Manch trübe Aussicht ergibt sich. Eine ist das Leistungsschutzrecht, so wie es kommen soll. Böse Verleger wollen, dass "das schon Zitieren kurzer Textpassagen im Internet kostenpflichtig" werde. Böse Zungen meinen: Verlage werden gegenseitige Zitationen und Verlinkungen unter Absprache nicht beanstanden. Wie handhaben sie das aber bei kleinen Publizisten und Bloggern? Wie können die sich an den Kampagnen und den agenda settings festbeißen, wenn sie weder verlinken noch ausgiebig zitieren dürfen? Denn machen wir uns nichts vor: achtzig Prozent allen bloggenden Alltages orientiert sich an dem, was die Medien setzen. Der Rest ist Kür. Bloggen ist nicht, wie das mancher Schwärmer gelegentlich schreibt, eine separate, über allem schwebende Branche - es ist eine Variation der Publizistik, es ist manchmal, wenn denn politisch gebloggt wird, ein Kontroll-, Überwachungs- und Berichtigungsinstrument, das jedoch relativ schwach ausschlägt. Was also, wenn es dergestalt radikal kommt, wenn selbst kurze Zitate und Links auf Onlineangebote verschiedener Medien zu Abmahnungen führen könnten?
Ein befruchtendes Hindernis
Man könnte Panik bekommen. Auf was stützen? Was zerpflücken und richtigstellen, wenn man das Sujet nicht zitieren, nicht klickbar machen darf? Bei aller Sorge: Das bietet viele Chancen! Sich verkappen zu müssen, um nicht verknackt zu werden, hat schon manchem verschmitzten Geist eine notwendige Raffiniertheit, eine zeitlose Pfiffigkeit eingebracht. Das Kabarett lebte selbst in Zeiten fort, in denen die Meinungsfreiheit viel direkter beschnitten war - es gebar Charaktere, die nichts direkt ansprachen, Namen nicht nannten, Umstände verkleideten, die unhaltbaren Zustände so grotesk ins Gegenteil verkehrten, dass sie unglaubhaft wurden, dass man sie hinterfragte. Man denke an Werner Finck, wie er ohne direkten Verweis auf die Zustände seiner Zeit, diese Zeit doch kritisierte - wie spät ist es, fragte ihn eine Frau seinerzeit; gnädige Frau, ich darf über die Zeit nicht sprechen, antwortete er. Er versicherte seinem Publikum, man dürfe natürlich lachen heutigentags, nur der Einzelne dürfe nicht mehr lachen, alle zusammen wollen wir lachen - falls einer an der falschen Stelle lache, sei er nicht dafür verantwortlich. Ohne punktgenauen Worte hatte er die braune Gemütlichkeit und ihre volksgenössische Zusammen-und-Miteinander-Kultur angegriffen - mit etwas Pfiff findet die Wahrheit immer Schlupflöcher.
Oder man denke an das Kabarett im anderen Deutschland oder an die dortige Musikindustrie, in der es auch kritische Bands gab, die aber verklausuliert schmetterten, die Wortspiele nutzten, Verdrehungen anstellten, Umschreibungen zu Personen und Funktionen erfanden, die die ganze Komik und die ganze Verschlagenheiten des Systems viel besser wiedergaben, als es die bloße Abbildung der Wirklichkeit je gekonnt hätte. Immer dann, wenn man die Artikulation freier Meinung erschwerte, befruchtete das die Phantasie des Intellektualismus, der Kunst und Kultur. Das Diktat der Kirche hat manchen Kritiker theokratischer Strukturen dazu gebracht, ein zeitloses Werk zu hinterlassen, indem er versteckt beschrieb, was direkt nicht für Beschreibung bestimmt war. Ein Zensur und Strafe verteilender Sittenkondex war zwar Hindernis - aber nicht selten eines, das befruchtet, das angeregt und das die hiesigen Schweinereien in metaphorischer Form verständlich und zeitlos gemacht hat.
Spreu vom Weizen
Dann zitiert man nicht mehr, man beschreibt, man habe gehört oder irgendwo gelesen, dass jemand, den man nicht nennt, sondern umschreibt, etwas gesagt habe, das ungefähr so lautete. Das ist nicht journalistisch, klingt auch nicht seriös - aber es bietet die Möglichkeit der Überspitzung, der Herausarbeitung der Tendenz einer Aussage. Die Kunst wird sein, ohne Ross und Reiter zu nennen, alles zu sagen, ohne alles gesagt zu haben. Das ist keine Sache für jedermann, hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Der kreative Blogger, der erfinderische Geist wird seine Nische halten können, sein künstlerisches Potenzial entfalten.
Immer dann, wenn man Kunstformen an die Leine nehmen will, entwickelt die Kunst spezifische Formen des Widerstandes und der autonomen Haltung. Dort wo sie es nicht tut, herrscht keine Kunst mehr. Dieser Kniff, sich kreativ aus der Affäre zu stehlen, könnte als Selbstheilungskraft des Künstlerischen verstanden werden. Zeiten der Zensur oder der Einschränkung können daher für die Kreativität durchaus reizvoll sein - gleichwohl ein Leistungsschutzrecht, das die "kleinen Endverbraucher" hemmt und drangsaliert, inakzeptabel ist, kann man doch behaupten, dass die Bloggerei nicht totzukriegen ist. Sie wird sich verändern und das Feld wird schmaler werden. Aber sie wird überleben und weiterhin gegen den Mainstream anrennen. Für journalistische Blogger werden sich Probleme ergeben - und auch um manch spannende Linksammlung wäre es schade. Daher kann man nur hoffen, dass die leistungsschutzrechtliche Anfachung der Kreativität nicht Wirklichkeit wird...
<a href="http://flattr.com/thing/735620/Nicht-totzukriegen" target="_blank"><br /><img src="http://api.flattr.com/button/flattr-badge-large.png" alt="Flattr this" title="Flattr this" border="0" /></a>
Ein befruchtendes Hindernis
Man könnte Panik bekommen. Auf was stützen? Was zerpflücken und richtigstellen, wenn man das Sujet nicht zitieren, nicht klickbar machen darf? Bei aller Sorge: Das bietet viele Chancen! Sich verkappen zu müssen, um nicht verknackt zu werden, hat schon manchem verschmitzten Geist eine notwendige Raffiniertheit, eine zeitlose Pfiffigkeit eingebracht. Das Kabarett lebte selbst in Zeiten fort, in denen die Meinungsfreiheit viel direkter beschnitten war - es gebar Charaktere, die nichts direkt ansprachen, Namen nicht nannten, Umstände verkleideten, die unhaltbaren Zustände so grotesk ins Gegenteil verkehrten, dass sie unglaubhaft wurden, dass man sie hinterfragte. Man denke an Werner Finck, wie er ohne direkten Verweis auf die Zustände seiner Zeit, diese Zeit doch kritisierte - wie spät ist es, fragte ihn eine Frau seinerzeit; gnädige Frau, ich darf über die Zeit nicht sprechen, antwortete er. Er versicherte seinem Publikum, man dürfe natürlich lachen heutigentags, nur der Einzelne dürfe nicht mehr lachen, alle zusammen wollen wir lachen - falls einer an der falschen Stelle lache, sei er nicht dafür verantwortlich. Ohne punktgenauen Worte hatte er die braune Gemütlichkeit und ihre volksgenössische Zusammen-und-Miteinander-Kultur angegriffen - mit etwas Pfiff findet die Wahrheit immer Schlupflöcher.
Oder man denke an das Kabarett im anderen Deutschland oder an die dortige Musikindustrie, in der es auch kritische Bands gab, die aber verklausuliert schmetterten, die Wortspiele nutzten, Verdrehungen anstellten, Umschreibungen zu Personen und Funktionen erfanden, die die ganze Komik und die ganze Verschlagenheiten des Systems viel besser wiedergaben, als es die bloße Abbildung der Wirklichkeit je gekonnt hätte. Immer dann, wenn man die Artikulation freier Meinung erschwerte, befruchtete das die Phantasie des Intellektualismus, der Kunst und Kultur. Das Diktat der Kirche hat manchen Kritiker theokratischer Strukturen dazu gebracht, ein zeitloses Werk zu hinterlassen, indem er versteckt beschrieb, was direkt nicht für Beschreibung bestimmt war. Ein Zensur und Strafe verteilender Sittenkondex war zwar Hindernis - aber nicht selten eines, das befruchtet, das angeregt und das die hiesigen Schweinereien in metaphorischer Form verständlich und zeitlos gemacht hat.
Spreu vom Weizen
Dann zitiert man nicht mehr, man beschreibt, man habe gehört oder irgendwo gelesen, dass jemand, den man nicht nennt, sondern umschreibt, etwas gesagt habe, das ungefähr so lautete. Das ist nicht journalistisch, klingt auch nicht seriös - aber es bietet die Möglichkeit der Überspitzung, der Herausarbeitung der Tendenz einer Aussage. Die Kunst wird sein, ohne Ross und Reiter zu nennen, alles zu sagen, ohne alles gesagt zu haben. Das ist keine Sache für jedermann, hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Der kreative Blogger, der erfinderische Geist wird seine Nische halten können, sein künstlerisches Potenzial entfalten.
Immer dann, wenn man Kunstformen an die Leine nehmen will, entwickelt die Kunst spezifische Formen des Widerstandes und der autonomen Haltung. Dort wo sie es nicht tut, herrscht keine Kunst mehr. Dieser Kniff, sich kreativ aus der Affäre zu stehlen, könnte als Selbstheilungskraft des Künstlerischen verstanden werden. Zeiten der Zensur oder der Einschränkung können daher für die Kreativität durchaus reizvoll sein - gleichwohl ein Leistungsschutzrecht, das die "kleinen Endverbraucher" hemmt und drangsaliert, inakzeptabel ist, kann man doch behaupten, dass die Bloggerei nicht totzukriegen ist. Sie wird sich verändern und das Feld wird schmaler werden. Aber sie wird überleben und weiterhin gegen den Mainstream anrennen. Für journalistische Blogger werden sich Probleme ergeben - und auch um manch spannende Linksammlung wäre es schade. Daher kann man nur hoffen, dass die leistungsschutzrechtliche Anfachung der Kreativität nicht Wirklichkeit wird...
<a href="http://flattr.com/thing/735620/Nicht-totzukriegen" target="_blank"><br /><img src="http://api.flattr.com/button/flattr-badge-large.png" alt="Flattr this" title="Flattr this" border="0" /></a>