Als die Hammerschläge Siegfrieds durch den Wald dröhnten, war Meister Mime erschrocken herbeigestürzt. Mit Ingrimm nahm er wahr, welche Zerstörung in der Schmiede angerichtet war, und der Zorn übermannte ihn, dass er die Hand gegen den eigenmächtigen Lehrbuben hob. Aber da lag er gleich selbst am Boden, und als die Gesellen ihm zu Hilfe eilen wollten, taten Siegfrieds Fäuste so rasche und tüchtige Arbeit, dass sie alle, zerzaust und zerrupft, in ihrer Not in den Wald entsprangen. Nun stand es bei Meister Mime fest, dass der ungeschlachte Geselle wegmusste aus der Schmiede. Nachdenklich zog er den Bart durch die Finger und überlegte hin und her, doch guter Rat war hier teuer: ein zweites Mal wollte er die eisernen Fäuste des Jungen nicht verspüren. Da schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass unweit der Schmiede in einem Waldtale bei einer Linde ein greulicher Drache hauste, ein Untier, dass Feuer aus seinem gewaltigen Rachen schnob und dessen fürchterlichen Krallen noch niemand lebend entkommen war. Schon der Blick seiner tückischen Augen lähmte den mutigsten Mann, und wenn die Reihen der dolchspitzen Zähne sich auftaten, blieb dem Unglücklichen nicht einmal mehr Zeit für ein letztes Stoßgebet. So musste es gehen! Mit listigem Lächeln wandte der Schmied sich an Siegfried und deutete auf einen leeren Sack: "Wir haben keine Kohlen mehr. Sei so gut und hole uns einen Sack voll beim Köhler!" Und er beschrieb ihm den Weg dorthin aufs genaueste - es war dies aber der Weg, der in das Drachental führte. Siegfried warf den Sack auf die Schulter und schritt wohlgemut auf grasigem Pfad unter den hohen Kronen der Waldbäume dahin, bis er in das verrufenen Tal kam. Dort sprudelte am Hang unterhalb einer uralten Linde ein Quell aus dem Gestein, und Siegfried beugte sich nieder, um einen kühlen Trunk zu tun. Da vernahm er plötzlich ein zischendes Fauchen, und wie glühender Feuerhauch strich es über ihn hinweg. Der Drache war aus seiner Höhle im Geklüft hervorgeschossen und wand seinen Schuppenleib auf den Quell zu. Rot züngelte es aus dem grässlichen Rachen, und giftiger Atem stieß weithin aus den Nüstern. Furchtlos sprang Siegfried mit dem Schwert den Unhold an. Aber so dicht seine Hiebe fielen, sie schnitten nicht durch den hörnernen Drachenpanzer, der hart war wie Stahl. Wohl sprühten Funken aus dem Schwert, wohl schnaubte und brüllte das Ungetüm vor Schmerz und Wut, doch kein Streich traf ins Leben. Schon spürte Siegfried, wie der Feuerhauch ihn sengte, schon schnappte der furchtbare Rachen nach ihm, da warf er das Schwert beiseite, riss einen Baum aus der Erde und stürzte ihn über den Lindwurm, dessen Schwanz sich sogleich in dem Geäst verfing. Wütend suchte der Drache sich freizumachen, doch Siegfried schleuderte Baum auf Baum über den Schuppenpanzer, bis er mit Astwerk und Gezweig gänzlich bedeckt war. Und so glühend war der Atem, der aus dem Rachen des Untiers fuhr, dass die Bäume Feuer fingen und die Flammen bald wie aus einer lodernden Esse aufschlugen. Vergebens suchte der Lindwurm die feurige Last abzuschütteln, vergebens krümmte und bäumte er sich in Todesnot, Siegfried rammte ihm von unten, wo kein Hornpanzer Schutz gab, das Schwert in den Leib und traf mit tödlichem Stoß das Herz. Ein heißer roter Strahl sprang aus der Wunde gegen Siegfrieds Hand. Da hob er die Finger an den Mund, um die gebrannte Stelle zu kühlen, und plötzlich verstand er die Sprache der Vögel, die über ihm in der Linde zwitscherten. "Seht, wie der Hornpanzer des Lindwurms im Feuer schmilzt!" ließ sich einer vernehmen, und ein zweiter antwortete: "Wer sich darin badet, der ist gefeit gegen Schwert und Lanze und Dolch, kein Eisen schneidet ihm eine Wunde." Da warf Siegfried die Kleider ab und badete sich in dem heißen Strom, der zwischen den glühenden Stämmen hervorquoll. Von nun an trug er am ganzen Körper eine Hornhaut, die so fest war wie der Drachenpanzer. Nur eine einzige Stelle auf dem Rücken zwischen den Schultern blieb ungeschützt. Dorthin war nämlich ein Lindenblatt gefallen und hatte den Hornfluß abgehalten.
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