Nicht recht bei Verstand

Thea-Dorn-Die-Unglückseligen-knausJPG.JPGDie Unglückseligen – Thea Dorn

Unsterblichkeit: Seit jeher versuchen Menschen, ein Mittel  zu finden, mit dem sie dem sicheren Tod entkommen können. Thea Dorn lässt in Die Unglückseligen zwei Seiten aufeinanderprallen, die dem ewigen Leben hinterherjagen – oder versuchen, ihm zu entkommen. Da ist die Molekularbiologin Johanna Mawet, die eine Lösung für Krankheit und Leid sucht, damit das Sterben ein Ende hat. Und da ist der merkwürdige, verlotterte Johann Wilhelm Ritter, der behauptet, er sei im Jahr 1776 geboren und könne seit über 200 Jahren einfach nicht sterben.

Schon vom ersten Blick an waren Johann und Johanna einander nicht geheuer. Johann macht auf Johanna einen verrückten Eindruck, den sie jedoch nicht wirklich zuordnen kann. Johanna hingegen ist für Johann der Teufel in Person. Trotz der tiefen Abneigung füreinander, begegnen sich beide wieder und lernen sich kennen. Die Geschichte, Johann könne trotz all möglicher Suizidversuche nicht sterben, nimmt Johanna ihm zunächst nicht ab. Erst eine Untersuchung seiner DNA macht sie stutzig und lässt sie an ihrem Vertrauen in die Wissenschaft vertrauen. Letztlich auch an ihrem Verstand.

Thea Dorns Roman strotzt nur so vor Wissen. Die Autorin nimmt den Leser mit auf eine lange Reise über die Geschichte der Wissenschaft der letzten 250 Jahre. Johann Wilhelm Ritter gab es wirklich: Die historische Figur entdeckte die UV-Strahlung und wurde u.a. von Brentano, Goethe und Herder sehr geschätzt. Ritter interessierte sich auch für den Galvanismus und schreckte nicht vor drastischen Selbstversuchen zurück, die ihn zuletzt das Leben kosteten. In Die Unglückseligen hingegen verleihen sie ihm Unsterblichkeit. Verloren irrt er seitdem durch die Welt, bis er sich ganz in einen Wald zurückzieht.

„Nimmer nicht wird Verstand den Weg zur Alleinheit sich zurück erklügeln. Ein Traum war’s, ein seliger zwar, doch weiter nichts als ein Traum, die letzte Absicht der Natur sei es, zur höchsten Gegenwärtigkeit und Selbstempfindung sich durch den Menschen aufzuläutern. Die Wahrheit ist: Sie bedarf unser nicht. Ja bittrer noch: Sie will uns nicht.“ (S. 126)

Für Johanna ist Johann die Antwort all ihrer Fragen. Trotz ständiger philosophischer Diskussionen über Leben und Tod, Vor- und Nachteile der Unsterblichkeit, überredet sie ihn, bei ihren wissenschaftlichen Versuchen mitzumachen. Erst als sie an ihre Grenzen stößt, nimmt der Roman eine Wendung. Nun ist es Johanna, die sich auf erschreckende, galvanische Versuche einlässt, die Johann damals schon an sich selbst durchführte. Hier wird es wirklich interessant, doch die schräge, haarsträubende Geschichte entwickelt sich zu einer lauen Liebesgeschichte.

Abstriche gibt es auch wegen der Sprache. Dorn meint es gut, und in der Tat ist es beeindruckend, dass Johanna konsequent in moderner, klarer Sprache und Johann in der altertümlichen, poetischen des 19. Jahrhunderts spricht. Jedoch kommen immer mehr Personen hinzu, die alle einen anderen Dialekt sprechen und immer wieder schaltet sich eine auktoriale Erzählinstanz ein: Es ist der Teufel höchstpersönlich, der sich einen Streich mit den Protagonisten erlaubt, weil er selbst aus dem Paradies geworfen wurde. Er beobachtet, kommentiert das Geschehen und reißt verächtliche Witze. Zunächst sind seine Einschübe amüsant, doch mit Fortschreiten des Romans stören sie immer mehr, da man ständig mindestens zwischen drei Redeweisen wechseln muss. Der Verstand schaltet sich nicht nur bei Johanna ab, sondern auch beim Lesen.

Die Unglückseligen ist ein außergewöhnliches, umfangreiches Buch. Thea Dorn bringt viele wichtige Themen und kluge Gedanken ein. Ihre Botschaften bleiben allerdings im Wust geschwollener Phrasen, die es zu entwirren gilt, oft im Verborgenen.

Thea Dorn: Die Unglückseligen. Roman. Knaus Verlag, München 2016. 558 Seiten, 24,99 Euro.

Marina Büttner von Literatur leuchtet hat ebenfalls eine Rezension zum Buch geschrieben.

Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.



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