen Leckereien und neuem Design bei Laune zu halten. Als passionierte Bäckerin, die aber unbedingt etwas mehr auf ihre Linie achten sollte, sah ich in dem Spiel genau den richtigen Zeitvertrieb. Gut, etwas mulmig wurde mir schon, als ich erkannte, dass man eigentlich Geld ausgeben müsste, wenn man es in dem Spiel zu etwas bringen will. Aber da ich im realen Leben öfters mal die Chance habe, zu erproben, mit wie wenig Geld man möglichst viele Menschen durchfüttern kann, rechnete ich mir gute Chancen aus, es in dem Spiel auch ohne Geldeinsatz ziemlich weit zu bringen.

Trotzdem musste ich das Ding heute Vormittag schleunigst wieder löschen, weil ich erkennen musste, dass sich mein vollbepacktes reales Leben nicht verträgt mit einem vollbepackten virtuellen Leben. Kümmerte ich mich darum, dass meine Kunden im virtuellen Leben stets genügend frischen Kuchen und heissen Kaffee hatten, klagte „Meiner“, er müsse immer alles alleine machen. Sorgte ich dafür, dass das schmutzige Geschirr vom realen Esstisch verschwand, sammelten sich in der virtuellen Küche die Fliegen auf dem Essen, das Zeug landete im Abfall und die Kunden liefen in Scharen davon. Also versuchte, ich, beides parallel zu meistern, was aber auch nicht so einfach war, weil ausgerechnet dann, als die realen Kinder Hunger hatten, auch die Kuchen für die virtuellen Menschen fertig sein mussten. Einige Male versuchte ich noch, den virtuellen Laden am Laufen zu halten, indem ich mich hin und wieder aufs WC flüchtete, aber irgendwann kamen mir „Meiner“ und Karlsson auf die Schliche. „Jetzt löschst du sofort dieses unsinnige Spiel und hilfst uns, alles für den Samichlaus bereit zu machen“, forderten sie. Und ich, die ich sonst immer beweisen muss, dass ich mir nichts vorschreiben lasse, gehorchte brav. Denn mir war klar geworden, dass solche Spiele nur etwas für Menschen sind, die keinen haben, dem sie Kuchen und Kaffee servieren können.

Aber in meinem Leben gibt es genügend Menschen, die sich gerne mit Leckereien verwöhnen lassen. Ausserdem hatte ich heute Lust auf frischen, würzigen Chai und den dürfte ich in der virtuellen Bäckerei erst zubereiten, wenn ich Level 13 erreicht hätte. Duften würde der natürlich nicht und wärmen erst recht nicht. Also überliess ich meine virtuelle Bäckerei ihrem virtuellen Schicksal und braute aus Kardamom, Zimt, Sternanis, Schwarztee, Pfeffer, Milch und Muskat einen Chai. Mein realer „Meiner“, meine realen Kinder, unsere realen Gäste und mein realer Gaumen haben sich sehr darüber gefreut.

Nichts für mich



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