Eines Tages ritten Boten des Sachsenkönigs Lüdeger und des Königs Lüdegast vom Dänenland in Worms ein und sagten den Burgunden Krieg an. Binnen zwölf Wochen wollten die feindlichen Könige mit Heeresmacht am Rhein sein und die Burgen brechen, falls die Burgunden nicht bereit seinen, um Frieden zu verhandeln. Voll Sorge berief Gunther seine Brüder und seine Getreuen zur Beratung. Gernot war sogleich für den Kampf: die Ehre lasse keine andere Wahl. Hagen dagegen mahnte zur Vorsicht: "Wir können in so kurzer Zeit nicht unser ganzes Aufgebot an den Feind bringen. Deshalb schlage ich vor, uns die Hilfe Siegfrieds zu sichern, ehe wir den Boten eine Antwort geben."
Siegfried ließ sich nicht zweimal bitten. Er reichte Gunther die Hand: "Gebt mir nur tausend Mann, dann wird es keinem Feind gelingen, Euer Land zu verheeren, und rückte er auch mit dreißigtausend Gewappneten heran!"
Da dankte ihm Gunther frohen Herzens und entließ die fremden Boten mit der Antwort: "Wir sind bereit, die beiden Könige mit Waffen zu empfangen, falls ihnen die Heerfahrt ins Burgundenland nicht noch leid werden sollte!"
Nach Rückkehr der Boten zogen Lüdeger und Lüdegast sogleich mit vierzigtausend Mann zu Felde. Doch auch die Burgunden säumten nicht. Siegfried und Hagen führten ihre Kampfschar über den Rhein, und Volker, der kühne Spielmann, trug die Fahne. Gunther aber blieb auf Siegfrieds Rat daheim in Worms.
Das gab ein rasches Reiten durch den Hessengau bis an die Grenze des Sachsenlandes. Dort ließ Siegfried die Streitmacht in der Obhut Hagens und Gernots zurück und ritt allein auf Kundschaft in die feindliche Mark. Bald traf er auf einen Späher, der dem Heer der Gegner voraus ritt. Einen goldenen Schild trug er an der Linken. Es war Lüdegast, der Dänenkönig.
Kaum hatten die Helden einander erblickt, so spornten sie die Rosse zu ritterlichem Kampf. Die Lanzen zerspellten an den Schilden, aber keiner wankte im Sattel. Nun zogen sie die Schwerter, und dicht stoben die roten Funken aus Helmen und Schilden. So tapfer Lüdegast auch stritt, Siegfried schlug ihm drei tiefen Wunden, und besiegt gab sich der Dänenkönig schließlich in Siegfrieds Hand. Auch dreißig Dänenrecken, die ihm zur Hilfe heransprengten, vermochten sein Los nicht zu wenden. Mann für Mann fielen sie bis auf einen; den ließ Siegfried entkommen, dass er mit zerhauenem und blutigem Helm die schlimme Kunde ins Dänenlager bringen konnte.
Lauter Jubel erhob sich, als Siegfried mit dem gefangenen Dänenkönig bei den Burgunden eintraf. Sogleich wurde der Aufbruch befohlen, und hochgemut trug Volker die Heerfahne voran. Nicht lange brauchten sie zu reiten, da hatten sie vor sich die reisigen Scharen der Sachsen und Dänen. Die Schlacht hub an. Lanzen und Schwerter machten sich an ihr blutiges Werk. Waren die Burgunden auch an Zahl weit unterlegen, Hagen und Volker, Gernot und Ortwin und Dankwart ließen sich nicht schrecken. Durch das wildeste Kampfgetümmel brachen sie sich mit schmetternden Schwerthieben Bahn. Am weitesten aber drang Siegfried mit seinen zwölf Getreuen vor, dorthin, wo Lüdeger, der Sachsenkönig, unter den Seinen hielt. Der stritt ingrimmig, um den Waffenbruder aus dem Nordlande zu rächen; als er aber das Wappenzeichen auf Siegfrieds Schild erkannte, gebot er dem Kampf Einhalt und ließ die Fahne senken: gegen einen solchen Gegner vermochte niemand aufzukommen.
Der Friede wurde den Sachsen und Dänen gewährt, aber die beiden Könige und fünfhundert Mann mussten den Burgunden als Gefangene an den Rhein folgen. Siegesboten eilten dem heimkehrenden Heer voraus. Gernot hatte sie abgesandt, den stolzen Ausgang des Heerzuges in Worms zu melden. Einen von ihnen ließ Kriemhild heimlich zu sich kommen, und sie vernahm, dass Siegfried am herrlichsten von allen gestritten und mit eigener Hand die beiden Könige bezwungen hatte. Mit reichen Geschenken entließ sie den Boten, ihre Freude verschloss sie tief im Herzen.
Eine frohe Menge säumte die Straßen, als die Sieger mit ihren Gefangenen in Worms einzogen. Auch mancher Kampfverwundete war dabei, und manches Schwert war schartig, mancher Helm und Schild zerhauen. König Gunther bot seinen Getreuen Willkommen und Dank, auch die beiden Könige grüßte er und reichte ihnen die Hand. Frei durften sie umher gehen, nachdem sie gelobt hatten, nicht heimlich aus dem Burgundenland zu entweichen.
Nach sechs Wochen aber sollte vor den Toren der Stadt am Rheinstrand ein Siegesfest gefeiert werden. So hatte König Gunther auf Gernots Vorschlag hin beschlossen. Manch kampfmüder Recke nahm Urlaub bis zu diesem Tag, um daheim seine Wunden zu pflegen. Auch Siegfried kam das Verlangen an, nach Hause zu ziehen, und selbst Gunthers inständige Bitten hätten nicht vermocht, ihn zu halten, wäre nicht der Gedanke an Kriemhild, die Holdselige, gewesen. So blieb er denn mit seinen Gefährten in Worms.