Mehr als tausend Ritter und neuntausend Knechte standen in Worms zur Fahrt an Etzels Hof bereit. Da träumte Frau Ute, alle Vögel lägen tot im Land, und sie riet, die Reise zu lassen. Doch Hagen antwortete: "Wer sich an Träume hält, geht leicht fehl. Unserer Ehre wegen können wir jetzt nicht mehr zurück." Vorher hatte er wohl anders gesprochen, aber als Gernot spottete: "Hagen scheut die Fahrt, weil er an Siegfried denkt", da blieb ihm keine andere Wahl. Gunther übertrug dem wackeren Rumhold die Sorge für seine Getreuen als Vogt, damit Frauen und Kinder in guter Hut seien. Dann riefen die Hörner zum Aufbruch, die Fähnlein wurden erhoben, und frohen Mutes ging es zu Schiff über den Rhein. Drüben standen die Rosse schon gesattelt, und nicht lange währte der Abschied von den Frauen, die mit den Scheidenden über den Strom gefahren waren. Brunhild weinte, und mit ihr so manche, die dem reisigen Zug nachschaute. Nie sollten sie die hochgemuten Recken wiedersehen! In zwölf Tagen führte Hagen die Schar durch das Frankenland bis an die Donau. Der Strom war über die Ufer getreten und weit und breit kein Fährmann zu sehen. Da machte sich Hagen auf die Suche. Ein Schiff fand er nicht, wohl aber führte das Rauschen eines Gießbaches ihn zu einer Stelle, wo zwei Meerfrauen in der kühlen Flut badeten. Als sie den Fremden gewahrten, flüchteten sie erschreckt in den Strom hinaus und ließen ihre Kleider am Strand zurück. Der Tronjer wollte die Schwanenhemden als gute Beute davontragen, da rief ihm eine der Frauen zu: "Gebt Ihr uns das Gewand zurück, edler Herr, so sollt Ihr wissen, wie es Euch auf der Reise ins Hunnenland ergeht." Wie zwei Wundervögel schwebten sie auf der Flut, und Hagen glaubte ihnen, dass sie mit Zauberkraft die Zukunft zu enthüllen vermöchten. So versprach er, nach ihrem Wunsch zu tun, und erhielt den Bescheid: "Guten Mutes mögt ihr in Etzels Land reiten. Nie gingen Helden so großen Ehren entgegen, wie sie euch allen am Hunnenhof zuteil werden." Erfreut gab Hagen ihnen die Gewänder zurück. Kaum hatten sie aber die Schwanenhemden übergestreift, da ließ sich die andere Meerfrau vernehmen: "Ich will dich warnen, Hagen! Der Kleider wegen hat meine Muhme dich getäuscht. Tod und Verderben erwarten euch im Hunnenland. Nur des Königs Kaplan wird die Heimat wiedersehen, wenn ihr nicht umkehrt. Noch ist dazu Zeit, ich rate es euch gut!" In grimmigem Zorn erwiderte Hagen: "Verhöhnen würde man mich, wenn ich meinen Herren und allen Gefährten den Tod an Etzels Hof kündete! Sag mir lieber, wie wir über das Wasser kommen!" "Drüben am anderen Ufer, eine Strecke flußaufwärts, wohnt der einzige Fährmann", beschied sie ihn, "ihn musst du rufen, wenn ihr nicht lassen wollt von der Reise; aber bitte ihn freundlich und versprich ihm guten Lohn, denn er ist Gelfrats Mann, des Herrn im Bayernland, und dessen Bruders Else, und er ist ein gar ungefüger Geselle." Hagen rief ihr Dank zu und schritt das Ufer entlang, bis er drüben das Fährhaus erblickte. Mit dem Schwert hub er eine Goldspange hoch und ließ laut die Stimme über das Wasser schallen: "Hol über, Ferge! Reichen Lohn biete ich dir!" Da ließ der Fährmann das Boot vom Strand und kam herüber. Doch als er den fremden Recken erblickte, wurde ihm die Sache leid, und er verweigerte die Überfahrt. "Viel Feinde hat mein Herr, und kein Fremder darf in sein Land", fuhr er den Tronjer an, der sogleich den Fuß an Bord gesetzt hatte, und forderte ihn auf, wieder auszusteigen. Das war jedoch nicht nach Hagens Sinn, und auf der Stelle kam es zum Streit zwischen den beiden. Ingrimmig schlug der Fährmann seine Ruderstange auf Hagens Haupt, dass sie zersprang, aber da zog der Tronjer sein Schwert, fällte den Tobenden mit tödlichem Streich und stieß den Leichnam in die Wogen. Mit dem Schildriemen band er dann die zerbrochene Ruderstange wieder zusammen und lenkte das Boot stromab zu den Gefährten, die am Strand auf ihn warteten. Den ganzen Tag über war er nun selbst als Fährmann tätig und brachte die Ritter und ihre Waffen sicher über die Flut, während die Rosse nebenher schwammen. Hin und her ging die Wasserfahrt, bis er plötzlich den Kaplan König Gunthers im Schiff bemerkte. Da kamen ihm die Worte der Meerfrau in den Sinn, und ehe jemand ihn zurückhalten konnte, hatte er den erschrockenen Priester über Bord gestürzt. Den Tod hatte der grimme Tronjer dem Unglücklichen zugedacht, um die Weissagung der Meerfrau zuschanden zu machen, und unbarmherzig stieß er ihn wieder ins Wasser zurück, als er nach der rettenden Planke griff. Da wandte der Kaplan sich um und erreichte schwimmend glücklich das Ufer, das er eben verlassen hatte. Nun wusste Hagen, welches Schicksal ihn und die Burgungen im Hunnenland erwartete. Keine Rückkehr gab es mehr! Daher zerschlug er, als alle drüben waren, das Boot und ließ die Stücke davontreiben. Verwundert fragten ihn die Gefährten, was ihn dazu treibe. "Sollte ein Feigling unter uns sein, so mag er sehen, dass er uns nicht mehr im Stich lassen und heimlich nach Hause entweichen kann", entgegnete finster der Tronjer und stieß die letzte Planke in die Flut. Auf dem Weg durch das Bayernland hatten sie noch ein weiteres Abenteuer zu bestehen. Hagen hatte es vorausgesehen, als er den Fährmann erschlug. Deshalb ließ er Volker den Vortrab führen und übernahm selber mit seinem Bruder Dankwart die Nachhut. Die erprobten Recken von Tronje ritten mit ihnen. Am Abend vernahmen sie hinter sich und zu beiden Seiten der Straße Hufschlag. Da ließ Dankwart die Helme aufbinden, und Hagen rief durch das Dunkel: "Wer reitet da auf der Straße hinter uns her?" Es war, wie der Tronjer erwartet hatte, Gelfrat, der Bayernherzog, mit seinem Bruder Else und siebenhundert Reisigen. "Ihr habt mir den Fergen am Fluss erschlagen, nun geht es euch ans Leben!" drohte zornig Gelfrat. "Ich leugne die Tat nicht: er weigerte uns die Überfahrt, deshalb fand er den Tod. Zur Sühne im Schwerterkampf bin ich dir bereit!" rief Hagen zurück und spornte sein Roß. Es ward ein grimmiges Streiten. Gelfrats Lanze warf den Tronjer aus dem Sattel, doch gleich war dieser wieder auf den Füßen und ging den Bayernfürsten mit dem Schwert an. Wieder geriet er in Not, als Gelfrat ihm mit gewaltigem Streich ein Stück aus dem Schild hieb. Dankwart, der eben Else eine Wunde geschlagen hatte, musste herbeieilen, und von seiner Hand fand der tapfere Herzog den Tod. Da wandten die Bayern sich zur Flucht, und die Tronjer setzten in ungestümer Verfolgung nach, bis Dankwart, froh des Sieges, sie zurückrief. Mehr als hundert Bayern lagen tot auf dem Feld. Den Tronjern war mancher Schild zerhauen, aber sie zählten nur vier Gefallene. Kein Feind begegnete ihnen nunmehr im Bayernland, und in Passau hielten die wegmüden Recken gute Rast. Bischof Pilgrim nahm seine Neffen und ihre Getreuen aufs beste auf, und da nicht alle in der Stadt selbst Herberge fanden, schlugen die Knechte auf einer Wiese am Fluss Zelte und Laubhütten auf. Einen Tag und eine Nacht verbrachten sie dort, ehe sie sich auf den Weg machten nach Rüdigers Mark. An der Grenze trafen sie auf einen schlafenden Ritter. Hagen nahm ihm das Schwert weg. Es war der Markgraf Eckewart, der mit Kriemhild ins Hunnenland gezogen war. Rüdiger hatte ihn ausgeschickt, die Gäste zu begrüßen. "Weh der Schande, dass man mich hier schlafend fand, ein schlechter Grenzhüter bin ich!" klagte er, als er erwachte. Hagen aber gab ihm mit freundlichen Worten sogleich das Schwert zurück und dazu sechs Goldspangen. Da dankte ihm Eckewart bewegt: "Gott lohne Euch Eure Milde, Herr Hagen! Doch lieber wäre mir, ich hätte Euch hier vergebens erwartet, den Siegfrieds Tod hat man in Etzelnburg noch nicht verschmerzt, und ich rate Euch deshalb in Treuen: seid wohl auf der Hut!" "Sei bedankt für deinen Rat", entgegnete Hagen, "aber vorerst haben wir nur Sorge um eine gute Herberge. Unsere Rosse sind müde und unsere Vorräte aufgezehrt. Ein sorglicher Wirt tut uns allen not." "Den weiß ich euch", versprach Eckewart. "Marktgraf Rüdiger in Bechlaren ist es. Voll Freude wartet er auf die Gäste vom Rhein. Lasst mich vorausreiten und ihm die Nachricht bringen!"
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