Neulich empfahl mir jemand ein Buch von Nele Neuhaus, das Buch las sich nach einigen Anfangsschwierigkeiten ganz angenehm, “Meiner” und Karlsson waren auch angetan davon und so dachte ich, ich hätte vielleicht eine Autorin gefunden, die mir in den “Ich brauche Lesestoff, der unterhaltsam, aber nicht ganz blöd ist”-Momenten gelegen kommen könnte. Einen solchen Moment hatte ich neulich, als zufällig gerade eine Buchhandlung in der Nähe war und in dieser Buchhandlung priesen sie den neuesten Neuhaus – also eigentlich den neuesten Löwenberg, denn unter diesem Namen hat sie das Buch geschrieben – ganz gross an. Mit der Ausrede, dass Karlsson und “Meiner” den Schinken bestimmt auch gerne lesen würden, kaufte ich ihn. Ausserdem handelt die Geschichte im ländlichen Nebraska der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts und da ich mich genau in jenen Jahren elf Monate lang auf einer Farm im ländlichen Nebraska langweilte, freute ich mich auf ein Wiedersehen mit einer mir bekannten und doch eigenartig fremden Welt.
Dumm nur, dass ich mich schon nach einigen Seiten fragen musste, ob die Autorin denn überhaupt schon mal in Nebraska gewesen ist. Kein Wort über die platte, weitgehend baumlose Prärielandschaft, über die im Schachbrettmuster angelegten Mais- und Sojafelder, die endlosen, schnurgeraden Kieselstrassen, die unscheinbaren, farblosen Farmhäuser. Dafür aber steinalte Eichen, ein (heimlich) querdenkender Farmer, der in einem stilvoll gebauten Haus lebt, sich seit Menschengedenken der Monokultur widersetzt und unter anderem auch tonnenweise Tomaten anbaut. Mal unterläuft der Autorin der Schnitzer, dass sie Omaha für die Hauptstadt des Staates hält, später erinnert sie sich aber wieder daran, dass das ja Lincoln wäre. Die Protagonistin hat Zoff mit den Eltern, weil sie als Vierzehnjährige heimlich Auto fährt, obschon in Nebraska jedes Farmkind, das weiter als 1.5 Meilen von der Schule entfernt lebt, in diesem Alter ganz legal fahren darf, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Zwar sind die Leute Methodisten, dennoch besuchen sie die Messe und ein armer Aussenseiter beklagt sich bitter, weil er als Kind nie hat Messdiener sein dürfen.
Nun könnte man natürlich sagen, wer Nebraska nicht kenne, brauche sich an solchen Details ja nicht zu stören, ich solle also gefälligst meine Klappe halten, das Buch sei ansonsten bestimmt ganz gut. Ist es aber nicht. Eine rebellische Jugendliche, die unglaublich viel verkanntes Talent sowie zahlreiche Affären mit viel älteren Männern hat – Farmarbeiter, angeblicher Schriftsteller, der sich dann als Lehrer entpuppt, Rodeoreiter, der aber leider schwul ist und deshalb keine Affäre haben will, Pastor -, zwei versuchte und eine wirkliche Vergewaltigung, ein ungewollter Mord, der sich problemlos vertuschen und ebenso problemlos vergessen lässt, eine Abtreibung, eine bigotte Adoptivmutter und heuchlerische Puritaner, die wirken, als hätte sie die Autorin bei Nathaniel Hawthorne abgeschaut.
Okay, das Ganze ist immerhin so geschrieben, dass man wissen will, wie es ausgeht, doch wenn die Sache durchgestanden ist, werde ich mich leider nach einer neuen Autorin für “Ich brauche Lesestoff, der unterhaltsam, aber nicht ganz blöd ist”-Momente umsehen müssen.