Endlich durften die Burgunden die Helme abbinden. Auf den Haufen der Gefallenen ließen sie sich zur Rast nieder. Wieder übernahmen Hagen und Volker die Wacht an der Tür vor einem neuen Angriff der Feinde.
Sie brauchten nicht lange zu warten. Ein ganzes Hunnenheer zog heran. Schar auf Schar stürmte gegen den Saal, und den ganzen langen Sommertag hindurch währte der erbitterte Kampf. Erst die anbrechende Nacht setzte dem Ringen ein Ende.
Da standen sie, erschöpft an die Schilde gelehnt, auf dem blutgetränkten Kampfplatz, die streitmüden Recken, und mancher Panzerring war rot verfärbt, aus mancher Wunde sickerte das Blut. Die Not seiner Getreuen ging König Gunther zu Herzen. Mit lauter Stimme rief er nach Etzel und bot ihm Frieden an.
Doch der Hunnenkönig antwortete: "Frieden könnt ihr nun nicht mehr haben. Mein Kind habt ihr erschlagen, und so viele meiner Freunde liegen tot. Keiner von euch soll mit dem Leben davonkommen." Vergebens erinnerte Gunther ihn daran, dass das Unheil mit dem Überfall Blödels auf die Knechte seinen Anfang genommen habe. Etzel, vordem der mildeste aller Wirte, verlangte nach Rache.
Da wandte Gieselher sich an Kriemhild, die zur Seite Etzels stand: "Liebste Schwester, nie hätte ich geglaubt, dass du mich einmal in solche Not brächtest! Stets hielt ich dir die Treue, und kein Leid geschah dir je von mir. Dafür erweise uns jetzt deine Huld und lass uns ziehen!"
Giselhers flehende Worte rührten das steinerne Herz der Königin. "Nun wohl", entgegnete sie, "wenn ihr mir Hagen als Geisel ausliefert, sollt ihr das Leben haben und in die Heimat zurückkehren dürfen, denn ihr seid meine Brüder, und die gleiche Mutter haben wir."
"Das verhüte Gott im Himmel!" rief Gernot. "Und wären wir tausend Brüder, wir gingen alle lieber in den Tod, als dir einen einzigen unserer Mannen als Geisel zu lassen!" Auch Giselher, der junge, bedachte sich keinen Augenblick und stimmte dem Bruder bei: "Nie brach ich einem Freund die Treue, und so soll es bleiben bis in den Tod!"
Nun kannte Kriemhild kein Mitleid mehr mit den Brüdern, die von Hagen nicht lassen wollten. Sie befahl, die Burgungen in den Sall zurückzutreiben, und ließ dann Feuerbrände an seine vier Ecken legen. Bald loderten die Flammen, vom Wind getrieben, hoch auf und ergriffen das Dach. Gierig fraßen sie sich weiter an Stützen und Sparren und schossen zu einem einzigen wabernden Feuermeer zusammen. Brennend stürzte das Gebälk in die Tiefe, Funkengarben regneten herab, beißender Rauch zog in dichten Schwaden durch den Saal, und höllische Glut dörrte den Männern die Kehle.
"An die Wände!" rief Hagen den Gefährten zu. "Und die Schilde hoch, dass die Balken euch nicht erschlagen! Stoßt sie mit den Füßen in die Blutlachen, dann werden die Brände rascher verlöschen!"
So standen sie die ganze Nacht unter ihren Schilden, während das Feuer raste, das glühende Dachwerk herunterprasselte und der Brandrauch ihnen den Atem nahm. Es war eine Nacht des Grauens und des Todes.
Endlich brach der Tag an, und ein kühler Morgenwind kam daher. Giselher verspürte ihn zuerst und rief den Freunden zu: "Es will tagen! Gebe Gott, dass wir noch einmal bessere Stunden erleben, als diese Nacht sie uns brachte!"
Die Gesichter schwarz vom Flammenruß, traten die Überlebenden über verkohltes Gebälk und schwelende Trümmer zusammen und reichten sich die Hände. Sechshundert waren es noch, die das Feuer verschont hatte.
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